Parteiencheck: Frühkindliche Bildung und Kita
Landtagswahl 2017
Die Landesregierung hat angekündigt, dass sie bei einer Wiederwahl ein neues Kita-Gesetz auf den Weg bringen wird. Es soll das von der GEW vielfach kritisierte Kinderbildungsgesetz (KiBiz) ablösen. Auch die anderen Landtagsfraktionen wollen ein neues Gesetz einführen oder das KiBiz reformieren. Die GEW NRW begrüßt das Vorhaben und hat gemeinsam mit ver.di und dem DGB NRW Forderungen formuliert: zu Personal, Öffnungszeiten, Finanzen und Gruppenstruktur. Was haben die Programme der Parteien zur Landtagswahl dazu zu bieten?
Personal: Mehr Wertschätzung & multiprofessionelle Teams
Die SPD will in NRW „für Gute Arbeit in der Kita sorgen“. Sie möchte die „Anerkennung für den Arbeitsplatz Kita erhöhen“ und damit eine faire tarifliche Bezahlung, sichere Arbeitsverhältnisse sowie ein gesundes und förderliches Arbeitsumfeld schaffen. Die Beschäftigten sollen genug Zeit für Vor- und Nachbereitung sowie Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten erhalten. Die SPD fordert zudem eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels. Die GRÜNEN wollen einen „rechtsverbindlichen Fachkraft-Kind-Schlüssel, der wissenschaftlichen Empfehlungen entspricht“, einführen. Sie wollen alle Tätigkeiten der Erzieher*innen und die Leitungszeit finanziell absichern und den Kitas ein höheres Fortbildungsbudget zur Verfügung stellen. Zudem fordern Die GRÜNEN einen „Personalmix aus Fachkräften mit Hochschulabschluss, Erzieher*innen und ergänzenden Kinderpfleger*innen“ sowie zur weiteren Entlastung zusätzliches Hauswirtschaftspersonal. Zudem sollen mehr Fachkräfte mit Migrationshintergrund beschäftigt werden und bi- sowie multikulturelle Konzepte Einzug halten. Die GRÜNEN wollen „Rahmenbedingungen schaffen, die eine bessere Bezahlung ermöglichen und den Ausbildungsberuf, gerade für Männer, attraktiver machen“. Gemeinsame Fort- und Weiterbildungen der beteiligten Fachkräfte sollen den Übergang zwischen Kita und Schule verbessern. DIE LINKE will die „Stellen der Sozial- und Erziehungsberufe ausbauen und gerecht bezahlen“.Die CDU verspricht, unter dem Stichwort „Wertschätzung für die gesellschaftlich bedeutende Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher“ über die Ausbildung und Bezahlung von Erzieher*innen nachzudenken. Die FDP will die duale Ausbildung für Erzieher*innen mit angemessener Vergütung und plant den Einsatz weiterer Fachkräfte in Kitas – zum Beispiel Logopäd*innen oder Kindheitspädagog*innen.
Finanzierung: Verantwortung des Bundes & Beitragsfreiheit
Die SPD will „eine qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung in den Kernzeiten kosten-frei anbieten“. Die Kernzeiten umfassen für sie 30 Stunden pro Woche. Unter der Maßgabe „Ungleiches ungleich behandeln“ will die SPD besondere finanzielle Unterstützung für „besondere Herausforderung“. Sie fordert eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes an den Kosten der frühkindlichen Bildung. Die GRÜNEN wollen bei der Kita-Finanzierung eine Anwendung von Sozialindikatoren einführen. Sie erklären als ihr grundsätzliches Ziel, Bildung von der Kita an beitragsfrei zu gestalten. DIE LINKE will ausreichende kostenfreie Ganztagsangebote für Kinder in Kitas und Schulen schaffen. Die CDU will die Kommunen beim bedarfsgerechten und flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung unterstützen und zudem eine „Förderung der kirchlichen, betrieblichen und privaten Initiativen“ erreichen. Nach Ansicht der FDP soll die Kindpauschale, das KiBiz-Instrument zur Ermittlung der Finanzierungskosten für Kitas, als „indexbasierte, also an Kostensteigerungen orientierte Kindpauschale“ eingeführt werden. Langfristig strebt die FDP Beitragsfreiheit an, allerdings habe die „Verbesserung der Betreuungsqualität Priorität“. Sie fordert bis dahin faire Höchstgrenzen für Elternbeiträge. Zudem steht die FDP für eine Erhöhung der Angebotsvielfalt, sodass auch gewerbliche und private Träger sowie Betriebskitas staatliche Förderungen erhalten sollen. Die AfD will eine Wahlfreiheit bei der Betreuung von Kleinkindern. Sie fordert einen materiellen Ausgleich für Eltern, „die sich selbst der Erziehung ihrer Kleinkinder widmen“. Ein „Erziehungsgehalt“ soll als „finanzielle Anerkennung elterlicher Erziehungsleistung“ gezahlt werden. Ein Krippenplatz für unter Dreijährige kostet ihrer Auffassung nach 1.200,- Euro monatlich.
Öffnungszeiten: Vereinbarkeit von Familie und Beruf & Ausbau von Kitaplätzen
Dem Wahlprogramm der SPD zufolge sollen Kitas weiter bedarfsgerecht ausgebaut werden. Sie will eine Flexibilisierung der Öffnungszeiten erreichen, um damit „passgenaue Lösungen für Eltern und ihre Kinder (zu) entwickeln.“ Sie fordert eine Ausweitung der Öffnungszeiten und Randbetreuungszeitmodelle.Auch die GRÜNEN fordern einen bedarfsgerechten Ausbau der Kitaplätze und für alle Kinder, deren Eltern das wünschen, soll ein Ganztagsplatz zur Verfügung stehen. DIE LINKE will „familienfreundliche Arbeit für Eltern und gute Ganztagsbildung für Kinder“ ermöglichen. Sie fordert dafür eine „kürzere Vollzeitarbeit und familienfreundliche Arbeitsbedingungen“ sowie „Teilzeitausbildungsplätze mit Kinderbetreuung“. Die CDU will eine „bedarfsgerechte, flächendeckende und qualitätsvolle Betreuungsinfrastruktur“ umsetzen. Sie fordert „Flexibilität hinsichtlich der Kinderbetreuung am Wochenende / in den Ferien“. Außerdem ist der Auffassung, dass „Arbeitgeber und Gewerkschaften als Tarifpartner (…) in gleicher Weise aufgefordert (seien), für familienfreundliche und familiengerechte Arbeitsplätze, flexiblere Arbeitszeiten und insgesamt für eine stärker an die Bedürfnisse von Familien angepasste Organisation von Arbeit zu sorgen.“Auch die FDP setzt sich für eine Flexibilisierung und Ausweitung der Betreuungs- und Öffnungszeiten orientiert an den Elternwünschen ein. Für die FDP ist auch das Modell der 24-Stunden-Kitas für Menschen in Schicht- und Nachtarbeit sinnvoll. Zudem fordert sie den Ausbau von Ü3- und U3-Plätzen.Die AfD fordert die „Aufklärung aller Eltern über die Bedürfnisse von Kleinkindern“, da ihrer Ansicht nach die meisten Eltern – nämlich „70 Prozent“ – ihre Kinder lieber zuhause betreuen wollen. Die Partei stellt fest, dass eine frühe Trennung von Kindern und Eltern „zu seelischem Stress, unter anderem einhergehend mit chronischem Anstieg des Stresshormons Cortisol mit nachhaltiger Schwächung des Immunsystems“ führt und „eine Häufung von seelischen und körperlichen Erkrankungen“ nachweisbar sei.
Die GEW NRW fordert: Mehr Geld für bessere Qualität!
Die GEW NRW fordert eine verbindliche Mindestpersonalbemessung sowie einen verbesserten Fachkraft-Kind-Schlüssel von 1 : 3 in der U3-Betreuung und 1 : 7,5 für über dreijährige Kinder. Um ihren Aufgaben – etwa der Umsetzung der Inklusion – gerecht zu werden, brauchen Kitas multiprofessionelle Teams. Sowohl Ausfallzeiten als auch Verfügungszeiten, also Zeiten, in denen unter anderem die Vorbereitung für die Arbeit mit den Kindern stattfinden soll, müssen mit einem Anteil von mindestens 25 Prozent berücksichtigt werden. Jede Kita braucht zudem eine Leitung und eine ständige Vertretung der Leitung.Für die Finanzierung von Personalkosten müssen die realen Kosten entsprechend des Personalschlüssels auf Basis des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) zugrunde gelegt werden. Finanzschwache Kommunen müssen mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet werden. Perspektivisch fordert die GEW NRW eine gebührenfreie Kita, allerdings nicht zulasten der Qualität. Solange Elternbeiträge erhoben werden, müssen sie landesweit einheitlich geregelt sein. Da der Bund und die Sozialkassen von dem Erfolg früher Bildung am meisten profitieren, ist die finanzielle Beteiligung des Bundes entsprechend einzufordern.Nach Ansicht der GEW NRW müssen sich Kita-Öffnungszeiten in erster Linie an den Bildungsbedarfen und dem Tagesrhythmus der Kinder orientieren und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Sie entbinden aber nicht die Arbeitgeber*innen von der Aufgabe, familienfreundliche Arbeitszeiten zu ermöglichen. Kinder sollten maximal neun Stunden täglich in der Kita verbringen. 24-Stunden-Kitas oder Nachtbetreuung wird es mit der Bildungsgewerkschaft nicht geben. Die Differenzierung zwischen Öffnungs- und Betreuungszeiten sowie die Verknüpfung von Betreuungszeiten und Elternbeiträgen kritisiert die GEW NRW scharf.
Joyce Abebrese
Referentin für Tarifpolitik der GEW NRW
Illustration: PureSolution / shutterstock.com
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