Frühkindliche Bildung: Schwarz-gelbe Wertschätzung?

Frühkindliche Bildung im Koalitionsvertrag von CDU und FDP

Die Wahlkampfwerbung der FDP vor der NRW-Landtagswahl zeugte nicht unbedingt von großer Wertschätzung für die frühkindliche Bildung. Kann der Koalitionsvertrag von CDU und FDP diesen Eindruck wieder geraderücken?

„Wenn ein Möbelhaus unsere Kinder bis 20 Uhr betreuen kann, wieso können die Kitas in NRW das nicht?“, fragte die FDP auf einem ihrer Wahlplakate. Die implizite Behauptung, Erzieher*innen arbeiteten nicht lange genug, und das Bild der Kita als Verwahranstalt sind eine Frechheit.

Öffnungszeiten flexibilisieren

Flexibilisierung ist das zentrale Stichwort, wenn es im Koalitionsvertrag von CDU und FDP um frühkindliche Bildung geht. Gemeint sind hauptsächlich flexiblere Öffnungs- und Betreuungszeiten von Kindertagesstätten, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Die pädagogische Perspektive auf solche Pläne ist klar: Die Öffnungszeiten von Kitas müssen sich an den Bildungsbedarfen der Kinder orientieren. Es ist vielmehr Aufgabe der Arbeitgeber*innen, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen, zum Beispiel durch Freistellung oder Teilzeit. Die berechtigte Forderung nach Flexibilisierung, die vor allem Frauen die Chance geben soll, auf dem Arbeitsmarkt weiter Fuß zu fassen, kann nicht nur auf den Schultern der Kitas getragen werden. Wenn CDU und FDP davon sprechen, dass die Wirtschaft familienfreundlicher werden müsse, konterkariert dies ihre eigene Forderung nach 24-Stunden-Kitas.

Betreuung ausbauen

Der quantitative Ausbau von U3- und Ü3- Plätzen ist zu begrüßen, die Qualität in den Kitas darf hierbei aber nicht auf der Strecke bleiben. Qualifizierte Fachkräfte, die sich stets fort- und weiterbilden können, sind der Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung. Vor allem bei Betriebskindergärten, die die Landesregierung weiter fördern will, ist das Augenmerk auf die Qualität zu richten: Dort müssen im Hinblick auf Personalschlüssel, Urlaub, Fortbildung und Krankheit dieselben Bedingungen gelten wie in regulären Kitas.

Unterfinanzierung beseitigen

Die Koalitionspartner*innen wollen „die strukturelle Unterfinanzierung der Kindertagesbetreuung in NRW beseitigen“. Erfreulicherweise soll dies stufenweise mit Hilfe zusätzlicher Landesmittel geschehen. Das durch Pauschalen begründete Finanzierungssystem wollen CDU und FDP jedoch beibehalten; die Pauschalen sollen lediglich dynamisiert werden. Aus Sicht der GEW NRW sind das gleich zwei Fehlentscheidungen: Seit Jahren ist das System unterfinanziert und auch eine Steigerung der Pauschalen um drei statt 1,5 Prozent ist nicht ausreichend.
Die Refinanzierung der Kita-Betriebskosten über öffentliche Mittel muss zwingend an die Einhaltung der Mindeststandards gebunden sein. Den Personalkosten sollten die realen Kosten entsprechend des Personalschlüssels auf Basis des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) zugrunde liegen, genauso die Kosten für betriebliche Interessenvertretung. Sachkosten können pauschal abgerechnet werden. Für die Bezuschussung von Mietkosten sollen die regionalen Gegebenheiten berücksichtigt werden.
Die Beibehaltung des kostenfreien letzten Kita-Jahres befürwortet die GEW NRW. Langfris-tig fordert die Bildungsgewerkschaft jedoch die Beitragsfreiheit für alle Kita-Jahre, denn frühe Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sollte deswegen auch von der Gemeinschaft und nicht von den Eltern getragen werden.

Ausbildung aufwerten

Die Landesregierung kündigt eine „Überprüfung der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung mit Umstellung auf eine duale Ausbildung mit einem zertifizierten Fort- und Weiterbildungssystem“ an. Bislang werden Erzieher*innen an Fachschulen für Sozialpädagogik vollzeitschulisch ausgebildet. Es gibt in NRW bereits Pilotprojekte wie die praxisintegrierte Ausbildung (PIA) zur*zum staatlich anerkannten Erzieher*in. Gut, wenn diese Entwicklung weiter vorangetrieben wird – vorausgesetzt sie geht einher mit einer Entlohnung der betrieblichen Ausbildung; und das Verhältnis von Praxiserfahrungen zum erlernten Theoriewissen wird weiterhin sorgfältig reflektiert.
Die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen in der frühkindlichen Bildung soll verbessert werden. Eine geradlinige und komplexe Modularisierung der Ausbildung für die Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe könnte zum Beispiel dazu beitragen, dass erworbene Kompetenzen leichter anerkannt werden. Es signalisiert Wertschätzung, wenn die schwarz-gelbe Landesregierung Kindheitspädagog*innen künftig Leitungsaufgaben übertragen will. Gleichzeitig müssten aber eigene Eingruppierungsmerkmale im TVöD geschaffen werden, um eine adäquate Entlohnung zu gewährleisten.

Die Kita braucht ein neues Gesetz!

Die von Rot-Grün begonnene Neuauflage des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) bleibt eine zentrale Aufgabe der neuen Landesregierung. Nach wie vor wird es jedoch nicht ausreichen, das KiBiz nur an einigen Stellen zu verbessern und eine systemimmanente Renovierung der frühen Bildung zu betreiben, denn das Kibiz hat die enorme Unterfinanzierung in der frühen Bildung erst mit verursacht. Gebraucht wird vielmehr ein neues Gesetz, das grundlegende Änderungen enthält.


Linda Engels
Mitglied im Leitungsteam des Referats Jugendhilfe und Sozialarbeit der GEW NRW

Illustration: 0melapics / Freepik

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