Keine Inklusion nach Kassenlage

Bündnis für inklusive Bildung

Die Eckpunkte für die Neuausrichtung schulischer Inklusion sind fertig, aber noch nicht öffentlich. Das Schulminis-terium wartet auf die Ressourcenzusage des Finanzministeriums. In der Zwischenzeit hat sich ein breites Bündnis für inklusive Bildung unter Beteiligung der GEW NRW gegründet und erhöht den Druck.

Seit Beginn dieses Schuljahres kündigt die neue Landesregierung an, das gemeinsame Lernen von Schüler*innen mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf zu verbessern. Bereits im Koalitionsvertrag fand sich die viel versprechende Aussage: „Christdemokraten und Freie Demokraten wollen die Inklusion an den Schulen bestmöglich und zum Wohle der Kinder und Jugendlichen gestalten. Dabei muss die Qualität der individuellen Förderung aller Kinder und Jugendlichen im Zentrum der Anstrengungen stehen.“ Zur Sicherung der Qualität des Unterrichts unter den Bedingungen schulischer Inklusion werde die Landesregierung verbindliche Qualitätsstandards setzen.

Schulministerium wartet auf Zusagen aus dem Finanzministerium

Inzwischen hat das NRW-Schulministerium Eckpunkte für diese Neuausrichtung formuliert, wartet aber bezüglich der Ressourcenzusagen auf das Okay des Finanzministers Lutz Lienenkämper. Mittlerweile ist auch klar, dass die konzeptionelle Neuausrichtung und die Konzentration des gemeinsamen Lernens auf bestimmte Schulen und Schulformen hinauslaufen wird. An Gymnasien soll zieldifferenter Unterricht nur stattfinden, wenn er von den Schulen gewünscht wird. Förderschulgruppen an allgemeinbildenden Schulen und eine Konzentration von Schüler*innen in Schwerpunktschulen wurden bereits im Koalitionsvertrag angekündigt. Die Schulen des Gemeinsamen Lernens warten vergeblich auf eine Verbesserung ihrer Situation.
Während das Schulministerium weiter auf das Votum des Finanzministers wartet und das neue Schuljahr ohne klare Beschränkung der Klassengrößen und einen geregelten Anspruch auf zusätzliche Ressourcen plant, handelt die Schulaufsicht bereits im Sinne der noch nicht beschlossenen Eckpunkte. Einige Gesamtschulen, die sich seit Längerem dem Unterricht für Schüler*innen mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf verbunden fühlen, sehen sich erheblich benachteiligt und lehnen es ab, die Rolle einer Schwerpunktschule für Inklusion zu übernehmen. Diese Entwicklung lässt sich nur durch andere Grundsatzentscheidungen der Landesregierung stoppen.

Breites Bündnis für inklusive Bildung

Um den Druck auf die Landesregierung zu erhöhen, haben 36 Organisationen ein breites Bündnis für inklusive Bildung in NRW gegründet, an dem sich die GEW NRW sowie Elternverbände, die Landesschüler*innenvertretung und Sozialverbände beteiligen. Aus einer gemeinsamen Erklärung, die bei der Landespressekonferenz am 18. Juni 2018 vorgestellt wurde, geht hervor, dass sich die Bündnispartner*innen große Sorgen um die Zukunft aller Kinder und Jugendlichen machen. Inklusion nach Kassenlage ist das Gegenteil einer Umsetzung der staatlichen Verpflichtung aus Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention. Unbestritten ist, dass in den vergangenen Jahren zum Teil erhebliche Schwierigkeiten aufgetreten sind, auf die die GEW NRW immer hingewiesen und deutliche Verbesserungen eingefordert hat. Eine Konzentration auf wenige Schulen, möglicherweise sogar Förderschulgruppen an allgemeinbildenden Schulen, stellt eine Untergrabung des Elternrechts auf inklusive Bildung dar.
Es fehlen Maßnahmen, die eine spürbare Verbesserung der Grundausstattung der allgemeinbildenden Schulen mit Lehrkräften bewirken. Individuelle Förderung benötigt eine deutlich verbesserte Relation Schüler*in je Stelle. Ebenso fehlt eine gute Fort- und Weiterbildung für Lehrkräfte, Sonderpädagog*innen und alle weiteren an der Gestaltung inklusiver Prozesse in Schulen beteiligten Fachkräfte. Je besser die Bedingungen für das Gemeinsame Lernen sind, umso weniger werden eigene Schulen für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf gebraucht. Das Vorstandsmitglied der Landesschüler*innenvertretung Nikita Grünwald formulierte es bei der Landespressekonferenz so: „In der Schule lernen Kinder und Jugendliche solidarisch und menschlich miteinander umzugehen; die Begabungen und Schwächen voneinander zu schätzen und als Gemeinschaft zu agieren.“ Wer schon in der Schule aussondere, lehre nicht Demokratie, sondern Eigennutz; der fördere Rücksichtslosigkeit; der schaffe nicht die Voraussetzungen für eine friedliche und solidarische Gesellschaft in der Zukunft.


Dorothea Schäfer
Vorsitzende der GEW NRW

Foto: iStock.com / agrobacter

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