Studienerfolg: Studieren nach Schema F?

Ein Gutes Studium erkennt man am Studienerfolg. Bleibt nur die Frage: Was ist das eigentlich? Und kann man Erfolg im Studium messen? Das Landes-ASten-Treffen NRW meint: Gute Noten und ein Abschluss in Regelstudienzeit sind nicht die entscheidenden Faktoren. Gutes Studium ist viel mehr!

Spätestens seit diesem Jahr rückt die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen den Erfolg im Studium wieder in den Mittelpunkt der hochschulpolitischen Debatte. Dabei kommt die Frage auf, welche unterschiedlichen Standpunkte in dieser Debatte vertreten werden können.

Hauptsache rechtzeitig fertig?

Auf den ersten Blick scheint die Sache doch klar zu sein:  Laut Definition, nachzulesen zum Beispiel auf der Webseite der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, bemisst sich Erfolg im Studium daran, ob Studierende in Relation zu den Studienanfänger*innen desselben Studiengangs zu einem gewissen Zeitpunkt die vorgesehenen Abschlussprüfungen bestanden haben. So oder ähnlich definieren viele Hochschulen den Erfolg im Studium kurz und knapp. Schnell werden Studienabbrüche zum hauptsächlichen Störfaktor erklärt, den es zu evaluieren und zu verhindern gilt. Denn ein in diesem Sinne erfolgreiches Studium sei vor allem aufgrund von Kosten, sowohl für die Gesellschaft als auch für das Individuum relevant. So befasst sich beispielsweise das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung mit Ausmaß und Ursachen von Studienabbrüchen.
Dass es nicht so einfach ist, zeigen mehrere umfangreiche Studien und Forschungsschwerpunkte, die sich mit Studienerfolg sowie mit Gründen für Studienabbrüche beschäftigen, zum Beispiel vom Zentrum für Hochschulentwicklung oder von der Bildungsinitiative des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft. All diese Studien gehen jedoch von der Grundannahme aus, dass ein längeres und umfangreicheres Studium gesellschaftlich nicht gewollt ist und dass Studienabbrüche jeglicher Art möglichst zu vermeiden sind. Und auch in der politischen Debatte rund ums Thema fällt die gängige Meinung auf, dass Studierende möglichst schnell so ausgebildet werden sollen, dass sie gut für den Arbeitsmarkt verwertbar sind. Hierfür werden Gründe ermittelt und Maßnahmen entwickelt – die Sache mit dem Erfolg im Studium scheint klar.

Studienerfolg ist keine messbare Größe

Für das LAT NRW ist Studienerfolg nicht so einfach zu messen. Nicht wer möglichst schnell sein Studium abgeschlossen hat, hat erfolgreich studiert, sondern wer zu einer Person ausgebildet wurde, die nach wissenschaftlichen Standards Begebenheiten kritisch hinterfragt und bereit ist, neue Wege zu gehen. Die Grundannahme, dass die Dauer eines Studiums ein maßgebliches Kriterium für den Erfolg im Studium sein kann, wird den vielen individuellen Lebensentwürfen nicht gerecht.
Aus diesem Grund ist der Verweis auf Erhebungen über Abbruchzahlen oder Studienabschlüsse meist nicht das zielführende Mittel, um über Erfolg im Studium zu sprechen. Sind die Abbruchquoten in einem Studiengang auffällig hoch, sollte eher auf seine Konzipierung geschaut werden als die Gründe für die Abbrüche bei den Studierenden zu suchen.
Wichtig sind vorrangig gute Studienbedingungen, die die Studierenden für ein erfolgreiches Studium vorfinden sollten. Die Maßnahmenpalette für gute Studienbedingungen ist dabei umfangreich: Von einer guten Betreuung und Beratung über genügend Hilfestellungen in der Studien-eingangsphase oder freiwillige Orientierungstools, von alternativen Prüfungsformen bis hin zu weniger benoteten Modulen im Studienverlauf und didaktisch abwechslungsreichen, wertvoll aufgearbeiteten Kursen – all diese Faktoren können ein erfolgreiches Studium bedingen. Am Ende sind es neben einer guten fachlichen Ausbildung vor allem die Soft Skills, die Aussagen darüber ermöglichen, ob ein Studium erfolgreich war.
Auch studentisches Engagement spielt eine besondere Rolle. Es ist wichtig, dass die Studierenden ihre Mitbestimmungsrechte nutzen und ihre Studiengänge und Prüfungsordnungen maßgeblich mitgestalten – und diese Mitgestaltung muss im gesellschaftlichen Diskurs sichtbar werden. Evaluationen und Workloaderhebungen, denen tatsächlich Bedeutung beigemessen werden, sind zum Beispiel ein Mittel, um Lehrveranstaltungen aktiv zu verbessern. Engagement in den Gremien der Hochschule (wie dem Senat) ist eine Möglichkeit, um die Studienbedingungen mitzugestalten. Und auch wer sich in der studentischen Selbstverwaltung einbringt, kann den Studierendenalltag und die Rahmenbedingungen eines Studiums verbessern. Die Möglichkeiten zur Mitgestaltung sind vielfältig.

Strukturelle Problemlösungen statt Restriktionen!

In der aktuellen politischen Debatte kommen diese Standpunkte praktisch nicht vor. Erfolgreich studiert hat vielmehr, wer möglichst schnell studiert hat. In einem Eckpunktepapier zur Novellierung des Hochschulgesetzes plant die nordrhein-westfälische Landesregierung lediglich die Rückabwicklung des vergangenen Hochschulgesetzes.Dabei geht es vorrangig um Maßnahmen, die Restriktionen verschiedenster Art darstellen, statt ein konstruktives Miteinander zu fördern: Anwesenheitspflichten, verpflichtende Studienverlaufsvereinbarungen oder auch verpflichtende Online-Self-Assessments sollen Instrumente sein, um die Studienabbrecher*innenquote zu senken – für die maßgeblichen Akteur*innen derzeit offenbar das einzige Merkmal für ein erfolgreiches Studium. In einer besonders hierarchisch konzipierten Art wird hierbei vorrangig über das „Wie“ diskutiert – nicht aber über das „Warum“!
Studierende besuchen Vorlesungen, Übungen und Seminare insbesondere motiviert und mit Forscher*innengeist, wenn die Qualität der Lehre hinreichend durch Evaluationen und Verbesserungen revolutioniert wird. Anwesenheitspflichten widersprechen dem. Besonders perfide: Zeitgleich mit dem Wegfall des Verbots der Anwesenheitspflicht werden Einschnitte in der studentischen Mitbestimmung vorgenommen, während öffentlich von einem Diskurs auf Augenhöhe gesprochen wird. Schon die jetzige Regelung im Hochschulgesetz stellt einen Kompromiss von Befürworter*innen und Gegner*innen von Anwesenheitspflichten dar. Strukturelle Probleme in den Studiengängen müssen gelöst und nicht mit Restriktionen beantwortet werden.

Mehr Qualität statt Bürokratiehürden!

Ähnlich verhält es sich mit Studienverlaufsvereinbarungen und Online-Self-Assessments: Diese Maßnahmen gehen am eigentlichen Problem vorbei. Die notwendige Prüfung von Ausnahmeregelungen stellt einen bürokratischen Mehraufwand dar und erhöht zugleich den Druck auf die Studierenden. Die Qualität des Studiums wird gleichzeitig jedoch nicht verbessert. Das LAT NRW meint deshalb: Die geplanten Studienverlaufsvereinbarungen sollten ein freiwilliges Beratungsangebot ohne verpflichtenden Charakter darstellen. Beratungen sollten durch qualifiziertes Personal durchgeführt und mit Hilfe von Studierenden verbessert werden.
Eine Hochschulzugangsberechtigung muss eine ausreichende Voraussetzung dafür sein, jeden Studiengang studieren zu können. Online-Self-Assessments im Vorfeld des Studiums zielen darauf ab, Interessierte vom Studium abzuhalten und können irreführend in Bezug darauf sein, was die Studierenden tatsächlich im Studium erwartet. Notwendig ist stattdessen, dass die Hochschulen zum Beispiel auf ihren Webseiten ein realistisches Bild von Inhalten, Methoden und Spezifika der jeweiligen Studiengänge vermitteln. Zudem sind Vorkurse und Studieneingangsphasen immer das bessere Instrument.
Auskömmliche Mittel, studentische Mitbestimmung in allen Bereichen der Hochschule, gute Studienbedingungen und gute Lehre – so kann der Erfolg im Studium den individuellen Bedürfnissen der Studierenden gerecht werden. Restriktionen haben noch nie genützt. Zumindest verbessern sie nicht die intrinsische Motivation.


Katrin Lögering
Koordinatorin des Landes-ASten-Treffens NRW

Fotos (von oben nach unten): Drobot Dean / Fotolia; axelbueckert / photocase.de; andreafleischer / photocase.de; iStock.com / kegfire

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