Besser lernen durch Visualisierungen

Unterrichtsvorbereitung und -gestaltung

Visualisierte Inhalte bleiben nachweislich länger im Gedächtnis und sichern das Verständnis. Deshalb eignen sie sich als Unterrichtsmethode gleichermaßen für Schüler*innen und Lehrkräfte. Doch nicht jedes Schaubild passt zu jedem Inhalt. Eine Übersicht.

Visualisieren bedeutet: etwas durch ein Bild oder eine Grafik sichtbar und anschaulich machen. Visualisierungen gibt es nicht nur in Schulbüchern, auch Lehrkräfte setzen sie in ihrem Unterricht ein. In diesen Fällen wird das Visualisieren als Lehrstrategie genutzt. Fertigen Schüler*innen selbst Visualisierungen beziehungsweise grafische Strukturierungen an, wird das Visualisieren als Lernstrategie eingesetzt. Letzteres ist besonders lernwirksam, denn es setzt einen mentalen Strukturierungsprozess in Gang: Beim Zeichnen grafischer Strukturen werden mentale Wissensnetze gebildet. Wenn Schüler*innen zum Beispiel einen Sachtext erschließen und dabei eine grafische Struktur zeichnen, dann schaffen sie dabei eine innere Landkarte des im Text dargestellten Zusammenhangs.

Formen der Visualisierung

Viele kennen die Mind Map, die kategoriale Zuordnungen – etwa Ober- und Unterbegriffe – sichtbar macht. Darüber hinaus gibt es noch eine Fülle weiterer Visualisierungsformen. Mit dem Cluster können zum Beispiel Ideen gesammelt werden. Dazu schreibt man das Thema in die Mitte und alle Assoziationen ungeordnet um den Begriff herum. Die Ursachenkette (Abbildung 2) dient dazu, kausale Verbindungen zu zeigen. Den Ausgangspunkt schreibt man oben auf und ergänzt darunter die Wirkung. Sie ist wiederum Ursache einer weiteren Wirkung. Gemeinsamkeiten und Unterschiede stellt ein Venn-Diagramm (siehe Abbildung 3) übersichtlich dar. Dazu zeichnet man zwei sich überlappende Kreise und schreibt die Unterschiede in die äußeren Felder und die Gemeinsamkeiten in die Mitte. Alternativ ist in solchen Fällen auch eine dreispaltige Tabelle möglich, die links durch eine vierte Spalte mit Vergleichsaspekten erweiterbar ist.
Die Concept Map (siehe Abbildung 1, 4 und 7) wird genutzt, um verschiedene logische Verbindungen zu zeigen. Im Unterschied zur Mind Map steht das Thema nicht in der Mitte, sondern oben. Ausgehend davon werden in Kästen und Pfeilen die logischen Zusammenhänge entfaltet. An jedem Pfeil stehen Verweise zu den inhaltlichen Zusammenhängen. Das Sequenzdiagramm (Abbildung 5) stellt Schritte oder Phasen von Abläufen oder Ereignissen dar. Der Ausgangspunkt eines Ablaufs steht oben links, wenn die weiteren Kästen in Leserichtung rechts angeordnet werden. Wenn die weiteren Kästen unterhalb gezeichnet werden, steht der Ausgangspunkt oben mittig. An den Ausgangspunkt werden die weiteren Schritte angeschlossen. Jeder Schritt steht in einem Kasten, der durch einen Pfeil mit dem nächsten verbunden wird.
Die Visualisierungsform „Das Thema und ich“ (Abbildung 6) eignet sich dazu, dass die Schüler*innen zwischen dem Thema des Unterrichts und sich selbst einen Bezug herstellen können. Dazu wird in ein Feld oben links das Thema geschrieben. Daneben werden die Aspekte des Themas in einem weiteren Feld genannt. Darunter wird ein Aspekt in einem Feld genauer analysiert und in einem weiteren Feld ganz unten wird dieser Aspekt auf das eigene Leben bezogen.

Visualisieren als wirksames Mittel für den Unterricht

Es gibt viele Gründe, Visualisierungen im Unterricht einzusetzen: Schüler*innen können mit ihrer Hilfe Wissen strukturieren und übersichtlich darstellen. Sie verstehen Zusammenhänge, gewinnen einen Überblick und lernen nachhaltiger und tiefer. Es gibt wenige Mittel, mit denen so sehr das Denken gefördert werden kann. Wer visualisiert, wird durch die Struktur angeleitet, auf eine bestimmte Weise zu denken – etwa Kategorien zu bilden, zu vergleichen, Ursachen zu finden oder Abfolgen zu bestimmen. Neben dem beachtlichen Lernerfolg wirkt das Zeichnen auch motivierend: Wenn Schüler*innen Unterrichtsinhalte visualisieren, entstehen dabei häufig kleine Kunstwerke. Wer beobachtet, wie intensiv Schüler*innen an ihren Visualisierungen arbeiten, staunt über ihre Hingabe.
Auch die empirische Unterrichtsforschung hat in Untersuchungen zur Lernwirksamkeit der Concept Map viele positive Effekte festgestellt: die kurz- und langfristigen Behaltensleistungen steigen, das Schreiben von Aufsätzen wird gefördert, das Textverständnis verbessert sich und die Problemlösekompetenzen der Schüler*innen werden erweitert. Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass die Arbeit mit Concept Maps Sicherheit gibt und Frustration und Angst im Unterricht aufseiten der Lernenden reduziert. Die gegenwärtig populärste Studie über Einflussfaktoren wirksamen Unterrichts, die sogenannte Hattie-Studie, kommt in ihrer zusammenfassenden Beurteilung von Concept Maps zu einer sehr positiven Einschätzung: Die Effektstärke macht deutlich, dass der Lernzuwachs der Experimentalgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe sehr hoch ist.
Dass das Visualisieren für das Lernen so bedeutsam ist, liegt daran, wie wir Wissen im Gehirn speichern: Es wird nicht etwa als zusammenhängender Text abgespeichert, sondern als Netzwerk von Begriffen. Zwischen diesen Begriffen bestehen logische Beziehungen. Erst wenn wir sprechen oder schreiben, werden diese Netze in textlich zusammenhängende Sachverhalte umgewandelt. Auf diese Weise können wir beispielsweise flexibel denken und formulieren. Wir können ein Erlebnis mitteilen, den Inhalt eines Textes analysieren oder die Lösung einer Rechenoperation erklären. Visualisierungen entsprechen genau diesem Netzwerkcharakter. Wer visualisiert, schafft also Wissensnetze im Kopf – kurz sie*er lernt.
Strategien der Visualisierung werden daher auch „Selbsterklärungsaktivitäten“ der Lernenden genannt. Ein Beispiel: Wenn ein Text in eine grafische Struktur transformiert wird, erfordert das eine vertiefte und aktive Auseinandersetzung mit dem Inhalt: Was ist wichtig, was kann weggelassen werden? In welchen Zusammenhängen stehen die einzelnen Aspekte? Gibt es Querverbindungen zwischen verschiedenen Gebieten des Inhalts? Die Schüler*innen können nur eine angemessene grafische Struktur erstellen, wenn sie den logischen Aufbau des Inhalts durchdrungen haben. Da dieser meist nicht an der Oberfläche eines Textes sichtbar ist und ausdrücklich genannt wird, führen Strategien der Visualisierung zu einer gründlichen Auseinandersetzung mit den Texten. Deshalb ist das Erstellen von grafischen Strukturen eine Tiefenstrategie des Lernens. Wer einen Text grafisch transformieren kann, hat ihn wirklich verstanden. Mit grafischen Formen lassen sich nicht nur Texte visualisieren. Mathematiklehrer*innen berichten, dass der Einsatz von Visualisierungen dazu führe, dass Schüler*innen die Zusammenhänge im Sachgebiet besser durchschauen.  

Handwerkszeug für Lehrkräfte und Schüler*innen

Das Prinzip des Visualisierens funktioniert generell ohne Altersgrenze: Bereits in der ers-ten und zweiten Klasse sind Schüler*innen in der Lage, Concept Maps anzulegen. Wenn Schüler*innen beginnen, grafische Strukturen zu bilden, sind jedoch einige praktische Hinweise hilfreich, damit gute Ergebnisse entstehen. Zum Beispiel sollen die Textanteile knapp und die grafischen Anteile übersichtlich sein. Die Schüler*innen sollten gut lesbar und immer waagerecht schreiben. Die Begriffe sollten konsequent mit Kästen oder Kreisen versehen werden, wenn es die Form erfordert. Pfeile sollten genau an diesen Kästen oder Kreisen ansetzen. Farben können die grafische Form effektvoll ergänzen.
Dem Prozesscharakter der Methode werden die Schüler*innen mit Bleistiften oder radierbaren Kugelschreibern gerecht. Wenn sie merken, dass sie mit dem Platz nicht auskommen oder dass sie andere Verbindungen bilden müssen, können sie radieren und ihre Zeichnung verbessern.
Noch einfacher ist die Überarbeitung bei digitalen Visualisierungen. Es gibt hervorragende – auch kostenfreie – Software, um digital zu visualisieren. Für Concept Maps ist das Programm „CmapTools“ hilfreich, für Mind Maps eignet sich „FreeMind“ und unterschiedliche Formen werden mit „yEDGraph“ sichtbar. Lehrkräfte, die im Unterricht mit Android-Tablets arbeiten, können auf „DrawExpress“ zurückgreifen. So lassen sich die Ergebnisse mittels Beamer oder Whiteboard zeigen und gemeinsam in der Klasse überarbeiten. Stehen keine Tablets zur Verfügung, ist  zum Beispiel eine Dokumentenkamera hilfreich. Dadurch lassen sich die Ergebnisse am Ende sehr einfach präsentieren und gemeinsam besprechen.

Visualisierungen vielfältig nutzen

Visualisieren hat neben der Texterschließung und der übersichtlichen Darstellung von Zusammenhängen noch weitere Funktionen.

  • Diagnose des Lernstands: Die Schüler*innen erkennen beim Erstellen der Strukturen selbst, was sie noch nicht verstanden haben. Auch Lehrkräfte können die Visualisierungen zur Diagnose des Lernstands einsetzen, weil sie Missverständnisse oder Lücken sehr schnell erkennen werden.
  • Aktivierung der Wissensvoraussetzungen: Wenn die Schüler*innen vor Beginn des Lernprozesses ihr Vorwissen in einer Grafik darstellen, knüpfen sie das neu zu Lernende leicht daran an und integrieren es in ihr individuelles Wissensgerüst. Das ist eine Voraussetzung für nachhaltiges Lernen.
  • Prüfungsvorbereitung: Wenn Schüler*innen nach einer Unterrichtsreihe den gesamten Sachzusammenhang in einer grafischen Struktur darstellen, durchdringen sie das Thema nicht nur in seinen Querverbindungen. Sie bereiten sich auch optimal auf Prüfungen vor, da sie sich einen Überblick über den gesamten Lernstoff verschaffen.

Visualisieren ist in der Schule vielfältig und mit großem Gewinn einsetzbar. Darüber hinaus nutzen Lehrer*innen auch komplexe Visualisierungen, wenn sie sich in ein neues Unterrichtsthema einarbeiten oder eine mündliche Prüfung vorbereiten. In den komplexen Visualisierungen werden verschiedene grafische Formen verbunden, sodass vielfältige Zusammenhänge differenziert dargestellt werden können. Aufbauend auf einer Concept Map wird zum Beispiel noch ein Venn-Diagramm und eine Zeitleiste ergänzt.
Auch Schüler*innen können mit dieser grafischen Struktur arbeiten – aber erst wenn sie die einzelnen Formen beherrschen. Es lohnt sich, mit den Formen des Visualisierens zu experimentieren. Lehrkräfte sehen, welche Freude Schüler*innen daran haben und wie gut sie dadurch lernen. Das Visualisieren bereichert den Unterricht und erhöht seine Wirksamkeit.


Tobias Saum
Lehrer für Deutsch und Philosophie an der Gesamtschule Haspe in Hagen und Fachleiter für Deutsch am ZfsL Hagen (Gymnasium/Gesamtschule)

Ludger Brüning
Lehrer*innenfortbildner und Lehrer an der Gesamtschule Haspe in Hagen

Illustration: Stockgiu / Fotolia

1 Comment
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Kommentare (1)

  • Sabine Reich Sehr geehrte Damen und Herren,
    ich freue mich, Ihren Artikel gelesen zu haben. Die Infos sind exakt, knapp und gut auf den Punkt gebracht.
    Vielen Dank!
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