Die rechtspopulistische Gefahr

AfD-Erfolg bei den Landtagswahlen

Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt von März 2016 machen erschreckend deutlich: Der AfD scheint es zu gelingen, rechtspopulistische Positionen salonfähig zu machen. In allen drei Ländern gelang der Partei mit zweistelligen Ergebnissen der Einzug in die Landtage. Warum finden die Parolen so großen Anklang – auch bei Gewerkschafter*innen?

Ihre ersten Erfolgsmomente hatte die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) als rechte Anti-Euro-Partei. Doch mit der Abwahl ihres früheren Bundessprechers Bernd Lucke ging ein deutlicher Rechtsruck innerhalb der Partei einher, die ihre jüngsten Wahlerfolge als rechts der Unionsparteien stehende Anti-Einwanderungs-Partei errungen hat. Die AfD spielt zugleich eine parteipolitische Schlüsselrolle innerhalb der rassistischen Protestbewegungen gegen Flüchtlinge. Mit ihren Parolen gegen die „Altparteien“ profitiert sie zugleich von der steigenden Politikverdrossenheit und sammelt als rechte „Protestpartei“ die Stimmen der Unzufriedenen ein. Als parteipolitisches Dach unterschiedlicher rechter Milieus herrscht in der AfD Unklarheit über politisch-strategische Fragen: Während Teile der Partei laut über realpolitische Machtoptionen als Element eines neu entstehenden rechten Blocks nachdenken, erprobt der bekennend neurechte Parteiflügel den Aufstand auf der Straße als rechte „Bewegungspartei“.

Aktuelle Rekordergbenisse für die AfD – auch unter Gewerkschafter*innen

Ihren zweiten Aufstieg – nach ersten Wahlerfolgen mit dem Euro-Thema und dem innerparteilichen Machtwechsel im Sommer 2015 – verdankte die Partei der Debatte um Geflüchtete. Während sie noch Mitte 2015 bei Wahlumfragen bei um die fünf Prozent lag, weisen ihr ein knappes Jahr später Wahlprognosen eine mögliche Verdreifachung ihres Wählerpotenzials zu. Bei den Landtagswahlen im Frühjahr 2016 in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erreichte die AfD zweistellige Ergebnisse und in Sachsen-Anhalt erzielte sie ihr bisheriges Rekordergebnis von 24,2 Prozent.
Dabei hat die rechtspopulistische Partei nicht nur frühere CDU- und FDP-Wähler*innen sowie eine relevante Anzahl aus dem Lager der Nichtwählerschaft ansprechen können. Mit sozialpopulistischen Ansprachen als „Partei der kleinen Leute“ gelang ihr auch ein deutlicher Einbruch in das linke Wählerlager. Auch Gewerkschaftsmitglieder haben die rechtspopulistische Partei gewählt – laut Auswertung der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen in allen drei Bundesländern sogar leicht über dem Gesamtdurchschnitt der AfD-Wählerschaft. Damit stellt die rechtspopulistische Partei die Gewerkschaften vor neue Herausforderungen: Denn trotz ihrer gewerkschaftsfeindlichen Ausrichtung und ihrer in großen Teilen neoliberalen und fremdenfeindlichen Programmatik finden ihre sozialpopulistischen und zugleich rassistischen Parolen Anklang in Teilen des gewerkschaftlichen Milieus.

Unzufriedenheit und Unsicherheit – der Nährboden für rechte Agitation

Eine neoliberale Krisenpolitik in Europa zugunsten von Banken und Konzernen und auf Kosten der breiten Bevölkerung sowie fehlende alltagstaugliche Politikangebote haben in breiten Kreisen der Arbeitnehmerschaft zu Unzufriedenheit, Unsicherheit und politischer Desillusion geführt. Diese Krise des Politischen ist ein wesentlicher Nährboden für den Aufstieg des Rechtspopulismus: Rechtsextreme Parteien wie die französische „Front National“ (FN) bauen darauf ihre Erfolge auf: Sie bieten simple Feindbilder für komplexe Problemlagen und hetzen die verunsicherten angestammten Bevölkerungsteile gegen ihre eigenen Mitbürger*innen mit Migrationshintergrund auf.
Gegen die „volksfeindliche Politikelite“, so der einhellige Tenor, müsse ein „Aufstand des Volkes“ entfacht werden, als dessen Anwälte sich die Rechtspopulist*innen inszenieren. Dabei wird der Begriff des Volkes umgedeutet, um bestehende politische Interessensgegensätze und soziale Unterschiede zu verschleiern: „Das Volk“ im rechtspopulistischen Vokabular erscheint als ethnisch und sozial homogen und hat angeblich einen einheitlichen Willen. Interessensgegensätze zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen, zwischen Armen und Reichen werden damit ausgeklammert. Diese Ansprache basiert auf einer klassisch rechten Agitation, die hierzulande in pervertierter Form in der Nazi-Propaganda wirkungsmächtig geworden ist. „Volksgemeinschaft statt Klassenkampf“ lautete die Nazi-Parole, mit der 1933 zum Sturm auf die Gewerkschaftshäuser mobilisiert wurde.
Die heutigen Rechtspopulist*innen wissen, dass mit offenen Nazi-Parolen breite Wählerschichten eher abgeschreckt werden. Sie verpacken ihre gewerkschaftsfeindliche Stoßrichtung in einen Sozialpopulismus mit nationalistischer Stoßrichtung. So gelang der rechtspopulistischen „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ) mit Parolen wie „Unser Geld für uns’re Leut‘“ ein Einbruch in das Wählerlager der österreichischen Sozialdemokratie. Die FPÖ und sogar die offen rechtsextreme FN gelten innerhalb der AfD als Vorbilder sowie als potenzielle Bündnispartner. 

Gefährliches Identifikationspotenzial und dumpfe Parolen

Inhaltlich hingegen stehen rechtspopulistische Parteien allgemein und auch speziell die AfD für eine Politik, die gegen die organisierte Arbeitnehmerschaft gerichtet ist. Forderungen nach Privatisierung  von Unfall- und Gesundheitsversicherung sowie nach Einschränkung oder gar Abschaffung des Arbeitslosengeldes – wie es die Entwürfe für die Erstellung des AfD-Parteiprogramms sichtbar machen – belegen dies. Doch es sind in erster Linie die rechtspopulistischen Identitätsangebote, die Wirkungen zeigen: Das Angebot, Teil einer „nationalen Gemeinschaft“ zu sein und eine politische Kraft zu unterstützen, die endlich „aufräumt“ und die Politik „reinigt“ von ihren „Volksfeinden“.
Dass solche dumpfe Parolen Anklang finden, hat viel mit Unsicherheit, Geschichtsvergessenheit und mit fehlenden ansprechenden demokratischen Angeboten zur Veränderung von sozialer Unsicherheit und Desintegration zu tun. Den simplifizierenden und falschen rechtspopulistischen Antworten müssen deshalb demokratische Alternativen entgegengesetzt werden. Es muss den verunsicherten Menschen verdeutlicht werden, dass Nationalismus und Rechtspopulismus ihre gesellschaftliche Lage nicht verbessern. In Ungarn unter dem Rechts-populisten Orban geht es den einfachen Leuten nicht besser als vorher. Sie können sich unter den dort vorherrschenden postdemokratisch-autoritären Verhältnissen nicht mehr frei artikulieren und gegen Missstände protestieren.
Die AfD will in die Fußstapfen der FPÖ treten und bei den Bundestagswahlen 2017 ihren machtpolitischen Durchbruch erringen. Das Zeitfenster zur Unterbindung einer Etablierung des Rechtspopulismus in Deutschland wird enger: Die Landtagswahlen in NRW im kommenden Frühjahr werden ein entscheidender Gradmesser dafür sein, ob der AfD dies gelingen wird. Unklar ist bislang, ob in Politik und Gewerkschaften die Tragweite dieser möglichen Entwicklung ausreichend erörtert worden ist. 

Der Text basiert auf Auszügen aus „Neue soziale Bewegung von rechts? Zukunftsängste– Abstieg der Mitte – Ressentiments“, herausgegeben von Alexander Häusler und Fabian Virchow. Das Buch erscheint im April 2016 im VSA-Verlag, Hamburg.

Alexander Häusler 
Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsschwerpunktes Rechtsextremismus / Neonazismus der Hochschule Düsseldorf 

Foto: Nejron Photo / shutterstock.com

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