Tarifrunde 2019: Welchen Spielraum haben Schulleitungen an Streiktagen?
Engagement in der Schule
Dass angestellte Kolleg*innen an Streiktagen nicht zum Unterricht kommen, ist für Schulleitungen keine große ÜberraschUng: Die Termine sind vorher bekannt. Da der Arbeitskampf den Schulbetrieb trotzdem ganz schön auf den Kopf stellen kann, sollten Schulleiter*innen ihre Rechte und Pflichten genau kennen.
Als Schulleiter*in befindet man sich gleich mehrfach in einem Dilemma: Natürlich kann ein Streik nur spürbar und damit wirksam werden, wenn Unterricht tatsächlich nicht erteilt wird. Eine Wirksamkeit des Streiks ist im Interesse aller Kolleg*innen, da die in den Tarifabschlüssen erzielten Gehaltserhöhungen in der Regel auf die Beamt*innen übertragen werden. Insofern streiken die Angestellten auch stellvertretend für alle Lehrer*innen. Beamtete Lehrkräfte dürfen grundsätzlich nicht als Streikbrecher*innen verpflichtet werden, das heißt, sie können nicht zu Vertretungsunterricht für streikende Kolleg*innen herangezogen werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1993 so entschieden. Gegen eine solche Anordnung von Schulleitungsseite kann also jede*r verbeamtete Kolleg*in umgehend demonstrieren. Das gilt natürlich auch für Schulleiter*innen, wenn sie eine entsprechende Aufforderung von Seiten der Schulaufsicht erhalten.
Rechtliche Vorgaben für Schulleiter*innen an Streiktagen
Die Schulleitung ist per Gesetz verpflichtet, den Unterricht zu sichern. Sie darf Schüler*innen nicht unbeaufsichtigt lassen oder früher nach Hause schicken, da sie der Aufsichtspflicht gerecht werden muss. Zudem müssen Schulleiter*innen der Schulaufsicht auf Nachfrage die Namen der Streikenden melden. Es ist notwendig, auch die Zahl der ausgefallenen Stunden unter Berücksichtigung des Unterrichtszeitmodells zu erfassen, damit die personalführende Stelle die entsprechende Änderungsmitteilung zur Anpassung der Bezüge an das Landesamt für Besoldung und Versorgung senden kann. Außerdem muss die Schulleitung eine kurze Einschätzung der Auswirkungen auf den Schulbetrieb abgeben.
Informieren und für Verständnis werben als Zeichen der Solidarität
Da die Tarifabschlüsse allen Beschäftigten zugutekommen und der Arbeitskampf ein probates und rechtlich zugesichertes Mittel zur Durchsetzung von Interessen ist, sollten die Schulleitung und die verbeamteten Kolleg*innen den Streik und die Streikenden unterstützen. Es ist richtig, sich mit ihnen solidarisieren. Die Schulöffentlichkeit sollte gut informiert sein und um Verständnis geworben werden. Ein Streik kann den Schulbetrieb ganz schön durcheinanderwirbeln – neben dem Unterricht entfallen mitunter Beratungsgespräche mit Eltern, Konferenzen und andere Veranstaltungen. Aber nur dadurch wird er wahrnehmbar und kann wirken.
Um den Streik in der Schule sichtbar zu machen, können die Streikenden sich zum Beispiel morgens erst in der Schule treffen und gemeinsam zum Streikbüro und zur Kundgebung fahren. Infostände in der Schule helfen, über Forderungen und damit über die Missstände zu informieren, die vielen Eltern und Schüler*innen gar nicht bekannt sind. Letztlich ist das auch ein guter Anlass, um mit Schüler*innen über dieses Thema ins Gespräch zu kommen – möglicherweise ist es sogar in den Unterricht integrierbar.
Eins geht allerdings nicht: Verbeamtete Lehrer*innen dürfen nicht mit streiken. Das hat das Bundesverfassungsgericht im Juni 2018 in einem Urteil klargestellt. Beamt*innen dürfen aber an Streikveranstaltungen teilnehmen, die außerhalb der Zeiten ihrer dienstlichen Verpflichtungen liegen, zum Beispiel an der Streikkundgebung, mit der jeder Streiktag endet. Auch ist es zulässig, in Absprache mit der Schulleitung den Unterricht zu verlegen.
Nicht vergessen werden sollte auch, dass Lehrer*innen sich an Streiktagen oft in einer Zwickmühle zwischen Verpflichtung und Engagement gegenüber den Schüler*innen und dem Kampf um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen befinden. Niemand macht sich einen freien Tag – für die Streikenden ist der Streiktag mit zusätzlichen Belastungen und viel Bürokratie verbunden und nicht gewerkschaftlich Organisierte verzichten sogar auf einen Teil ihres Gehalts. Nur wenn alle Beschäftigten mit Nachdruck für die geforderten Verbesserungen einstehen, wird die Tarifrunde in ihrem Sinne erfolgreich sein.
Denise Diehl
Schulleiterin am Hermann-Emanuel-Berufskolleg des Kreises Steinfurt
Foto: iStock.com / Rawpixel
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