Wissenschaftspolitik der GroKo: Jetzt liefern und nachlegen!

Im März 2018 hat eine sechsmonatige Hängepartie ihr Ende gefunden: CDU, CSU und SPD verständigten sich auf eine erneute Große Koalition (GroKo), neue Bildungs- und Forschungs-ministerin ist die nordrhein-westfälische CDU-Politikerin Anja Karliczek. Für die Wissenschafts-politik der neuen Bundesregierung enthält der Koalitionsvertrag zwar einige positive Ansätze, doch Papier ist geduldig – die GroKo muss jetzt liefern und noch nachlegen.

Gutes Studium: Für sichere Finanzierung sorgen!

Überfällig ist die von Union und SPD in Aussicht gestellte Verstetigung des Hochschulpakts, mit dem Bund und Länder für zusätzliche Studienplätze sorgen. Schon lange steht fest, dass die Nachfrage nach Studienplätzen weit über 2020 hinaus ungebrochen bleiben wird. Der Bund darf sich nicht länger aus seiner Mitverantwortung für die Grundfinanzierung der Hochschulen stehlen. Das Fortschreiben des Pakts allein wird jedoch nicht ausreichen: Seine Zuweisungen müssen zugleich deutlich aufgestockt werden, um den Numerus clausus zu überwinden und die Betreuungsrelationen zwischen Lehrenden und Studierenden zu verbessern.
Die Exzellenzstrategie wollen Union und SPD ausbauen und den Pakt für Forschung weiter wachsen lassen. Das heißt: Jahr für Jahr werden immer mehr Exzellenzgelder und Drittmittel ins System gespült, während die Grundfinanzierung der Hochschulen stagniert. Die Folge: noch mehr Wettbewerbsdruck an den Hochschulen und immer mehr Zeitverträge. Hier hat die GroKo die Chance zum Kurswechsel ebenso verpasst wie beim Hochschulbau. 2020 werden die vom Bund bereitgestellten Kompensationsmittel sang- und klanglos entfallen – ein Problem nicht nur für die finanzschwachen Länder.
Zu begrüßen ist die Absicht der Koalitionspartner*innen, das BAföG zu verbessern. Eine Reform ist überfällig, damit endlich wieder mehr Studierende und Schüler*innen mit bedarfsdeckenden Fördersätzen unterstützt werden. Dass die GroKo eine Trendwende erst zur nächsten Bundestagswahl erreichen will, greift allerdings zu kurz. Niemand Geringeres als der BAföG-Beirat beim Bundesbildungsministerium hat vor Kurzem eine rasche und deutliche Erhöhung der Ausbildungsförderung gefordert. Die Reform gehört daher ins 100-Tage-Programm der neuen Regierung.

Gute Arbeit: Befristungsmissbrauch bekämpfen!

Hoffnung macht, dass sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag zum Grundsatz der Guten Arbeit in der Wissenschaft bekennen – konkrete Maßnahmen benennen sie jedoch nicht. Wenn neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen befristet beschäftigt sind und die Hälfte der Arbeitsverträge nicht einmal ein Jahr läuft, ist der Handlungsbedarf enorm: Wir brauchen Dauerstellen für Daueraufgaben, Mindeststandards für Zeitverträge und verlässliche Karrierewege. Die Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes 2020 abzuwarten, reicht nicht aus. Da sich viele Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit der Umsetzung des neuen Befristungsrechts schwertun und nach Schlupflöchern suchen, muss die Evaluation vorgezogen und schnell über Nachjustierungen des Gesetzes entschieden werden.
Das gilt umso mehr, weil sich die GroKo die Bekämpfung des Befristungsmissbrauchs auf die Fahnen geschrieben hat. Künftig sollen Arbeitgeber*innen mit mehr als 75 Beschäftigten nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen dürfen. Die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne sachlichen Grund soll eingeschränkt werden. Ob die Großkoalitionär*innen dabei nur die Industrie oder auch die Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Blick hatten, ist unklar. Wenn es irgendwo einen Missbrauch mit dem Befristungsrecht gibt, dann dort. Dem darf die Regierung nicht tatenlos zusehen!


Dr. Andreas Keller

stellvertretender Vorsitzender und Vorstandsmitglied der GEW (Bund)

Foto: iStock.com  / nullplus

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