Betriebsräte im Bergbau: Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen

Starke Betriebsräte – vom Bergbau lernen

Wenn es um Mitbestimmung geht, macht den Kumpels so leicht keiner etwas vor: Die IG BCE ist die Gewerkschaft mit dem höchsten Organisationsgrad und der stärksten Verankerung unter den Betriebsräten. Sandro Atzori ist Betriebsratsvorsitzender auf Prosper-Haniel in Bottrop, wo Ende 2018 Schicht im Schacht ist. Er erzählt, was Betriebsratsarbeit im Bergbau ausmacht.

nds: Warum ist es für Bergleute so selbstverständlich, sich gewerkschaftlich zu organisieren?

Sandro Atzori: Die Arbeit von Gewerkschaften im Bergbau ist in erster Linie bereits durch das Montanmitbestimmungsgesetz geregelt. Es sieht vor, dass es einen paritätischen Aufsichtsrat gibt, der zu gleichen Teilen aus Anteilseigner*innen und Arbeitnehmer*innen sowie neutralen Mitgliedern besteht. Das beugt Entscheidungen „von oben“ vor und ermöglicht eine positive Zusammenarbeit.
In unserem Unternehmen bestehen harte Rahmenbedingungen. Sie erfordern mehr Solidarität, als es in anderen Branchen vielleicht üblich ist. Gewerkschaftlich organisiert zu sein, ist trotzdem keine Selbstverständlichkeit! Besonders wichtig ist uns deshalb, dass die Gewerkschaft im Betrieb sichtbar ist. Im direkten Dialog versuchen wir, die Interessen der einzelnen Gruppen im Unternehmen zu decken.

Der Strukturwandel hat den Bergbau immer wieder vor massive Kürzungen und Umstrukturierungen gestellt. Inwiefern haben Gewerkschaften und Betriebsräte dafür gesorgt, dass solche Veränderungen sozialverträglich abgelaufen sind?

Der Betriebsrat hat extern erhobene Umstrukturierungen immer langfristig durch verlässliche Flankierungen begleitet, zum Beispiel mit Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen. Außerdem haben wir zusammen mit der RAG als Arbeitgeberin Vorkehrungen für Sozialleistungen und Arbeitsplatzsicherungen getroffen. Auch die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb spielt in der Betriebsratsarbeit eine wichtige Rolle. Aus- und Weiterbildungen für alle Arbeitnehmer*innen zu garantieren, war und ist dem Unternehmen auch im Auslauf weiterhin ein großes Anliegen.
Eine herausragende Errungenschaft der RAG, die in Ibbenbüren und Bottrop die beiden letzten in Deutschland aktiven Steinkohlebergwerke betreibt, bleibt jedoch der Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz. Es ist unabdingbar, dass der Betriebsrat mit hohem Wert darauf achtet, dass die richtigen Weichen für eine gesunde und sichere Belegschaft gestellt werden – und zwar gleichgesetzt mit den Produktionszielen und nicht etwa nachrangig.

Aktuell begleiten Sie als Betriebsratsvorsitzender die Schließung des Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop. Worauf kam es dem Betriebsrat an?

Die Sozialverträglichkeit hat oberste Priorität bei der Schließung unseres Betriebs. Bei uns gilt: Niemand darf ins Bergfreie fallen. Dazu wurden die bestehenden Arbeitsplätze mit Strukturen abgesichert und mit anderen Arbeitsstellen in Verbindung gebracht. Junge Mitarbeiter*innen wurden umgeschult und in andere Betriebe oder die freie Wirtschaft integriert. Fest steht auch: Sozialverträglichkeit erreicht da ihre Grenzen, wo Maßnahmen nicht angenommen werden. Aber wir haben immer alles dafür gegeben, um die Grundsteine für unsere Mitarbeiter*innen auf ihrem weiteren Weg zu legen – und das tun wir bis zum Schluss.

Wenn Sie auf Ihre Arbeit als Betriebsrat zurückblicken: Was war Ihr größter Erfolg?

Es gibt nicht nur einen einzigen Erfolg, von dem ich pauschal erzählen könnte. Viele Teilerfolge führen zum Gesamterfolg. Letztlich sind meine Kolleg*innen und ich stolz auf den sozialverträglichen Auslauf, der genau geplant wurde und bei dem die unterschiedlichen Lebenslagen aller Beschäftigten berücksichtigt wurden. Dazu gehört auch, dass die RAG auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet hat und wir junge Mitarbeiter*innen in andere Betriebe der freien Wirtschaft vermittelt haben. Das politisch gewollte Auslaufen des Steinkohlebergbaus ist eine Situation, die es nie zuvor gab. Ohne bestehendes Vorbild haben wir als Betriebsrat Lösungen und Systeme mitentwickelt, um diese Herausforderung zu bewältigen.

Was ist Ihr Rezept für gute Betriebsratsarbeit?

Die erfolgreiche Arbeit von Gewerkschaft und Betriebsart sowie der gelungene Auslauf basieren auf der Fokussierung auf den Menschen. Er muss im Mittelpunkt stehen, erst dann folgt der Betrieb. Wenn der Betriebsrat auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber steht, öffnet das den Blick für beide Parteien und verbindet sie.
Die Solidarität und Kameradschaft, die im Bergbau immer maßgeblich waren und sind, dürfen beim Betriebsrat nicht aufhören. Diese Tugenden können auch in anderen Branchen nicht schaden und fördern die gute Betriebsratsarbeit. Erfolge der Gewerkschaft, eines starken Betriebsrats müssen im Betrieb sichtbar werden und sorgen für eine zufriedene Belegschaft.


Die Fragen stellte Anja Heifel-Rohden.

Foto: grandfailure / Fotolia

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