Schulbauten: Kommunaler Investitionsstau trifft NRW am härtesten
Marode Schulbauten
Nordrhein-Westfalen investiert seit Jahren zu wenig in Schulgebäude. Die Folgen sind verrottende Schulen und massiver kommunaler Investitionsstau. Damit sich an der Situation schnell etwas ändert, müssen die Städte und Gemeinden unter anderem mit mehr Personal ausgestattet werden. Eine Herkulesaufgabe für das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands.
Dass Deutschland ein ernsthaftes Problem bei den öffentlichen Investitionen insbesondere auf kommunaler Ebene hat, ist mittlerweile eine weithin anerkannte Tatsache. Im Jahr 2017 hat die KfW-Bank für die deutschen Kommunen einen Investitionsstau in Höhe von 126 Milliarden Euro ermittelt. Davon entfallen 33 Milliarden Euro auf die Schulen. NRW dürfte – gemessen an der seit der Jahrtausendwende besonders schlechten Investitionstätigkeit im Schulbereich – einen überproportional großen Anteil haben. Genaue Zahlen für die Bundesländer sind nicht verfügbar. Die Landesregierung ist aufgefordert, den konkreten Investitionsbedarf zu ermitteln. Zu erwarten ist in jedem Fall ein Wert, der zwischen fünf und zehn Milliarden Euro liegt. Auch eine Zahl im höheren zweistelligen Milliardenbereich wäre keine Überraschung. Wegen der in vielen Kommunen prekären Finanzlage wurden seit 2015 gleich zwei Kommunalinvestitionsförderprogramme im Umfang von bundesweit je 3,5 Milliarden Euro beschlossen. Ein wesentlicher Teil des ersten Programms und das gesamte zweite Programm sind dabei der Schulinfrastruktur gewidmet.
Moderne Klassenzimmer wirken positiv auf das Lernklima
Der Zustand gerade der Schulgebäude ist von besonderer Bedeutung für den Lernerfolg. In den skandinavischen Ländern gilt der Schulraum als „dritter Pädagoge“ – neben den Mitschüler*innen sowie den Lehrenden. Schulen und Klassenzimmer sollen flexibel nutzbar und individuell gestaltet sein – ein angenehmer Raum, so die Erkenntnis in den nordischen Staaten, wirkt positiv auf das Lernklima und die Konzentration der Schüler*innen.
Verglichen damit ist der Zustand vieler Schulen in Deutschland, insbesondere der in Nordrhein-Westfalen, mehr als ernüchternd. Viele Schulgebäude sind in einem maroden und baufälligen Zustand. Die Benutzung der Toiletten ist häufig eine Zumutung und in vielen Schulen bröckelt der Putz buchstäblich von der Wand. Aktuelle Berichte aus NRW, die das belegen, sind leicht im Internet zu finden: „In Köln gibt es 296 Schulen. Viele davon befinden sich in einem beklagenswerten Zustand.“ „Mehr als jedes zweite Schulklo in Essen ist marode.“ „Marode Schule: Gelderner Rektor schlägt Alarm. Rektor klagt über Schimmel und schlechte Fluchtwege. Er will bei Unglücken keine Verantwortung übernehmen.“
Die Gründe für die besonders schlechte Lage in NRW liegen auf der Hand: In dem Bundesland ist ein besonders starker Rückgang der kommunalen Investitionstätigkeit in den Kernhaushalten zu beobachten. Die Schulbauinvestitionen als Teil dieser kommunalen Investitionsausgaben weisen eine geradezu dramatische Abnahme auf. Während im Jahr 2002 noch fast 700 Millionen Euro in diesem Bereich investiert wurden, sind es 2016 nur noch 200 Millionen Euro. In den drei Jahren davor wurde sogar dieser Wert deutlich unterschritten. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Zahlenreihe um nominale Größen handelt. Der Preisverfall ist nicht berücksichtigt.
Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Pro-Kopf-Vergleich der Schulbauinvestitionen unter den Flächenländern (siehe Abbildung). Spitzenreiter ist sowohl im Jahr 2016 als auch im langjährigen Durchschnitt Bayern. Aktuell gibt Bayern siebenmal so viel Geld im Bereich der Schulinfrastruktur aus wie Nordrhein-Westfalen mit gerade einmal 90,- Euro pro Schüler*in. Den Durchschnittswert aller Flächenländer unterschreitet NRW um mehr als 70 Prozent. Auch längerfristig, zum Beispiel von 2000 bis 2016, war Nordrhein-Westfalen das Schlusslicht unter den deutschen Flächenländern. Das Land investiert ziemlich genau 50 Prozent weniger als der Durchschnitt.
Bund investiert in Projekte Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP)
Angesichts der dargestellten Entwicklung scheint es zunächst begrüßenswert zu sein, dass der Bund Geld für die Sanierung von Schulen bereitstellt. Dieses Geld könnte – so steht es in der Änderung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes – explizit auch zur Finanzierung von Projekten in Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP) genutzt werden. Im Unterschied zu konventionellen öffentlichen Investitionen – hier erbringen private Unternehmen nur die Bauleistung – sind im Rahmen von ÖPP private Akteur*innen bei der Planung, Ausführung und dem Betrieb der staatlichen Infrastruktur involviert. Geworben wird mit einer höheren Effizienz und Effektivität von Privatunternehmen, was ÖPP-Projekte insgesamt billiger mache. Nachvollziehbar sind solche Argumente nicht, schließlich zielt jede unternehmerische Tätigkeit darauf ab, einen Gewinn zu erwirtschaften. Allein deshalb ist es zweifelhaft, dass ÖPP wirtschaftlicher und kostengünstiger ausfallen kann als die Finanzierung, Sanierung und Bewirtschaftung der öffentlichen Infrastruktur in staatlicher Eigenregie. Zahlreiche Beteiligte wie Steuerberater*innen, Anlagevermittler*innen und Projektentwickler*innen verursachen unnötige Kosten. Zudem kommt es oft zu teuren und langwierigen Rechtsstreitigkeiten.
Ein weiteres gewichtiges Argument gegen ÖPP sind die häufig intransparenten Entscheidungsprozesse in den Parlamenten. Das liegt unter anderem daran, dass die Vertragswerke hochkomplex und enorm umfangreich sind. Außerdem unterliegen sie – wie bei allen privatrechtlichen Vertragswerken – einer hohen Geheimhaltung. Infolgedessen und wegen der Datenschutzbestimmungen wird das Parlament unzureichend informiert. Insofern sind eine demokratische Kontrolle und transparente öffentliche Diskussion über das Für und Wider von ÖPP-Projekten nicht möglich.
Nicht zuletzt führt die lange Vertragslaufzeit von bis zu 30 Jahren dazu, dass die Verträge nicht alle im Laufe der Zeit auftretenden Eventualitäten im Vorhinein regeln können. Damit sind häufig Nachverhandlungen erforderlich, die teuer sein können und unter Umständen mit Vereinbarungen verbunden sind, die für die öffentliche Hand nicht besonders günstig ausfallen. An konkreten Beispielen lässt sich zeigen, dass Investitionen auf Basis von ÖPP teurer ausfallen als konventionell durchgeführte öffentliche Investitionen: Im Bereich der Autobahnen lassen sich entsprechende negative Beispiele finden – zuletzt bei der Erneuerung der A 1 auf einer Länge von 73 Kilometern zwischen Hamburg und Bremen. Lange galt dieses Projekt als Vorzeigemodell – bis im Sommer des vergangenen Jahres das Betreiberkonsortium A 1 Mobil das Bundesverkehrsministerium vor einer „existenzbedrohenden Situation“ warnte, zusätzliche Finanzmittel verlangte und eine Klage über 640 Millionen Euro gegen die Bundesrepublik einlegte. Das deutschlandweit größte ÖPP-Projekt im Schulbereich scheitert gerade in Hessen im Landkreis Offenbach: Nach einer Prüfung des Hessischen Rechnungshofs aus dem Jahr 2015 ist mit einer Kostensteigerung in Höhe von 367 Millionen Euro (47 Prozent) bis zum Jahr 2019 zu rechnen.
Dauerhafte finanzielle Besserstellung der Kommunen ist notwendig
Dringend erforderlich ist eine dauerhafte Erhöhung der Bauinvestitionen im Schulbereich – und diese höheren Investitionen sollten konventionell und nicht in Form von ÖPP erfolgen. Zwar sind die Investitionsmittel des Bundes hilfreich, aber sie werden definitiv nicht ausreichen, um das bestehende Problem auch nur im Ansatz zu lösen.
Bedenklich ist es, dass bei den kommunalen Investitionen trotz der Investitionsfördermaßnahmen bisher keine Belebung auszumachen ist. Ein Grund dafür scheinen Engpässe im personellen Bereich zu sein: Wie im Wochenbericht 11 / 2017 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung nachzulesen ist, sei in den 20 Jahren von 1991 bis 2010 deutschlandweit die Zahl der mit Baufragen befassten Personen im öffentlichen Dienst der Kommunen um rund 35 Prozent gesunken. Die beiden Autoren Martin Gornig und Claus Michelsen schreiben, dass im darauffolgenden Zeitraum bis 2015 die Beschäftigtenzahl noch einmal um annähernd zehn Prozent zurückgegangen sei.
Um das Problem der maroden Schulen zu lösen, ist eine finanzielle Besserstellung der Kommunen erforderlich – auch, um das für den Baubereich zuständige Personal auf der kommunalen Ebene angemessen zu erhöhen. Kurzfristig angelegte und zu gering dimensionierte Investitionsfördermaßnahmen eignen jedenfalls nicht, um den Investitionsstau aufzulösen.
Dr. Kai Eicker-Wolf
Ökonom und Politikwissenschaftler sowie Referent für finanzpolitische Fragen der GEW Hessen, zuständig für Wirtschaftspolitik beim DGB Hessen-Thüringen
Fotos: Jonathan Schöps, hydra / photocase.de
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