Härtere Zeiten nach harten Zeiten?

Kommentar: Mehr in Bildung investieren

Bislang konnte sich die Landesregierung damit durchsetzen, politisch gewollte Reformen mittels der demografischen Rendite zu finanzieren und zugleich die notwendige Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen in den Schulen zu blockieren. Wie wird es um Gute Bildung und Gute Arbeit bestellt sein, wenn mit einer demografischen Rendite nicht mehr zu rechnen ist?

Ausbau des gebundenen Ganztags, islamischer Religionsunterricht, Erhöhung der Leitungszeit und Schulkonsens – Beispiele für schulpolitische Maßnahmen, die aus der demografischen Rendite finanziert wurden. Senkung der Pflichtstundenzahl, mehr Anrechnungsstunden, Streichung des bedarfsdeckenden Unterrichts sowie deutlich kleinere Klassen und Lerngruppen in allen Schulformen – Beispiele für notwendige Verbesserungen und gewerkschaftliche Forderungen, die blockiert wurden. Betrachtet man zudem die harten Auseinandersetzungen um die Einkommen der LehrerInnen – egal ob verbeamtet oder tarifbeschäftigt –, so wird deutlich, dass die Landespolitik (unterfinanzierten) Reformen regelmäßig den Vorzug vor einer Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen gab. Nun weist Prof. em. Dr. Klaus Klemm nach, dass „in den kommenden Jahren Mitteleinsparungen aus einem demografisch verursachten Rückgang der Schülerzahlen kaum mehr zu erwarten sind“ (s. Seite 20 bis 21). Er folgert: „Ohne eine Ausweitung des Bildungshaushalts drohen in Nordrhein-Westfalen Stillstand oder auch Rückschritt.“ Damit ist letztlich auch der Bildungsgewerkschaft das Argument genommen, erforderliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durch Stellen zu ermöglichen, die aus der Demografierendite gewonnen werden. Keine Demografierendite und Schuldenbremse – Gute Arbeit ade?

Mehr Geld füröffentliche Daseinsvorsorge

Wie tragfähig sind die öffentlichen Haushalte in Nordrhein-Westfalen unter den Bedingungen der Schuldenbremse und des demografischen Wandels in der Dekade 2020 bis 2030? Zu dieser Fragestellung hörte eine Enquetekommission des Landtags schon vor gut zwei Jahren ExpertInnen an. In ihrer schriftlichen Stellungnahme für die Anhörung machte Dr. Katja Rietzler vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung deutlich: „Da wir bereits heute eine erhebliche Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte verzeichnen, müssen zusätzliche Einnahmequellen erschlossen werden. Aufgrund der nach wie vor sehr ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung (…) sollten hohe Einkommen und Vermögen dabei im Fokus stehen. Steuererhöhungen sind notwendig, um wichtige Zukunftsinvestitionen tätigen zu können, die Kommunen zu unterstützen und dennoch die Schuldenbremse einhalten zu können, die ab 2020 (strukturell) ausgeglichene Landeshaushalte erfordert.“ Wirtschafts- und Steuerpolitik als Grundlage der Bildungsfinanzierung müssen von der GEW stärker in den Blick genommen werden. Das Steuerkonzept der Bildungsgewerkschaft weist hier den Weg (s. Seite 22).

Sagen, was nicht prioritär ist

Bei Veranstaltungen von politischen Parteien, von Stiftungen oder Schulträgern zur Inklusion sind die Arbeitsbedingungen im Gemeinsamen Lernen höchstens Randthema. Auf Personalversammlungen und im Rahmen von Gewerkschaftsveranstaltungen stehen sie hingegen im Mittelpunkt. Das ist nicht nur gut so, das ist attraktives Alleinstellungsmerkmal der GEW für KollegInnen – nicht nur im Personalratswahlkampf. GEW-Politik ohne die Forderung nach Bildungsreformen, die mehr Chancengleichheit ermöglichen, ist nicht denkbar. In (noch) härteren Zeiten wird es aber stärker darauf ankommen, auch zu sagen, welche (Reform-)Maßnahme aus Sicht der GEW keine Priorität hat. Es sei denn, der fürsorgende öffentliche Arbeitgeber finanziert angesichts der Schuldenbremse bildungspolitische Reformen und bessere Arbeitsbedingungen. Möglich ist das. Man muss es nur politisch wollen. Mehr Gerechtigkeit wagen – nennen es derzeit manche.

Dorothea Schäfer
Vorsitzende der GEW NRW

Foto: sör alex / photocase.de

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