Spezialisiert und vernetzt
Ausbildung und Studium für Schulsozialarbeit im Wandel
Wie können die Ausbildung und das Studium für zukünftige Schulsozialarbeiter*innen attraktiver und zielführender gestaltet werden? Auch in Nordrhein-Westfalen beschäftigen sich Hochschulen seit einiger Zeit mit entsprechenden Modellen und Angeboten – zum Beispiel die Fachhochschule Dortmund.
Vor einigen Semestern erreichte mich über die Dortmunder Koordinatorin für Schulsozialarbeit, Heike Niemeyer, folgende ungewöhnliche Anfrage: „Nicole, ich habe aufgrund der Investitionen im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes derzeit 80 freie Stellen in der Schulsozialarbeit zu besetzen. Kannst du mir gute Absolvent*innen empfehlen?“ Eine derartige Anfrage gab es noch nie und wird es sicher in Zukunft während meiner Zeit als Hochschullehrerin auch nicht noch einmal geben. Diese Frage hat allerdings eine Welle von weiteren Gedanken ausgelöst, die sich um die Ausbildungsqualität der zukünftigen Schulsozialarbeiter*innen drehen.
Hochprofessionell, aber unterbezahlt und unterschätzt
Spätestens mit dem Bundeskongress Schulsozialarbeit, der am 4. und 5. Dezember 2015 an der Fachhochschule Dortmund stattfand, und der dort proklamierten Forderung nach 60.000 zusätzlichen Stellen ist deutlich geworden, dass die Schulsozialarbeit ein boomendes Arbeitsfeld mit hohen Ansprüchen, Anforderungen und Herausforderungen geworden ist.
Die immer noch zu einem großen Teil unterbezahlte und dennoch hochprofessionell agierende und daher dringend benötigte und bisher häufig nur als „Feuerwehr im Schulkontext“ wahrgenommene Profession ist zu einer ernst zu nehmenden Kooperationspartnerin geworden. Sie hat es sich als Anwältin für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zur Aufgabe gemacht, als intensivste Form der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule zu agieren.
Hiermit sei noch einmal deutlich hervorgehoben: Schulsozialarbeiter*innen sind nicht dazu da, Lehrkräften zu assistieren, Unterrichtsausfälle zu kompensieren oder in den an Schulen immer beliebter werdenden Trainingsräumen auf „Kundschaft“ zu warten – also auf Schüler*innen, die im Unterricht stören oder aus anderen Gründen eine Auszeit brauchen, bei der die Schulsozialarbeit sie begleiten soll. Auch sind sie keine Pausenaufsichten oder Spielzeugverleihdienste, sondern ernst zu nehmende Partner*innen in einem Netzwerk von allen an Schule beteiligten Personen.
An vielen Hochschulen nicht etabliert
Schulsozialarbeiter*innen sollten kontinuierlich und am besten in gemischtgeschlechtlichen Teams an einer Schule tätig sein und mit Lehrkräften gemeinsam am ganzheitlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag arbeiten. Als Beziehungsarbeiter*innen bedürfen sie einer kontinuierlichen Präsenz in der Schule. Darüber hinaus leistet die Schulsozialarbeit wichtige Netzwerkarbeit mit außerschulischen Kooperationspartnern im Sozialraum. In diesem Kontext kommt der Schulsozialarbeit auch als Baustein von Schulentwicklung eine bedeutende Rolle zu.
Um diese Aufgabe leisten zu können, reicht ein grundständiger Bachelorabschluss Soziale Arbeit, wie er bisher die Basisausbildung der Absolvent*innen abbildet, nicht aus. Das Bachelorstudium Soziale Arbeit bereitet grundsätzlich erst einmal auf alle Handlungsfelder der sozialen Arbeit vor. Ob die Schulsozialarbeit nun explizit dabei ist, hängt in ganz Deutschland von der Stellensituation an Hochschulen und dem Engagement einzelner KollegInnen ab, die dieses Arbeitsfeld beforschen und dort lehren. Es ist also durchaus möglich, dass Student*innen der Sozialen Arbeit der Schulsozialarbeit während ihres Studiums gar nicht begegnen.
Vertiefendes Lernen ermöglichen
Moderne Schulsozialarbeit braucht vor allem Absolvent*innen, die sich sehr gut vernetzen, analytisch denken und flexibel agieren können. Sie sollen beraten und intervenieren können und vor allem eine Schnittstellen- und Vermittlungsfunktion übernehmen.
Bei guten Rahmenbedingungen, wie unbefristeten Vollzeitstellen, räumlicher, technischer und finanzieller Ausstattung, einer Betreuungsrelation von 1:150 und einer kooperierenden Schulleitung sowie einem Kollegium, das unterstützend wirkt und Hilfe annehmen sowie geben kann, können und sollen Schulsozialarbeiter*innen auch präventiv und unterstützend arbeiten und Einzelfallhilfen, sozialpädagogische Gruppenarbeiten und sozialraumorientierte Projekte anbieten.
Um das zu lernen, reicht ein grundständiges Studium nicht aus. Derzeit entwickeln die jeweiligen Fachbereiche daher sogenannte profilbildende Bachelor- und/oder Masterstudiengänge.
Hierbei wird, wie beispielsweise an der Fachhochschule Dortmund seit einigen Semestern, interessierten Studierenden die Möglichkeit geboten, sich während des Studiums bereits mit für die Schulsozialarbeit relevanten Themen-bereichen vertiefend auseinanderzusetzen.
Für das von der Fachhochschule Dortmund und der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozial-arbeit NRW ausgestellte Zertifikat über den erfolgreichen Abschluss des Profils werden die regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme bescheinigt und die Noten der absolvierten Prüfungen aufgeführt sowie die weiteren besuchten außerhochschulischen Veranstaltungen aufgelistet. Zu den Veranstaltungen gehören:
- Einführung in das Handlungsfeld Schulsozialarbeit
- Empirisches Forschungsprojekt zu einer Forschungsfrage aus dem Handlungsfeld Schulsozialarbeit
- Handlungs-, Sozial- und Selbstkompetenzen in der Schulsozialarbeit
- Grundlagen zur Gerechtigkeit im Bildungswesen
- Einführung in Themen des Kindeswohls und dessen Gefährdung
- Praxissemester (100 Tage Vollzeit) in einer Schule
- Sozialpädagogische Projekte planen, durchführen, evaluieren
- Beratungskompetenzen
- Konzeptentwicklung
- Netzwerkarbeit
- Bachelorarbeit zu einem Thema der Schulsozialarbeit
- Zusätzlich zu diesen Veranstaltungen aus dem Bachelorstudiengang Soziale Arbeit werden erwartet:
- die Teilnahme an mindestens einer Tagung zum Themenfeld Schulsozialarbeit
- die Teilnahme an mindestens einer externen Veranstaltung der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit NRW (LAG Schulsozialarbeit)
- die Teilnahme an einer gemeinsamen Veranstaltung mit Studierenden des Lehramtes der Technischen Universität Dortmund
Weitere spezialisierte und vernetzte Studiengänge finden sich derzeit an den Lehrstühlen von Prof. Dr. Anke Spies der Universität Oldenburg und von Prof. Dr. Elisabeth Schlemmer an der PU Weingarten, wo jeweils Lehramtsstudierende und Studierende der Sozialen Arbeit in Phasen des Studiums gemeinsam lernen.
Gesellschaftliche Entwicklungen im Blick
Die meisten Bachelorstudiengänge haben sich sicherlich auch auf die im Arbeitsfeld immer deutlicher werdende Heterogenität von Lerngruppen und die damit verbundenen Herausforderungen eingestellt und zeigen in ihren theoretischen und empirischen Ausrichtungen und der klaren Orientierung an der Praxis, dass sie die gesellschaftlichen Entwicklungen im Blick haben. Sie sorgen zudem dafür, dass beispielsweise eine fundierte rechtliche Ausbildung und psychologische Orientierung als auch soziologische sowie politische Diskurse stattfinden können.
An für das Arbeitsfeld an der Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Schule hoch motivierten Student*innen mangelt es sicher nicht, eine Hürde zur Nachwuchsgewinnung könnten höchstens die immer noch nicht ausreichenden Rahmenbedingungen und die Zufälligkeit einer gezielten Ausbildung für diesen Beruf sein.
Prof. Dr. Nicole Kastirke
Professorin für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Schulsozialarbeit an der Fachhochschule Dortmund
Fotos: eritropel, .marqs / photocase
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