DGB-Forderungen: Rente muss reichen

DGB-Kampagne macht Forderungen deutlich

Anfang der 2000er Jahre beschloss die Politik, den Beitragssatz zur Rentenversicherung niedrig zu halten. Die Folge: Die Renten steigen seitdem langsamer als die Löhne und das Rentenniveau sinkt. Im Klartext heißt das, Rentner*innen und die, die es werden möchten, erhalten verglichen mit den Durchschnittseinkommen immer weniger Rente – und die Rente ist immer weniger wert. So geht es nicht weiter, sagen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften mit ihrer Kampagne „Rente muss reichen“.

Das Rentenniveau lag zwischen 2000 und 2010 bei mehr als 50 Prozent. Heute liegt es bei nur etwa 48,2 Prozent. Im Jahr 2030 werden lediglich gut 44 Prozent erwartet – das Rentenniveau dürfte nach aktueller Gesetzeslage sogar auf 43 Prozent sinken.

Privates Hinterhersparen ist keine Lösung

Den entstehenden Lücken muss man eben hinterhersparen – so die Empfehlung der Politik. Eine Menge Geld floss in die Förderung privater Altersvorsorge, um heute festzustellen, dass viel zu viel davon im System versickert. Und diejenigen, die besonders darauf angewiesen wären, können sich die zusätzliche Versorgung oft nicht leisten.
Mit dieser Politik wurden Verantwortung und Kosten für die Alterssicherung von den Arbeitgeber*innen und Sozialpartner*innen auf die Beschäftigten verlagert. Von einer paritätischen Finanzierung der Alterssicherung kann deshalb schon längst keine Rede mehr sein. Und deshalb setzen sich die Gewerkschaften mit einer Kampagne gemeinsam für die Stärkung der gesetzlichen Rente ein.

Auf den Punkt: Gewerkschaftsforderungen zur Rente

„Rente muss reichen“ heißt die Kampagne des DGB, die bereits im September 2016 startete. Seitdem haben zahlreiche Veranstaltungen, Aktionen auf der Straße und in Betrieben sowie bundesweite Aktionstage stattgefunden. Die Kampagne wirkt: Gemeinsam haben die Gewerkschaften und engagierten Kolleg*innen erreicht, dass das Thema Rente ein zentrales für die Bundestagswahl 2017 ist. Die Parteien mussten sich positionieren und bei vielen – bis hin zur Bundesarbeitsministerin – hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass das Rentenniveau nicht weiter abstürzen darf. Doch das genügt noch nicht! Der DGB wird weiter Druck machen für die Forderungen der Gewerkschaften:

  • Als Fundament für ein funktionierendes Rentensystem: Das Rentenniveau auf dem heutigen Stand stabilisieren und im weiteren Schritt anheben, etwa auf 50 Prozent!
  • Rente mit 70 verhindern!
  • Sozialen Abstieg und Altersarmut vermeiden
  • Arbeitgeber an den Kosten beteiligen!

Nur wenn die Politik den Forderungen ernsthaft nachgeht, kann unter anderem Altersarmut bekämpft werden. Die Probleme, die in der Rente auf uns alle zukommen, verschärfen sich derweil weiter, da gleich mehrere Faktoren zusammenwirken.

Fehler im System bedingen sich gegenseitig

Das sinkende Rentenniveau wirkt zusammen mit dem erhöhten Renteneintrittsalter – viele erreichen ja nicht einmal gesund die 65 – und weiteren Leistungskürzungen im Bereich der Alterssicherung, wie der bis 2009 geförderten Altersteilzeit, auf der einen Seite; die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Situation vieler Arbeitnehmer*innen auf der anderen Seite: Hier ist die Situation vor allem dadurch geprägt, dass in Deutschland der größte Niedriglohnbereich Europas geschaffen wurde. Daran hängt natürlich viel: Menschen mit ihren Lebensplanungen, Familien und Biografien sowie mit ihren Renten-ansprüchen.

Prekäre Beschäftigung fördert Armut in Deutschland

Die Prekarisierung von Arbeit führt dazu, dass viele Erwerbsbiografien brüchiger werden. Es entstehen Phasen, in denen Arbeitnehmer*innen überhaupt nicht in die Rentenkasse einzahlen. Die Missstände werden noch deutlicher, wenn Beschäftigte ein Leben lang für einen so geringen Lohn arbeiten, dass sie davon weder während des Erwerbslebens noch später im Rentenalter leben können.
Zu Recht empfinden die Menschen diesen Zustand als ungerecht. Der DGB meint: Ein gerechter Ausgleich muss her! Dazu gehört auch, dass der Bund in Phasen der Arbeitslosigkeit wieder die Beiträge der Betroffenen übernimmt.
In 20 Jahren wird jede*r fünfte neue Rent-ner*in armutsgefährdet sein und damit einem ansteigenden Trend folgen, so eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Besonders betroffen sind also diejenigen, die heute Mitte 40 und jünger sind. Im Übrigen wird das Rentensystem genau an dieser Stelle in Zukunft ad absurdum geführt, wenn nicht gegengesteuert wird. Ändert sich nichts, müssen heute junge Arbeitnehmer*innen in Zukunft mehr einzahlen, bekommen aber am Ende eine schmale Rente. Die Studie zeigt, was die Gewerkschaften mit ihrer Kampagne fordern: Wir müssen heute handeln! Denn es geht nicht nur um Armutsvermeidung. Es geht um mehr. Es geht darum, den sozialen Abstieg im Alter zu verhindern. Und das betrifft alle!
Ein Aufschub bis 2030 ist undenkbar
Der große Handlungsbedarf im deutschen Rentensystem wird von CDU und CSU aktuell geleugnet. Sie behaupten gerne, die Rente sei bis 2030 stabil und finanziell gut aufgestellt. Ein sinkendes Rentenniveau sowie steigende Altersgrenzen seien alternativlos. So äußerte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich. Die Schwesterparteien haben Anfang Juli 2017 offiziell beschlossen, dass sie in der kommenden Legislaturperiode und bis 2030 keine Reformen in der gesetzlichen Rentenversicherung angehen wollen. Stattdessen schlagen sie die Bildung einer Kommission vor, die sich mit dem Thema ab 2030 befassen soll.
Mal abgesehen davon, dass mit Papieren der Rentenkommissionen und -arbeitsgruppen, der parlamentarischen Anfragen und Studien aus den vergangenen Jahren vermutlich die Kuppel des Reichstagsgebäudes gefüllt werden könnte, kann sich unser Rentensystem einen zeitlichen Aufschub nicht leisten! Diese Fakten sind auch den entscheidenden Köpfen bei CDU und CSU bekannt. Sie wissen, wie Arbeitnehmer*innen am Ende der Erwerbstätigkeit dastehen, wenn sie ein Leben lang einen Niedriglohn erhalten haben. Sie wissen auch, wie durch das aktuelle Rentenrecht die Lebensleistung von überdurchschnittlich Verdienenden entwertet wird. Und doch wird das Problem bis 2030 für nicht vorhanden erklärt. Dieses Verhalten ist aus Sicht der Gewerkschaften völlig verantwortungslos.

Kurswechsel in der Rentenpolitik möglich machen

Die Bundestagswahl im September 2017 entscheidet auch über die Rente, über den zukünftigen Kurs in der Rentenpolitik. Soll es weiter bergab gehen mit den Leistungen trotz steigender Beiträge oder wird die gesetzliche Rente gestärkt?
Bei den Parteien lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Thema Rente feststellen – bei der Erwerbsminderung, bei sozialem Ausgleich für Arbeitslosigkeit, bei der Kindererziehung und Bildung, bei abgesicherten Übergängen von der Arbeit in die Rente und so weiter. Es seien jedoch an dieser Stelle vor allem die Kernpunkte der Diskussion genannt. Sie sind die, die den Diskurs momentan bestimmen und deutlich machen, in welche Richtung es gehen kann. Bei der vorab aufgeworfenen Frage geht es also um die ganz grundlegende Richtung: Kurswechsel und bessere Leistungen oder weitere Leistungskürzungen?

Thema Rente: Das planen die Parteien

Im Unterschied zu CDU und CSU sehen die anderen im Bundestag vertretenen Parteien dringenden Handlungsbedarf. SPD, die GRÜNEN und DIE LINKE sind sich einig, dass der Sinkflug und demnach die weitere Entwertung der Renten zumindest gestoppt werden muss. Teilweise wird sogar ein höheres Rentenniveau gefordert. Einigkeit besteht darin, dass die gesetzliche Rentenversicherung gestärkt werden muss.
Was die FDP angeht, gibt es keine großen Überraschungen. Die Partei ist der Auffassung, wenn sich alle selbst helfen, ist allen geholfen. In diesem Sinne setzt die FDP weiter auf den Abbau des Sozialstaats, weniger sozialen Ausgleich und noch mehr Privatisierung.
Ein weiterer Eckpfeiler der Diskussion um die Zukunft der Rente ist das Renteneintrittsalter.  Finanzminister Wolfgang Schäuble und weitere Verantwortliche in der Union haben bereits klargemacht, in welche Richtung es gehen könnte: Rente mit 70 oder gleich das Renteneintrittsalter an die durchschnittliche Lebenserwartung koppeln. SPD und die GRÜNEN halten an der bestehenden Regelung zur Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre fest. Dabei soll es allerdings praktikablere Möglichkeiten für einen abgesicherten Übergang in die Rente geben. Die Linkspartei möchte zur „65“ zurückkehren. Gleichzeitig machen sie konkrete Vorschläge für Menschen, die schon besonders lange gearbeitet haben, damit diese bereits früher in Rente gehen können.

Weichenstellung für die Zukunft der Rente

Interessant ist auch die Debatte um die Generationengerechtigkeit. Union und FDP argumentieren mit dem Begriff, um die Rente weiter auf Sparflamme zu fahren. Die kommenden Generationen dürften nicht durch zu hohe Beiträge und hohe Kosten in der Sozialversicherung überfordert werden. In der Realität heißt das allerdings: Die Beiträge steigen so oder so und zusätzlich muss privat vorgesorgt werden, denn sonst wird die Rente zum Leben kaum ausreichen. Generationengerecht geht anders: Auch die, die heute jung sind, müssen sich auf die gesetzliche Rente verlassen können! Bei der Bundestagswahl geht es um eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft der Rente.


Christina Sonnenfeld
Koordination der Rentenkampagne in der Abteilung Sozialpolitik des DGB

Fotos: manun, southnorthernlights / photocase.de

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