Herausfordernde Eltern: Wie Lehrer*innen Gelassenheit lernen
Umgang mit herausfordernden Eltern
Waren es zunächst die „schwierigen Schüler*innen“, die für Herausforderungen bei den Lehrkräften sorgten, so werden über alle Schulformen hinweg zunehmend Eltern als belastend empfunden. Wie können Lehrer*innen den Dialog mit den Eltern gewinnbringend gestalten, Konflikte lösen und die eigene Rolle stärken?
Viele Eltern haben das Gefühl, sie müssten ihr Kind vor den Gefahren dieser Welt beschützen – egal, ob dieser Schutz notwendig ist oder nicht. Eine Vier in der Mathearbeit oder in einer Gruppe einmal nicht mitspielen zu dürfen, sind natürlich objektiv betrachtet keine bedrohlichen Ereignisse. Wenn Eltern sich jedoch unsicher fühlen und zu wenig in die Lern- und Problemlösefähigkeiten ihres Kindes vertrauen, können sie ihren Kindern und den Herausforderungen des Lebens nicht mit der nötigen Gelassenheit begegnen.
Immer mehr Eltern wünschen sich, an vielen Stellen in die schulischen Abläufe einzugreifen, und kritisieren die Pädagog*innen, inhaltliche Abläufe oder die zu schlechte Benotung ihres Kindes. Eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2011 zeigt, dass rund 60 Prozent der Eltern versuchen, starken Einfluss auf die Notengebung zu nehmen. Diese Form der Einmischung sorgt bei vielen Lehrkräften für Unsicherheit. Missverständnisse und persönliche Verletzungen führen oft dazu, dass Situationen in emotionalen Sackgassen enden.
Wege aus dem Teufelskreis: Auf die Haltung kommt es an.
Eltern in diesen Fällen mit rationalen Argumenten zu begegnen, hilft meist nicht. Einige sind zwar einsichtig, können ihr Verhalten aber nicht ändern. Es ist so ähnlich, als würden Sie einem Menschen mit Flugangst erklären, dass Flugzeuge die sichersten Verkehrsmittel sind: Seine Angst bleibt trotzdem, hinzu kommt das unangenehme Gefühl, nicht verstanden zu werden. Daher ist es wichtig, zu akzeptieren, dass Eltern versuchen, das Beste für ihr Kind zu tun, und hinter ihrem oft angreifenden Ton eine große Unsicherheit steckt. Eine tatsächliche Bearbeitung der Symptomatik ist häufig nur durch professionelle Begleitung möglich. Allerdings können Sie als Lehrer*in Einiges tun, um sich nicht in den Kreislauf hineinziehen zu lassen.
Zunächst einmal kommt es auf Ihre eigene Haltung an. Wenn Sie möchten, dass Eltern Ihnen Vertrauen schenken, unterstützen folgende Einstellungen Sie dabei:
1. Ich finde Ihr Kind toll!
Ihr Kind ist das Wertvollste, wofür Eltern Verantwortung tragen. Wenn die Kinder in die Schule kommen, bleibt Eltern nichts anderes übrig, als diesen Schatz fremden Händen anzuvertrauen. Das geht nur unter der Voraussetzung, dass Eltern das Gefühl haben, dass die Lehrkraft ihr Kind mag. Sagen Sie Eltern, welche kleinen, liebenswerten Dinge Sie bei ihrem Kind beobachtet haben. Das fördert auch Ihre Wahrnehmung, sich diese Seiten des Kindes bewusst zu machen.
2. Ich bin sympathisch!
Damit Eltern interessiert sind, mit Lehrkräften vertrauensvoll ins Gespräch zu kommen, müssen sie sie sympathisch finden. Dazu braucht es zunächst eine tragbare Basis, auf der sich dann auch schwierigere Themen angehen lassen. Wie das geht? Sympathie erhält, wer Sympathie schenkt. Ein Lächeln, ein freundlicher Gruß, ein kleines Kompliment – halten Sie sich vor Augen, dass jede*r liebenswerte Seiten hat.
3. Ich bin kompetent!
Kompetenz strahlt Sicherheit und Ruhe aus – genau das, was verunsicherte Eltern brauchen, um lockerer zu werden. Kompetenz ist nicht, was Lehrkräfte den Eltern erklären, sondern das, was sie im Kontakt leben. Als Lehrer*in sollten Sie Ihre Meinung nicht wie ein Fähnchen im Wind ändern, sobald Eltern Gegenwind bieten. Ebenso wenig sollten Sie aus Prinzip an Ihrer Einstellung festhalten. Wenn Sie Ihr Handeln fachlich gut begründen können und Ihr Kontakt wertschätzend und respektvoll dem Kind gegenüber war, dürfen Sie sich erlauben, im Gespräch ein ruhiges, entspanntes Selbstvertrauen sowie ehrliche Zugewandtheit auszustrahlen.
Grenzen achten und erreichbare Ziele setzen
Lehrkräfte sollten sich nicht unter Druck setzen, indem sie Verantwortung für Dinge übernehmen, die nicht ihrem Einfluss unterliegen. Es ist nicht notwendig, dass alle einer Meinung sind, wenn die Zuständigkeiten klar definiert sind. Lehrer*innen können zum Beispiel entscheiden, dass sie die Schüler*innen auf Grundlage einer gesunden Ernährung keine Süßigkeiten in der Frühstückspause essen lassen. Die Eltern werden aber entscheiden, ob sie ihrem Kind weiterhin Süßigkeiten mitgeben oder nicht.
Im Vorfeld eines Elterngesprächs sollten Sie sich als Lehrer*in klarmachen, was Sie erreichen wollen. Können Sie Ihre Ziele unabhängig von der Reaktion Ihres Gegenübers erreichen? Wenn Ihr Gesprächsziel beispielsweise darin besteht, die Eltern von Ihrer Sichtweise zu überzeugen, führt das schnell zu frustrierenden Gefühlen, wenn Ihnen dieses Überzeugen nicht gelingt. Solche Frustrationen können zu Resignationen und Ohnmachtsgefühlen führen. Ziele, die unabhängig von den Gesprächspartner*innen erreicht werden können, sind zum Beispiel: die Eltern informieren, die Eltern zum Austausch einladen, eine Empfehlung zur Förderung aussprechen oder Anregung für außerschulische Unterstützung geben.
Respektloses Verhalten von Eltern legitimiert nicht, dass Lehrkräfte sich ebenfalls respektlos verhalten. Natürlich kann es im Eifer des Gefechts zu Situationen kommen, die sie hinterher bedauern. Hier ist es wertvoll, Verantwortung zu übernehmen. Sprechen Sie als Lehrer*in direkt an, wenn Ihnen ein Fehler in der Kommunikation unterlaufen ist: „Ich möchte mich für meinen unangemessenen Ton entschuldigen, können wir nochmal neu starten?“ Oder: „Ich glaube, ich wollte Sie in unserem letzten Gespräch zu sehr von meiner Sichtweise überzeugen und war nicht offen, mir Ihre Sichtweise anzuhören.“ Das macht Sie nicht nur sympathisch, sondern zeigt auch Professionalität und Kompetenz.
Haltung statt Rechtfertigung
Natürlich gibt es auch Eltern, die klar übers Ziel hinausschießen. Die mittlerweile sprichwörtlichen Helikoptereltern versuchen, über Kontrolle und genaue Planung die eigenen Unsicherheiten zu verstecken. Wenn diese Eltern Sie als Lehrer*in kritisieren, sollten Sie sich nicht rechtfertigen, denn Rechtfertigungen signalisieren Verunsicherung. Bleiben Sie Profi!
1. Hören Sie zugewandt zu.
Auch wenn es schwerfällt: Kritik, die Ihnen Eltern entgegenbringen, ist zunächst nur deren Sicht und Interpretation. Kritik zu äußern steht Eltern zu, auch wenn es unangenehm ist. Betonen Sie, dass unterschiedliche Sichtweisen okay sind und dass Sie aus Perspektive der Eltern ihre Argumentation verstehen können. Machen Sie jedoch auch deutlich, dass Sie Gründe für Ihr Vorgehen haben, die Sie gerne auf Wunsch erläutern. So schalten Sie nicht direkt in den Kampfmodus und tragen zur Deeskalation bei.
2. Die versteckte Botschaft
Meist ist die eigentliche Botschaft hinter den gesprochenen Worten versteckt. Während Sie zuhören, versuchen Sie wohlwollend den inneren Motor für das dominante Auftreten herauszufinden. Wenn Eltern zum Beispiel kritisieren, Sie hätten ihr Kind zu schlecht benotet, kann es sein, dass das Kind zu Hause über die Note traurig war. Vielleicht sind die Eltern besorgt, dass ihr Kind keine Gymnasialempfehlung bekommt oder die Schule wechseln muss. Sätze wie „Sicher sind Sie besorgt, weil ...“ oder „Ich verstehe, dass Ihnen wichtig ist, dass …“ geben Eltern das Gefühl, verstanden und ernst genommen zu werden.
3. Feedback als Chance
Natürlich dürfen Sie für sich überprüfen, ob ein Vorwurf berechtigt ist. Seien Sie mutig. Wenn Sie zu eigenen Fehlern stehen und Verantwortung übernehmen, macht Sie das menschlich und sympathisch. Im eigenen System hat jeder blinde Flecken. Wenn Lehrer*innen darüber nachdenken, warum sie bestimmte Dinge so oder anders machen, hilft ihnen das dabei, mehr Klarheit und Professionalität zu entwickeln.
4. Betonen Sie die Autonomie der Eltern.
Besonders wenn Lehrer*innen Eltern ungefragt beraten, ist es wichtig, die elterliche Entscheidungsfreiheit bewusst zu betonen. Nur wenn Eltern das Gefühl haben, die Entscheidungsgewalt zu behalten, können sie zuhören und für die Argumente der Lehrkraft offen sein.
5. Auftrag oder Meinungsbild
Häufig stellt sich im Kontakt mit Eltern heraus, dass sie nur ihre eigene Sichtweise mitteilen wollen. Besonders bei schriftlicher Kommunikation ist dies der Fall. Darin finden sich nicht selten Formulierungen wie „Ich finde nicht gut, dass…“. Anstatt sofort in Aktionismus zu verfallen, können Sie den Eltern für die Darstellung ihrer Sichtweise danken und bei weiterem Klärungsbedarf einen Termin anbieten.
6. Achten Sie auf die eigenen Kräfte.
Bei einigen Eltern kann es hilfreich sein, den Kontakt zur Lehrkraft auf feste Zeiten zu beschränken. Vielen reichen die gelegentlichen Elternsprechtage und -abende, doch einige Eltern sind fast rekordverdächtig in ihrem Wunsch nach Rückmeldung. Hilfreich und für das Kind meist förderlich ist, wenn Lehrer*innen regelmäßig einen festen Gesprächsrahmen festlegen und diesen auch pünktlich beenden.
Und wenn nichts hilft?
Manchmal hilft alles nichts und Lehrer*innen haben den Eindruck, sich nur im Kreis zu drehen. Wenn eine Veränderung oder Annäherung mit bestimmten Eltern momentan nicht möglich ist, kann es sinnvoll sein, den Kontakt zunächst auf das Notwendigste zu beschränken und auf eine erfolgreiche professionelle Begleitung auf anderer Ebene zu hoffen.
Simone Kriebs
Familientherapeutin, Weiterbildnerin in der Qualifizierung von Pädagog*innen
www.wita-institut.de
Fotos: iStock.com / Liderina, Shinyfamily
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