1. Mai 2019: Europa. Jetzt aber richtig!

Kommentar zum Tag der Arbeit

Der DGB stellt den 1. Mai 2019 unter das Motto „Europa. Jetzt aber richtig!“ Unser Ziel ist es, möglichst viele Arbeitnehmer*innen davon zu überzeugen, zur Wahl zu gehen und den europäischen Kurs der nächsten Jahre itzubestimmen.

In der Vergangenheit nutzten diese Chance leider nur wenige Wahlberechtigte, mehr als die Hälfte von ihnen blieb zu Hause. Das hat sicher auch damit zu tun, dass wir uns – ermöglicht durch Europa – an den Frieden, die Freiheit und den Wohlstand gewöhnt haben. Der europäische Zusammenhalt schien lange Zeit selbstverständlich zu sein, egal wie das Europäische Parlament zusammengesetzt ist.

Europäische Herausforderungen solidarisch meistern

Diese Gewissheit gibt es bei dieser Wahl leider nicht mehr. Europa steht vor riesigen Herausforderungen. Digitalisierung, Klimawandel, Migration und große wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten verlangen nach Antworten. Viele Menschen glauben, dass diese in mehr Nationalstaat und weniger Europa liegen. Die Brit*innen haben gleich ganz Nägel mit Köpfen gemacht und sich für den Austritt entschieden. Osteuropäische Regierungen, allen voran Ungarn, haben die EU zum Feindbild erklärt und werben mit europafeindlichen Kampagnen. Auch in Deutschland sind rechtspopulistische Kräfte erstarkt, die gegen Europa mobilisieren.
Für die Gewerkschaften ist klar: Das ist der falsche Weg. Internationale Probleme lassen sich nicht national lösen. Wir brauchen mehr Solidarität und nicht weniger. Und ein friedliches Zusammenleben in Europa ist eben nicht selbstverständlich, es muss jeden Tag gestärkt und verteidigt werden. Wir müssen nur 75 Jahre in unserer Geschichte zurückblicken, um zu sehen, wohin es führt, wenn ein Land nur an sich selber denkt: zu 50 Millionen Toten und einem Kontinent in Schutt in Asche.
Es gibt noch weitere wichtige Argumente dafür, die Europäische Union nicht aufs Spiel zu setzen. Durch die gemeinsame Währung, die Personen- und Arbeitnehmer*innenfreizügigkeit und zahlreiche Gesetze und Richtlinien prägt die EU die Arbeits- und Lebenswelt einer*s jeden Einzelnen von uns. Und sie ist entscheidend für unseren Wohlstand, gerade in Nordrhein-Westfalen. 2017 exportierten Unternehmen aus NRW Waren im Wert von 126 Milliarden Euro in die EU-Staaten, das sind 66 Prozent der Exporte insgesamt. NRW ist damit ein starker Wirtschaftsfaktor in Europa. Entsprechend hart trifft manche Unternehmen der Brexit, viele Kolleg*innen machen sich Sorgen, welche Aus-wirkungen das auf ihren Arbeitsplatz hat.

Wichtige Reformen mit allen EU-Staaten umsetzen

Natürlich ist Europa nicht perfekt. Der neoliberale Geist hat viel zu lange die Politik in Brüssel bestimmt. Wirtschaftliche Ziele stehen bisher deutlich im Vordergrund, Arbeitnehmer*innenrechte und Soziales spielen eine viel zu geringe Rolle. Auch das ist ein Grund, warum sich manche Menschen enttäuscht von Europa abwenden. Um Europa zusammenzuhalten, müssen wir es daher weiterentwickeln und gute Arbeit, faire Löhne und ein hohes soziales Schutzniveau in den Mittelpunkt stellen. Wir brauchen eine europaweite Stärkung der Tarifbindung, bessere Mitbestimmung, armutsfeste Mindestlöhne in allen EU-Staaten und EU-Standards für die Arbeitslosenversicherung. Anstelle von Spardiktaten brauchen wir eine Investitionsoffensive, um Wachstum, Arbeitsplätze, Bildung und Wohlstand zu sichern und die Klimaziele zu erreichen.
Diese wichtigen Reformen bekommen wir nur gemeinsam hin, mit allen EU-Staaten zusammen. Europa ist die Lösung, nicht das Problem. Deshalb: Europa. Jetzt aber richtig!


Anja Weber
Vorsitzende des DGB NRW

Foto: iStock.com / Orbon Alija

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