Gerecht besteuern, in die Zukunft investieren
Steuerpolitische Eckpunkte des DGB zur Bundestagswahl 2017
Eine gute öffentliche Daseinsvorsorge, eine zukunftsfähige Infrastruktur, gute (und gebührenfreie) Bildung von der Kita bis zur Hochschule – für all das braucht es Geld. Doch woher soll es kommen? Der DGB hat seine steuerpolitischen Eckpunkte zur Bundestagswahl 2017 vorgelegt. Welche Forderungen stecken darin und welche Auswirkungen haben sie auf NRW und seine Kommunen?
Nirgends tritt die Schieflage zwischen Sonntagsreden von Politiker*innen und ihrem tatsächlichen (Nicht-)Handeln so deutlich hervor wie in der Bildungspolitik. Der Grund für diesen Widerspruch liegt darin, dass für die bildungspolitischen Herausforderungen in erster Linie die Länder und Kommunen in der Verantwortung stehen, diese aber kaum Einfluss auf die dafür erforderlichen Steuereinnahmen haben. Steuerquellen, die nach dem Grundgesetz den Ländern zustehen, werden entweder gar nicht mehr genutzt oder sind teilweise zur Bagatellsteuer degeneriert.
Nicht besser ergeht es den Kommunen: Anstatt die Gewerbesteuer als deren wichtigste Steuerquelle einhergehend mit dem Strukturwandel der Wirtschaft weiterzuentwickeln, fordern interessierte Kreise unentwegt ihre Abschaffung. Nach jeder Steuerreform sind Vertreter*innen der kommunalen Spitzenverbände schon froh, dass es diese für die Städte und Gemeinden überlebensnotwendige Steuer noch gibt.
Weil über die Jahrzehnte Steuern mit einem deutlichen Bezug zu Vermögen und Gewinnen erheblich an Bedeutung verloren haben, musste ein großer Teil des Steueraufkommens zunehmend über die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer von Haushalten mit mittleren und niedrigen Einkommen geschultert werden. Somit stand der DGB vor der Aufgabe, zu zeigen, wie einerseits der weit überwiegende Teil der Steuerzahler*innen entlastet und zugleich die öffentliche Hand aus ihrer strukturellen Unterfinanzierung herausgeführt werden kann.
Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen entlasten
Der Tarifverlauf der Einkommensteuersätze war über die Jahre immer wieder Gegenstand der gewerkschaftlichen Kritik. Ein zu niedriger Grundfreibetrag und dann viel zu steil ansteigende Steuersätze, die aber bereits bei 53.666,- Euro den Spitzensteuersatz von 42 Prozent erreichen, führten dazu, dass mittlerweile die Einkommen von rund 2,7 Millionen Steuerpflichtigen in genau diesen Spitzensteuersatz hineinragen. Noch im Jahr 2004 waren es gerade mal 1,2 Millionen Steuerpflichtige. Hingegen betrifft der sogenannte Reichensteuersatz von 45 Prozent oberhalb eines Einkommens von einer Viertelmillion nur sehr wenige.
Der DGB fordert deshalb einen Grundfreibetrag von 11.000,- Euro. Ab einem Steuersatz von 22 Prozent soll dieser gleichmäßig bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 70.000,- Euro auf 49 Prozent steigen. Der Reichensteuersatz soll hingegen bereits ab einem Einkommen von 125.000,- Euro mit 52 Prozent zur Wirkung kommen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beschreibt in seinem Wochenbericht 20 / 2017 die Wirkungen dieses Vorschlags: „Bei diesem Konzept werden die Steuerpflichtigen bis zum 95-Prozent-Perzentil mit knapp 15 Milliarden Euro entlastet, während die reichsten fünf Prozent der Steuerpflichtigen mit gut elf Milliarden Euro belastet werden, davon entfallen auf das reichste Prozent knapp zehn Milliarden Euro.“
Ein weiterer Kritikpunkt ist die sehr unterschiedliche Behandlung von Kindern im Steuerrecht. Zwar wird für alle Kinder ein einheitliches Kindergeld ausgezahlt, der Fiskus verrechnet dieses aber bei Eltern mit höheren Einkommen mit dem für sie günstigeren Kinderfreibetrag. Gegenüber dem Kindergeld von 192,- Euro pro Monat für das erste Kind kann dadurch die Entlastungswirkung bei sehr gut verdienenden Eltern mehr als 300,- Euro betragen. Der DGB fordert daher ein Ende dieser sehr ungleichen Behandlung. Die etwa 3,2 Milliarden Euro, die der Kinderfreibetrag jährlich kostet, sollen stattdessen auf ein für alle Kinder um 15,- Euro erhöhtes Kindergeld umgelegt werden.
Handlungsbedarf besteht weiterhin bei der Berücksichtigung des Arbeitsweges. 2004 wurde die Pendlerpauschale auf einheitlich nur noch 30 Cent je Kilometer gekürzt, nachdem sie zuvor bis zu 40 Cent betrug. In den steuerpolitischen Eckpunkten plädiert der DGB aber nicht nur für die längst überfällige Anhebung. Zugleich soll die Pendlerpauschale auch in ein Mobilitätsgeld umgewandelt werden, bei dem die Entlastung ausschließlich von der Wegstrecke zur Arbeit abhängt. Denn bisher fällt der Steuervorteil bei gleicher Wegstrecke umso höher aus, je höher das zu versteuernde Einkommen ist. Diese Änderung kann umgesetzt werden, indem die Pendlerpauschale von 40 Cent in ein Mobilitätsgeld umgerechnet wird, das direkt von der ermittelten Steuerschuld abgezogen wird.
Die strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Hand überwinden
Die mit den vorgenannten Forderungen verbundenen Mindereinnahmen würden schon zu einem erheblichen Teil wettgemacht, wenn die 2009 in Deutschland eingeführte Abgeltungssteuer wieder abgeschafft würde. Kapitalerträge und Zinseinkünfte sollten wieder wie bei der Lohnsteuer und dem Solidaritätszuschlag nach der persönlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden, anstatt pauschal mit nur 26,4 Prozent. Weder ist die Abgeltungssteuer gerecht, noch hat sie Steuerhinterziehung verhindert, wie einst versprochen wurde. Und als bürokratisches Monster wird sie mittlerweile selbst von der Steuerberater*innenzunft abgelehnt.
Für eine größere Verteilungs- wie auch Chancengerechtigkeit wird es vor allem aber darauf ankommen, große und außerordentlich hohe Vermögen wieder angemessen zu besteuern. Insbesondere hohe und ohne eigene Leistung ererbte Vermögen dürfen nicht weiter dadurch verschont werden, dass diese als Betriebsvermögen deklariert und deswegen der Besteuerung entzogen werden können. Der DGB fordert, die Vorzugsbehandlung bestimmter Vermögensarten – wie auch immer definiert – zu beenden. Gleichfalls muss das seit 1997 außer Vollzug gesetzte Vermögensteuergesetz wiederbelebt werden, da die seinerzeit vom Bundesverfassungsgericht gerügten Mängel bei der Bewertung von Immobilienvermögen längst behoben sind. Zur weiteren Reform schlägt der DGB einen Freibetrag von einer Million Euro vor, zwei Millionen Euro bei Verheirateten. Wie früher soll das Vermögen abzüglich von Verbindlichkeiten besteuert werden. Der Steuersatz soll von einem Prozent ansteigen auf bis zu zwei Prozent, die allerdings erst ab einer Höhe von einer Milliarde Euro Nettovermögen auf jeden weiteren Euro fällig werden.
Um kommunale Handlungsspielräume wiederzugewinnen, bedarf es einer Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftssteuer. Dies soll dadurch geschehen, dass die willkürliche Begrenzung auf Gewerbetreibende beendet und beispielsweise auch die freien Berufe in die Steuerpflicht einbezogen werden. Dabei geht es nicht darum, die freiberufliche Musiklehrerin zusätzlich zu belasten. Sichergestellt würde das durch höhere Freibeträge und verbesserte Anrechnungsmöglichkeiten bei der Einkommensteuer. Vielmehr sollen vor allem hochprofitable Anwaltssozietäten sowie beispielsweise gut verdienende Ärzt*innen und Apotheker*innen ihren Beitrag zur Finanzierung der kommunalen Infrastruktur leisten, aus der auch sie ihre Vorteile ziehen.
Abgerundet werden die steuerpolitischen Eckpunkte schließlich durch detaillierte Vorschläge zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf den spekulativen Handel mit Wertpapieren und Finanzderivaten sowie einer Vielzahl von Vorschlägen zur Verbesserung des Steuervollzuges. Bei letzteren geht es vor allem um eine bessere Personalausstattung in den Finanzverwaltungen.
Milliardengewinne (nicht nur) für gute Bildung!
Die mit diesen Maßnahmen verbundenen Mehreinnahmen wären mehr als beachtlich. Nach vorsichtiger Rechnung könnten Bund, Länder und Gemeinden zusammen mindestens 59 Milliarden Euro mehr pro Jahr erzielen. Der Landeshaushalt Nordrhein-Westfalens würde um mindestens 6,5 Milliarden Euro gestärkt und die nordrhein-westfälischen Kämmerer*innen könnten gegenüber ihren Stadt- und Gemeinderäten mindestens 2,6 Milliarden Euro Mehreinnahmen ausweisen. Damit ließe sich nicht nur gute Bildung finanzieren!
Raoul Didier
Leiter des Referats Steuerpolitik beim DGB-Bundesvorstand
Fotos: Big Mack, kay_1 / photocase.de
DGB-Steuerkonzept: Fallbeispiel I
Mittlere Einkommen entlasten
Ein in Vollzeit beschäftigter Grundschullehrer verdient mit seiner Ehefrau, die auf einer halben Stelle als Erzieherin arbeitet, zusammen 70.000,- Euro brutto. Sie haben zwei gemeinsame minderjährige Kinder. Die Entlastungswirkung, die sich durch die Vorschläge für einen gerechteren Tarif und ein höheres Kindergeld ergäben, würden in diesem Fall das verfügbare Haushaltseinkommen um 1.005,- Euro im Jahr erhöhen.
DGB-Steuerkonzept: Fallbeispiel II
Hohe Einkommen höher besteuern
Ein kinderloses Ärzteehepaar erzielt ein steuer-pflichtiges Jahreseinkommen von 200.000,- Euro. In diesem Fall würden mit 2.861,- Euro etwa 4,7 Prozent mehr Steuern fällig als nach geltendem Recht.
DGB-Steuerkonzept: Fallbeispiel III
Arbeitswege fair besteuern
Durch eine Pendlerpauschale von 40 Cent pro Kilometer, die als Mobilitätsgeld direkt von der ermittelten Steuerschuld abgezogen wird, würde ein Durchschnittsverdiener mit 37.000,- Euro Jahreseinkommen und einem Arbeitsweg von 33 Kilometern um rund 240,- Euro entlastet.
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