Die Maßnahmen hinter den Maßnahmen
Erhebung von Unterrichtsausfall
Parteien und Fraktionen, der Landesrechnungshof, Elternverbände und das Schulministerium führen seit Jahren eine heftige Debatte zum Unterrichtsausfall. Die favorisierten Erhebungsmethoden reichen von der Stichprobe bis zur tagesaktuellen Gesamterhebung; die jeweils von den Protagonisten erhobenen Werte differieren zwischen 1,7 und mehr als sechs Prozent. Nun kündigte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft laut WDR überraschend an, den Unterrichtsausfall künftig präziser und ohne großen bürokratischen Aufwand erfassen zu lassen.
Hintergrund ist, dass sich die NRW-Bildungskonferenz in den letzten Monaten mit Ad-hoc-Unterrichtsausfall und strukturellem Unterrichtsausfall befasst hat. Ad-hoc-Unterrichtsausfall ist die Abweichung vom Stundenplan, struktureller Unterrichtsausfall die Unterschreitung der Stundentafel. Nach einem neuen Verfahren soll der Ad-hoc-Unterrichtsausfall präziser erfasst werden – so der Vorschlag einer Arbeitsgruppe der Bildungskonferenz unter Beteiligung der GEW NRW.
Erhebung im Rollationsverfahren: Favorit mit erheblichem Aufwand
Rückblick: Bereits 2013 legten Prof. Dr. Gabriele Bellenberg und Prof. Dr. Christian Reintjes im Auftrag des Schulministeriums das Gutachten „Möglichkeiten einer Ermittlung des Unterrichtsausfalls an den Schulen in Nordrhein-Westfalen“ vor. Grundsätzlich votierten sie dafür, „Ressourcen nicht in die Erfassung, sondern in die Vermeidung von Unterrichtsausfall zu stecken und dabei die in jüngster Vergangenheit etablierten Verfahren der Governance-Steuerung zu nutzen“. Im Gutachten werden drei Varianten einer Erhebung des Unterrichtsausfalls näher beschrieben:
- Stichprobe von 600 Schulen, Erhebung von zwei Wochen Unterrichtsausfall (Ministeriumsvariante)
- flächendeckende und ganzjährige Erhebung des Unterrichtsausfalls (Maximalvariante)
- Erfassung des Unterrichtsausfalls an jeder Schule einmal im Jahr für zwei Unterrichtswochen (Rollationsvariante)
Die Arbeitsgruppe der Bildungskonferenz favorisiert nun – auf Vorschlag des Schulminis-teriums – die Rollationsvariante. Bei diesem Verfahren müssten alle Schulen des Landes je zwei Wochen pro Jahr ihren Unterrichtsausfall dokumentieren. Schulen und zufällig zugeordnete Erhebungszeiträume müssten von der Bildungsadministration festgelegt und den Schulen mitgeteilt werden. Bei dieser Variante käme jede Schule einmal im Jahr zum Zuge. Das Gutachten weist bereits darauf hin, dass diese Variante einen erheblichen administrativen Aufwand auslöst – auch und gerade bei der Schulaufsicht –, da deren Beratungs-, Unterstützungs- und Plausibilisierungsaufwand deutlich steigt im Vergleich zur einmaligen Stichprobe.
Ressourcen bereitstellen
Die GEW NRW hat sich gegen die flächendeckende und ganzjährige Erfassung ausgesprochen und für eine einmalige Stichprobe votiert. Akzeptabel ist das Rollationsverfahren, wenn dadurch der politische Streit über die Erhebungsmethode beendet wird. Das Problem des administrativen Mehraufwands müsste aber dringend gelöst werden.
Das Schulministerium beabsichtigt im Rollationsverfahren wie bei der bisherigen Stichprobe, Vakanzen und Vertretungsmaßnahmen zu erheben. Als Vakanz gilt, wenn der im Stundenplan ausgewiesene Unterricht von der vorgesehenen Lehrkraft nicht erteilt wird. Vertretungsmaßnahmen sind etwa die Vertretung im vorgesehenen Fach, Ersatzunterricht oder eigenverantwortliches Arbeiten. Die Differenz ist der Unterrichtsausfall.
Die Bildungsgewerkschaft interessiert jedoch vor allem die Maßnahmen hinter den Maßnahmen. Wer Unterrichtsausfall vermeiden will, muss wissen, mit welchen personellen Maßnahmen Schulen dies bereits jetzt tun. Daher hat die GEW NRW das Ministerium für Schule und Weiterbildung aufgefordert, künftig jährlich durch eine Stichprobe zu erheben, mit welchen personellen Maßnahmen – zum Beispiel durch Mehrarbeit der LehrerInnen, durch Flexibilisierung oder durch die vorübergehende Aufstockung der Pflichtstundenzahl teilzeitbeschäftigter Lehr-kräfte – Unterrichtsausfall vermieden oder insgesamt verringert wird. Es ist dringend nötig, den Schulen die erforderlichen Ressourcen zur Vermeidung von Unterrichtsausfall zur Verfügung zu stellen und mehr Licht in das Dunkel der bisherigen Maßnahmen zur Vermeidung von Unterrichtsausfall zu bringen.
Michael Schulte
Geschäftsführer der GEW NRW
Foto: Fahrstuhl / photocase.de
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