Gewalt gegen Lehrkräfte: Jeder Fall ist einer zu viel

Gewalt gegen Lehrkräfte und Beschäftigte in den Schulen

Die Zahlen zu Gewalt an nordrhein-westfälischen Schulen, die das Landeskriminalamt (LKA) im April 2018 veröffentlicht hat, senden ein deutliches Signal: Schulen brauchen mehr Hilfe gegen Gewalt. Sie klammern allerdings ein wichtiges Thema aus: Auch Lehrer*innen werden Opfer von Gewalt an Schulen.

„Gewalt an Schulen in NRW nimmt deutlich zu“ – die Meldung ging Mitte April 2018 durch die Medien. Nach einer Auswertung des LKA auf Anfrage der Deutsche Presse-Agentur ist die Anzahl der Straftaten an nordrhein-westfälischen Schulen in 2017 im Vergleich zum Vorjahr um fast fünf Prozent gestiegen. Auch wenn sich die Entwicklung in einer längeren Zeitreihe durchaus anders darstellt, ist die Botschaft klar: Schulen brauchen mehr Hilfe gegen Gewalt – und zwar auch dann, wenn es um Gewalt gegen Lehrkräfte geht. Diese Fälle sind in den Zahlen des LKA gar nicht erfasst.
Für die GEW NRW ist die Beschäftigung mit Gewalt gegen Lehrer*innen und andere Beschäftigte an Schulen seit Jahren traurige Realität. Betroffene Kolleg*innen wenden sich an den gewerkschaftlichen Rechtsschutz, Personalräte der GEW NRW werden qualifiziert und unterstützt, um ratsuchenden Kolleg*innen passgenau helfen zu können. Die betroffenen Kolleg*innen suchen Rat angesichts einer Fülle verschiedener Gewaltsituationen. Sie reichen von verbalen Beleidigungen und Beschimpfungen bis hin zu absichtlicher, körperlicher Gewalt. Verursacher*innen sind dabei nicht nur Schüler*innen, sondern auch Eltern oder andere Personen.

Das Tabu überwinden!

Gewalt gegen Lehrkräfte darf nicht länger ein Tabuthema sein, fordert die GEW NRW. Lehrer*innen, die im Unterricht oder bei der Pausenaufsicht bedroht oder körperlich angegriffen werden, brauchen die sofortige Unterstützung ihrer Schulleitung. Die Schulleitung wiederum braucht die der Schulaufsicht. In Lehrer- und Schulkonferenzen muss das Thema auf die Tagesordnung. Zu oft fühlen sich Betroffene allein gelassen und haben das Gefühl, persönlich versagt zu haben.
Es muss noch viel getan werden, damit auch die Bezirksregierungen und die schulpsychologischen Beratungsstellen ihrer Verantwortung gerecht werden können, Lehrkräfte für den Umgang mit Gewalt zu sensibilisieren und sie zu stärken. Die Bezirksregierung Münster hat all ihre Schulen mit der praxisorientierten Handreichung „Gewalt gegen Lehrkräfte“ ausgestattet – die Schulen in den übrigen vier Regierungsbezirken gingen jedoch leer aus. Die Bezirksregierung Detmold bewirbt online eine Fachtagung zu Präventions- und Interventionsstrategien – sie fand im November 2007 statt. Beispiele wie diese lassen vermuten, dass die Wahrnehmung und Bearbeitung von Gewalt gegen Lehrkräfte leider ein Schattendasein führen. Die guten und wichtigen Angebote, die es zumindest vereinzelt gibt, werden bislang kaum publik gemacht und wirken wie zufällige Einzelaktionen.

Investitionen sind erforderlich

Damit Fachkräfte an allen Schulen für eine kontinuierliche Gewaltprävention sorgen können, muss es mehr Angebote geben. Mit der aktuellen personellen Ausstattung wird das nicht gehen: Die OECD empfiehlt ein Betreuungsverhältnis von einer Schulpsychologin für 1.000 Schüler*innen. Obwohl die Zahl der Schulpsycholog*innen in NRW kürzlich minimal erhöht wurde, sind wir davon weit entfernt. Dasselbe gilt für die Schulsozialarbeiter*innen. Ihre Stellenzahl müsste deutlich erhöht werden, um einen Schlüssel von 1:150 zu erreichen.
Die Bewältigung von Krisen ist schulische Gemeinschaftsaufgabe und Krisenteams an allen Schulen sind sinnvoll. Ein guter orange-farbener Nofallordner allein reicht nicht aus. Die Einrichtung und Qualifizierung von Krisenteams fällt nicht vom Himmel.

Skandalisierung hilft nicht

Die Medien indes tragen allenfalls zu einer Skandalisierung des Themas bei. Im ARD-Fernsehen gab es jüngst eine Publikumsdebatte unter der Überschrift „Kampfzone Klassenzimmer“, in der durchaus vernünftige, aber auch abwegige Erklärungsmuster unkommentiert nebeneinander stehen blieben. Das schürt Ängste, statt die Situation zu verbessern. Das neue Polizeiaufgabengesetz in Bayern wird nicht zu mehr Sicherheit führen. Ebenso wenig hilft eine populistische Vermarktung den Kolleg*innen, die am Arbeitsplatz Schule Gewalt erfahren müssen.


Dorothea Schäfer

Vorsitzende der GEW NRW

Foto: AndreasF. / photocase.de

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