G9: Koalitionsvertrag weichgespült
Landesregierung legt Gesetzentwurf vor
G8 oder G9? Vor dieser Frage stehen nun viele Gymnasien in NRW. Im Gesetzentwurf stehen aus Sicht der GEW NRW viele richtige Entscheidungen. Deshalb sollten Schulleiter*innen und -träger*innen aufpassen und die versteckten Angebote der Landesregierung nutzen.
Wer die Wahlkampfaussagen von CDU und FDP, den NRW-Koalitionsvertrag, den Referentenentwurf für das G9-Gesetz und den jetzt diskutierten Gesetzentwurf der Landesregierung miteinander vergleicht, stellt fest: Sinnvoll waren die G8-Option und die Wahlmöglichkeit für Gymnasien nie. Politisch gewollt sind sie offenbar auch nicht mehr. Schulträger*innen und Schulkonferenzen sollten deshalb genau lesen, bevor sie sich für eins der beiden Modelle entscheiden.
Natürlich muss es aus Sicht der GEW NRW bei der grundsätzlichen Kritik bleiben: Die G8-Option und die Wahlmöglichkeit sind schulpolitisch falsch. Die Kritik, die die Bildungsgewerkschaft gemeinsam mit zwei kommunalen Spitzenverbänden, den beiden Direktorenvereinigungen, der Landeselternkonferenz, der Landeselternschaft der Gymnasien sowie dem VBE NRW und dem DGB NRW im Dezember 2017 formuliert hat, ist nach wie vor richtig. Alle treten für eine konsequente Wiedereinführung der neunjährigen Gymnasialzeit in NRW ein. Deshalb lehnen sie die Möglichkeit zum Verbleib im bisherigen System ebenso ab wie die Option zur Neugründung von G8-Gymnasien oder die Idee zum späteren Systemwechsel.
Zu einer grundsätzlichen Kehrtwende und der Abkehr vom Optionsmodell hat die Kraft der Landesregierung offenbar gefehlt. Ärgerlich ist auch, dass sie nahezu starrsinnig auf den Punkt beharrt, dass das Halbtagsgymnasium (wieder) möglich sein müsse. Das werden die Eltern schon richten.
Abkopplung des Gymnasiums weitgehend beendet
Die nun gescheiterte schwarz-gelbe Variante der Schulzeitverkürzung aus dem Jahr 2006 koppelte das Gymnasium durch eine fünfjährige Sekundarstufe I nur am Gymnasium von den anderen Schulformen ab. Unsinnig, aber nicht selten begrüßt von denjenigen, die ein Alleinstellungsmerkmal des Gymnasiums für zwingend nötig halten. In den zentralen Fragen der Stundentafel, des Beginns der zweiten Fremdsprache, der Abschlüsse in Klasse 10 und des Verfahrens am Ende der Klasse 10, das eine Prüfung mit landeseinheitlichen Aufgaben für alle vorsieht, wird das neunjährige Gymnasium künftig den anderen Schulformen der Sekundarstufe I weitgehend gleichgestellt. Gut so.
Die Landesregierung möchte es offenbar Schulträger*innen leichter machen, Beschlüsse
von Gymnasien, bei G8 zu bleiben, nicht umzusetzen. War im Referentenentwurf noch davon die Rede, dass Schulträger*innen nur in Ausnahmefällen zwingende Gründe der Schulentwicklungsplanung anführen können, die der Umsetzung entgegenstehen, ist nun schlicht formuliert: „Der Schulträger kann entscheiden, dass dem Beschluss der Schulkonferenz Gründe der Schulentwicklungsplanung entgegenstehen.“
Überholspur ist möglich
Zu hoffen ist, dass die Kollegien der wenigen Gymnasien, die zum Beispiel aus Gründen der Profilbildung derzeit erwägen, bei G8 zu bleiben, sehr genau lesen, was nun zur Schulzeitverkürzung im neunjährigen Gymnasium geplant ist. Neu im Gesetzentwurf der Landesregierung ist der Vorschlag, das Schulgesetz in § 52 so zu ändern, dass es die Möglichkeit gibt, in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung die „Versetzung und die Vorversetzung einschließlich der Bildung besonderer Lerngruppen“ zu regeln. In dem Papier der neun Verbände wurde die Ein-richtung einer institutionalisierten Überholspur im neuen G9-Gymnasium gefordert. Hier gilt es jetzt, für eine gute Ausgestaltung einzutreten. Dann ist G8 zur Profilbildung obsolet.
Schlechte Vorgaben gut umgesetzt
Man könnte nun in der Schmollecke stehen bleiben: Das Optionsmodell ist nicht völlig vom Tisch. Auf Jahre hinaus werden zwei Subtypen mit eigenen Richtlinien und Lehrplänen existieren. Immer wieder wird es Aufregung geben, wenn eine Umwandlung oder gar eine (private) Neugründung ansteht. Kann man machen.
Es scheint jedoch klüger zu sein, die Möglichkeiten offensiv zu nutzen, die die Landesregierung bieten will, um G8-Gymnasien zu vermeiden. Sei es durch die Handlungsmöglichkeiten für Schulträger*innen oder durch eine kluge Ausgestaltung der Überholspur. Das Fazit lautet: Der Gesetzentwurf spült den Koalitionsvertrag weich. Mehr war bei den parteipolitischen Vorgaben wohl nicht drin. Nun muss die NRW-Landesregierung nur noch zu ihrem Versprechen stehen, Mustercurricula zu erarbeiten, damit nicht an jeder Schule das Rad neu erfunden werden muss.
Michael Schulte
Geschäftsführer der GEW NRW
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