Jetzt müssen Notmaßnahmen greifen
Lehrkräftemangel an Grundschulen
Steuern die Grundschulen auf einen erheblichen LehrerInnenmangel zu? Rückmeldungen der Personalvertretungen über das laufende Einstellungsverfahren zum Schuljahresbeginn legen dies nahe. Zahlreiche Stellen können mangels BewerberInnen nicht wieder besetzt werden und laufen leer. Auch die Schulen der Sekundarstufe I haben große Probleme: Für vakante Stellen an Real- und Sekundarschulen gibt es nicht genug Bewerbungen.
Allein im Bezirk Düsseldorf konnten in der ersten Einstellungsrunde im Grundschulbereich von 443 Stellen immerhin 260 nicht besetzt werden. Außerdem gab es dort für zwei Drittel der Stellen für Sonderschullehrkräfte für das Gemeinsame Lernen keine Bewerbung. Ganz besonders gravierend ist das Problem in Duis-burg: Von 78 ausgeschriebenen A-12-Stellen konnten nur zehn besetzt werden. Keine der sechs ausgeschriebenen Sonderpädagogikstellen konnte besetzt werden. Für die neun dringend benötigten Stellen für Deutsch als Zweitsprache gab es keine einzige Bewerbung. Alle 14 Stellen der Vertretungsreserve bleiben unbesetzt. Weil mittlerweile alle Vertretungslehrkräfte eine feste Stelle bekommen haben, bleiben über 115 Planstellen wegen Inanspruchnahme von Elternzeiten und langfristigen Ausfällen vakant.
Berliner Verhältnisse in NRW?
Auch wenn Duisburg ein extremes Beispiel ist – die Medien berichteten darüber, die Tendenz ist nicht von der Hand zu weisen: NRW läuft auf einen eklatanten Lehrkräftemangel zu, auch wenn das Schulministerium jetzt händeringend versucht, durch mehrere Nachrückverfahren die freien Stellen noch zu besetzen. Steuern wir auf Berliner Verhältnisse zu, wo bis zum Schuljahr 2023 / 2024 über 16.000 Lehrkräfte eingestellt werden müssen, weil es wesentlich mehr SchülerInnen gibt als noch vor Kurzem prognostiziert?
Auch in NRW muss mittelfristig mit einem Anwachsen der SchülerInnenzahlen gerechnet werden, von rund 40.000 SchülerInnen allein in diesem Jahr ist die Rede. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann verkündete kurz vor den Sommerferien, dass mit einem zweiten Nachtragshaushalt für das Jahr 2016 18 Millionen Euro zusätzlich investiert und 529 zusätzliche Stellen geschaffen würden. Offenbar ahnt aber auch die Ministerin Probleme bei der Stellenbesetzung, wenn sie sagt: „Mittelfristig werden wir künftige Stellenbesetzungen voraussichtlich noch flexibler als bisher handhaben müssen, um eine ausreichende Stellenbesetzung sicherstellen zu können.“
Neben den vielen Einstellungen im vergangenen Jahr trägt auch die – verglichen mit anderen Lehrämtern, aber auch mit anderen Berufen – schlechte Bezahlung zum LehrerInnenmangel bei. Der Job als Lehrkraft in der Grundschule oder in der Sekundarstufe I ist zunehmend unattraktiv: zu viel Arbeit für zu wenig Geld. Dazu trägt jetzt auch der durch die Umstellung des Studiums bedingte Rückgang an MasterabsolventInnen bei. So hat sich die Zahl der ReferendarInnen, die zum 1. Mai 2016 oder 1. November 2016 ihren Vorbereitungsdienst angetreten haben oder antreten werden, gegenüber den Vorjahren halbiert. Extreme Zulassungsbeschränkungen, insgesamt zu wenige Studienplätze – vor allem im Master – und teils extreme Anforderungen an das Lehramtsstudium tragen zu diesem Engpass bei.
Notmaßnahmen und langfristige Lösungen
Schon jetzt führt der LehrerInnenmangel Klagen an den Grundschulen zufolge zu zusätzlichen hohen Belastungen des Kollegiums. Steigende Krankmeldungen sind die Folge. Die GEW NRW fordert rasche Abhilfe durch zeitlich befristete Notmaßnahmen, um vordringlich die teils gravierenden regionalen Unterschiede bei der LehrerInnenversorgung abzubauen.
GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer hat sich mit einem Brief an Staatssekretär Ludwig Hecke vom Schulministerium gewandt. Darin schlägt sie vor, die Anerkennung ausländischer Lehrämter – zum Beispiel aus den Niederlanden – schneller zu ermöglichen und auch Stellen für den Seiteneinstieg zu öffnen. Außerdem forderte sie, für einen befristeten Zeitraum die Kapitalisierung der gesamten LehrerInnenstellen für die Offenen Ganztagsgrundschulen (OGS) zu ermöglichen, „damit die Stellen für den Unterricht verwendet werden können und der Träger der OGS anderes Personal einstellen kann“.
Für die Lehrerkollegien im Dauerstress fordert die GEW NRW schnelle Abhilfe durch Entlastung und Konzentration auf das Kerngeschäft. Auch dazu hat Dorothea Schäfer konkrete Vorschläge parat: „Eine kurzfristige Entlastung wäre zum Beispiel durch ein Aussetzen der Qualitätsanalyse möglich.“ Auch die Lernstandserhebung VERA 3 und die Sprachstandserhebung Delfin 4 könnten, so die Vorsitzende der GEW NRW, abgeschafft werden.
Rixa Borns
Leitungsteam der Fachgruppe Grundschule der GEW NRW
Berthold Paschert
Referent für Hochschule und Lehrerbildung der GEW NRW
Foto: annelilocke / photocase.de
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