Wieso? Weshalb? Warum?

Fragen und Antworten zur Tarifrunde 2017

Die nächste Tarifrunde für den öffentlichen Dienst hat begonnen. Die GEW und die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes vertreten dabei die Interessen von rund 350.000 Beschäftigten. In vielen Köpfen wird es Fragen geben – auf die wichtigsten geben unsere Expert*innen Antwort.

  1. Warum hat die GEW die Entgeltordnung für die Lehrkräfte in der Tarifrunde 2015 nicht unterschrieben?

    In den Monaten vor der Tarifrunde 2015 gab es mehrere Verhandlungstermine zwischen den Gewerkschaften und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), um erstmals einen Eingruppierungstarifvertrag für Lehrkräfte zu vereinbaren. Im Tarifvertrag (TV EntgO-L), den die TdL am Ende zur Unterschrift vorlegte, waren zentrale Forderungen der GEW nicht enthalten: Abgesehen von unannehmbaren Verschlechterungen in der Eingruppierung wurde im Vertragsentwurf auch die parallele Zuordnung zwischen der Besoldungsgruppe und der Entgeltgruppe (zum Beispiel A 12 = EG 12) nicht umgesetzt. Lediglich eine sogenannte – und viel zu niedrige – „Angleichungszulage“ für vollständig ausgebildete Lehrkräfte bis zur Entgeltgruppe E 11 in Höhe von 30,- Euro brutto ab dem 1. August 2016 wurde angeboten. Zudem fehlte ein festgelegter  Zeitraum, in dem die nächsthöhere Entgeltgruppe erreicht werden kann.
    Der dbb beamtenbund und tarifunion mit seinen Mitgliedsverbänden VBE, PhV, vlw oder vlbs hat diese Entgeltordnung – im Gegensatz zur GEW – trotzdem unterschrieben.

    Dorothea Schäfer

    Vorsitzende der GEW NRW

  2. Ich gehe schon seit vielen Jahren zu Streiks und Aktionen der GEW. Warum haben wir immer noch keinen gerechten Tarifvertrag erreicht?

    In den seltensten Fällen ist der Kampf um einen Tarifvertrag oder um tarifliche Regelungen schnell und einfach abgehandelt. Im Gegenteil: Der Widerstand der Arbeitgeber ist meistens so stark, dass die Gewerkschaften lange dagegen arbeiten müssen, bevor sich zumindest Kompromisse ergeben.
    Die GEW führt seit mehr als zehn Jahren einen harten Kampf mit den Arbeitgebern, um tarifliche Regelungen zur Eingruppierung von tarifbeschäftigten / angestellten Lehrer*innen zu schaffen. Bislang hat es diese nicht gegeben und Arbeitgeber konnten die Eingruppierungen beliebig vollziehen, ohne dass eine Mitsprache der Gewerkschaften erforderlich war. Das Argument „Gerechtigkeit in der Bezahlung schaffen!“ zieht bei ihnen nicht.
    Die GEW hat den TV EntgO-L, der am 28. März 2015 zwischen dem dbb und der TdL abgeschlossen wurde, nicht unterschrieben (siehe hierzu auch Frage 1). Allerdings führte die GEW die Verhandlungen bis zum Ende, das heißt, ohne unseren Druck und unser Durchhaltevermögen wäre es nie zu Verhandlungen mit der TdL gekommen. Die vergangenen Tarifrunden, in denen die GEW verstärkt mit Aktionen und Warnstreiks aufgetreten ist, haben die Arbeitgeber zu der Einsicht gezwungen, dass es an der Zeit ist, einen Tarifvertrag zu schaffen. Somit haben die GEW-Aktivitäten ihre Wirkung gezeigt, auch wenn wir mit dem Ergebnis (noch) nicht zufrieden sind.

    Joyce Abebrese
    Referentin für Tarifrecht der GEW NRW

  3. Warum ist die Teilnahme an Streiks und Aktionen wichtig und wie kann ich meine Kolleg*innen überzeugen, auch zum Streik zu gehen?

    Die Formel ist relativ einfach: Je mehr Kolleg*innen im Warnstreik sind, desto mehr fällt die Dringlichkeit und Wichtigkeit der Forderungen im Betrieb oder in der Schule auf –
    und wird damit auch auf der Straße und in der Öffentlichkeit spürbar. Der Streik wird als Mittel nur gewählt, wenn die Verhandlungen stocken. Und das ist immer dann der Fall, wenn die  Arbeitgeber nicht auf die gewerkschaftlichen Forderungen eingehen und zu keinen substanziellen Kompromissen bereit sind.
    Mit Warnstreiks wollen die Gewerkschaften also gegenüber den Arbeitgebern deutlich machen, dass die Beschäftigten bereit sind, für ihre gerechten Forderungen auch die Arbeit niederzulegen. Gewerkschaften sind nur so stark, wie ihre Mitglieder es sind. Es reicht nicht, seinen Frust gelegentlich in Gewerkschaftsveranstaltungen loszulassen. Stattdessen müssen wir dem eigentlichen Widerstand – dem der Arbeitgeber – trotzen und uns bewegen, denn sonst bewegt sich auf dem Weg zu einer verbesserten Bezahlung eben auch nichts! Dementsprechend können wir nur immer wieder deutlich machen: Beteiligt euch, zeigt euch auf der Straße, mobilisiert eure Kolleg*innen und gebt den Forderungen ein Gesicht, damit wir in den Verhandlungen ein Druckmittel haben, um die Arbeitgeber zu guten Kompromissen zu bewegen!

    Joyce Abebrese

  4. Wenn ich streiken gehe, dürfen meine Kolleg*innen, die nicht streiken gehen (können), als Vertretung für mich eingesetzt werden?

    Nein! Beamt*innen dürfen nicht auf bestreik-ten Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht 1993 entschieden. Die GEW fordert ihre beamteten Mitglieder deshalb auf, gegenüber den Schulleitungen /Dienstvorgesetzten (Direktionsrecht) deutlich zu machen, dass sie nicht als Streikbrecher*in eingesetzt werden wollen. Einige Schulen organisieren dies zum Beispiel so, dass Unterschriften dagegen gesammelt und den Schulleitungen übermittelt werden. Ein klares Signal: Wir machen da nicht mit!

    Ute Lorenz
    Referentin für Beamt*innenrecht und Mitbestimmung der GEW NRW

  5. Ich bin Beamt*in – was habe ich mit der Tarifrunde zu tun? Sie betrifft doch nur die Angestellten?

    Das stimmt nicht. Auch Beamt*innen profitieren von jeder Tarifrunde, da der Gesetzgeber und gleichzeitig Dienstherr nach dem Abschluss des neuen Tarifvertrags eine neue Besoldungstabelle beschließt. Dafür treten die Gewerkschaften, auch die GEW, ein und fordern die Landesgesetzgeber bei der Tarifrunde auch immer dazu auf, das Ergebnis inhaltsgleich auf die Beamt*innen zu übertragen. Dieser Grundsatz heißt: Besoldung folgt Tarif. Im Übrigen profitieren davon ebenfalls die Versorgungsempfänger*innen: Zeitgleich mit der Besoldung werden die Versorgungsbezüge angepasst.

    Ute Lorenz

  6. Wenn die erstreikten Prozente auf die Beamt*innen übertragen werden, vergrößert sich die Schere zwischen Beamt*innen und Angestellten weiter. Ist das nicht ungerecht?

    Wer sich bei Arbeitskampfaktionen engagiert, sollte zuerst an sich selbst denken. Wenn ich als Lehrkraft in der EG 13 eine prozentuale Erhöhung von drei Prozent erkämpfe, dann sind das circa 1.000 Euro mehr Nettoverdienst im Jahr für mich. Dieses Geld kann ich gut gebrauchen, dafür lohnt es sich zu streiken. Wenn keiner auf die Straße geht, droht eine Nullrunde, die niemanden weiterbringt. Darüber hinaus fließt nach einer erfolgreichen Tarifrunde mehr Geld in die sozialen Sicherungssysteme. Und jedes Prozent mehr an Gehalt erhöht meine spätere Rente.
    Mit dem Blick auf die Nettosumme öffnet sich die Bezahlschere zwischen mir und meinen verbeamteten Kolleg*innen weiter. Vergessen werden sollte aber nicht, dass bei ihnen das Tarifergebnis mit dreimonatiger Verzögerung übertragen wird.
    Eine der Forderungen in dieser Tarifrunde ist die Einführung der Erfahrungsstufe 6 ab der EG 9, in die die meisten Lehrkräfte eingruppiert sind. Außerdem wird gefordert, dass bei der Übernahme einer Beförderungsstelle die bereits erreichte Erfahrungsstufe mitgenommen werden kann. Diese beiden Forderungen kommen ausnahmslos den tarifbeschäftigten Lehrkräften zugute und haben mit der Beamtenbesoldung nichts zu tun. Das Argument „Ich streike doch nicht für die Beamt*innen“ zieht also nicht!

    Jochen Bauer
    Mitglied im Ausschuss für Tarifpolitik und in der Bundestarifkommission-Länder

  7. Wer stellt die Forderungen für die Tarifrunde auf und wie gestaltet sich der Forderungsprozess innerhalb der GEW?

    Tarifverträge werden immer mit einer bestimmten Laufzeit abgeschlossen. Für die Entgelttabellen endete diese am 31. Dezember 2016. Die Tabellen können dann von den Gewerkschaften gekündigt und 2017 mit der TdL neu verhandelt werden.
    Eine wirtschaftliche Orientierung zur Forderungsdiskussion wurde am 10. November 2016 von Andreas Gehrke, Leiter des Vorstandsbereichs Tarif- und Beamtenpolitik, in die Diskussion mit der Bundestarifkommission (BTK) gegeben. Diese besteht in der GEW aus 62 ehrenamtlichen und 28 beratenden Mitgliedern (hauptamtliche Tarifreferent*innen und Mitglieder des geschäftsführenden Vorstandes). Nachdem die Forderungsdiskussion offiziell eröffnet war, begannen in den einzelnen GEW-Landesverbänden die Diskussionen mit den Mitgliedern.
    In NRW startete dieser Prozess mit der landesweiten Tarifkonferenz, die unter dem Motto „Gemeinsam mehr erreichen – Vorbereitungen zur Länder-Tarifrunde 2017“ am 21. November 2016 in Düsseldorf stattfand. Vor dem Hintergrund, dass der TV-L mehr als vier Prozent hinter den Gehältern im TVöD und auch hinter den Gehältern der Privatwirtschaft zurückliegt sowie dass die Steuereinnahmen und die Inflationsraten steigen, entbrannte eine Debatte um die prozentualen Forderungen für die kommende Tarifrunde.
    Neben der landesweiten Auftaktveranstaltung fanden auch vor Ort Diskussionen statt. Die Ergebnisse wurden in die zuständigen Landesgremien gegeben: In NRW sind dies der Ausschuss für Tarifpolitik sowie die Landestarifkommission (LTK). Die LTK fasste in ihrer Sitzung am 10. Dezember 2016 einen Forderungsbeschluss, der von acht NRW-Mitgliedern der BTK auf der BTK-Sitzung am 13. Dezember 2016 in Göttingen vertreten wurde. Die eingegangenen Forderungen aus den Landesverbänden wurden dort beraten und ein gemeinsamer Forderungskatalog erstellt, der als Beschlussvorschlag von der BTK an den Koordinierungsvorstand gegeben wurde. Dieser entschied letztendlich über die Forderungen für die Länder-Tarifrunde. Der GEW-Forderungskatalog wurde am 14. Dezember 2016 in die ver.di-Bundestarifkommission eingebracht, um die gemeinsamen Forderungen der Gewerkschaften aufzustellen.

    Joyce Abebrese

  8. Je höher die Forderungen, desto besser das Ergebnis – stimmt diese Aussage?

    Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf frühere Tarifauseinandersetzungen. Darin hat sich gezeigt, dass zu hohe und unrealistische Forderungen eher dazu führen, dass sie nicht umgesetzt werden. Und: Sie können sogar Frustrationen oder Wut gegenüber den Verhandlungsführer*innen erzeugen – sowohl auf der Arbeitgeber- als auch auf der Gewerkschaftsseite. Die Schlussfolgerung „hohe Forderung gleich besseres Ergebnis“ kann also nicht bestätigt werden. Realistische Forderungen sind deshalb das Gebot der Stunde.
    Noch entscheidender für ein gutes Ergebnis der Tarifverhandlungen ist die Frage nach der Mobilisierung. Hierbei gilt die folgende logische Kette: realistische Forderungen + hohe Mobilisierung  / gutes Ergebnis. Oder anders gesagt, je mehr Kolleg*innen auf der Straße sind, umso besser ist das Verhandlungsergebnis. Denn wer etwas will, muss dafür kämpfen!

    Sebastian Krebs
    Stellvertretender Vorsitzender der GEW NRW

  9. Die GEW kämpft nicht nur für eine bessere Bezahlung von Lehrer*innen. Welche Beschäftigtengruppen sind von der Tarifrunde 2017 noch betroffen?

    Die Ergebnisse der Tarifrunde 2017 sind für alle Beschäftigten wichtig, die nach dem TV-L entlohnt werden. So profitieren beispielsweise sämtliche Beschäftigte in den wissenschaftlichen Bereichen an den Hochschulen / Fachhochschulen von Erfolgen in der Tarifrunde.
    Nach den Entgelttabellen des TV-L werden sowohl die Sozialpädagog*innen in der Schuleingangsphase als auch die Schulsozialarbeiter*innen, die beim Land beschäftigt sind, bezahlt. Die GEW fordert, 2017 in der Länder-Tarifrunde einen ersten Schritt zu gehen und die beträchtlichen Gehaltsunterschiede zur S-Tabelle für den Sozial- und Erziehungsdienst im TVöD – das sind bis zu 450,- Euro – auszugleichen. Das werden die Gewerkschaften allerdings nur dann durchsetzen können, wenn die Landesbediensteten im Sozial- und Erziehungsdienst sich auch dafür starkmachen.

    Maike Finnern
    Stellvertretende Vorsitzende der GEW NRW

    Fotos: emoji, markusspiske / photocase.de
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Kommentare (1)

  • Angela Assies-Tromm Was Herr Bauer sagt, ist die reinste Mogelpackung. Wir Angestellte verdienen über 500 € weniger, ganz zu schweigen von den viel zu hohen Pensionen. Die Begründung, die er gibt , ist Betrug. Die Schere wird immer größer, die Beamten immer reicher. Für faire Löhne für angestellte Lehrkräfte zu kämpfen , sieht keiner ein. Auch die GEW ist im Grunde eine Partei für Beamte. Wenn ist Streik höre, geht es mir nur noch schlecht.
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