Hochschulfinanzierung: Exzellent kaputtgespart

Kürzungen an Hochschulen

Die zweite Runde der Exzellenzinitiative geht zu Ende und der Hochschulpakt IV verzögert sich weiter: Die massive Finanzierung über Drittmittel zwingt viele Hochschulen zu Kürzungen und Umstrukturierungen.

Während Gewerkschaften und Studierende seit Langem die Drittmittelorientierung im Hochschulwesen kritisieren, rühmen sich Universitätsleitungen ihrer Drittmittelquoten und kürzen parallel weitgehend geräuschlos. Wo es Protest gibt, wird beschwichtigt: Die Gesamtmittel seien fast doppelt so hoch wie noch vor zehn Jahren. Man sei selbst schuld, habe die Baukosten nicht im Griff oder müsse lernen, mit schwankenden Budgets besser umzugehen.
Richtig ist: Die Gesamtmittel der Hochschulen in NRW sind in den vergangenen Jahren tatsächlich erheblich gestiegen. Das spiegelt aber lediglich die Entwicklung der Studierendenzahlen wider und ändert nichts an der seit den 1970er-Jahren herrschenden, politisch verantworteten Unterfinanzierung der Hochschulen. Das Wachstum ging einher mit erheblichen Umstrukturierungen, durch die einige wenige Bereiche massiv Gelder gewonnen und viele andere scheibchenweise verloren haben.

Zunehmende Finanzierung über Drittmittel

Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass die sogenannten Grundmittel – also das Budget, das die Hochschulen regelmäßig zur freien Verfügung vom Land zugewiesen bekommen – in den vergangenen Jahrzehnten nahezu konstant war. Die sogenannten Drittmittel, also befristete und zweckgebundene Mittel, auf die sich die Hochschulen bewerben, sind hingegen massiv gestiegen. Der Löwenanteil dieser Drittmittel kommt aus der öffentlichen Hand, weil die Industrie sich wegen der kritischen öffentlichen Diskussion als Drittmittelgeber mehr und mehr zurückzieht. Im Wesentlichen ist auch die Exzellenzinitiative ein staatliches Drittmittelprogramm, das große Aufmerksamkeit auf sich zieht, weil sehr viel Geld auf einmal vergeben wird und das Verfahren von umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit aller Beteiligten begleitet wird.

Wissenschaft unter Anpassungsdruck

Die verstärkte Finanzierung über Drittmittel hat weitreichende Folgen für die Hochschulen. Im Kern der hochschulinternen Debatte steht nicht mehr, worin eine sinnvolle Weiterentwicklung der eigenen Arbeit besteht, sondern womit man Gutachter*innen am besten beeindrucken kann. Dementsprechend spitzt sich die Konkurrenz bei populären Themen wie beim „Quantencomputing“ zu, während andere Themen brachliegen.
Drittmittel finanzieren in der Regel zweckgebunden ausschließlich die Geräte und die direkt in die Projekte involvierten Kolleg*innen. Gebäude, Bibliotheken, Sekretariate, zugehörige Lehre, Zulagen bei Berufungen und häufig auch weitere Stellen für Wissenschaftler*innen legen die Hochschulen aus Grundmitteln obendrauf. Die Höhe dieser Kosten ist sehr unterschiedlich und schwer abzugrenzen. Aktuelle Schätzungen der Universität zu Köln gehen von 70 Cent pro eingeworbenem Euro aus. Manche Drittmittel-geber wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft stellen zur Deckung dieser Kosten einen sogenannten Drittmittel-Overhead zur Verfügung, der aber typischerweise bei 20 Prozent der eingeworbenen Mittel liegt, sodass der Großteil dieser Mittel durch Kürzungen in anderen Hochschulbereichen kompensiert werden muss.
Drittmittel sind grundsätzlich befristet. Zahlreiche Drittmittelprogramme wie die Exzellenzinitiative machen zur Auflage, dass die Mittel nicht zur Weiterfinanzierung bestehender Arbeitsbereiche verwendet werden dürfen, sondern ausschließlich zum Aufbau neuer Bereiche. Gleichzeitig müssen die Hochschulen garantieren, dass die neuen Bereiche über die Drittmittelfinanzierung hinaus dauerhaft Bestand haben.
Die Hochschulen strukturieren aus diesen Gründen regelmäßig massiv um, was die unbefristete Einstellung von Kolleg*innen erheblich erschwert.

Zweite Runde der Exzellenzinitiative und Hochschulpakt III laufen aus

Die Lage spitzt sich weiter zu: Derzeit läuft die zweite Runde der Exzellenzinitiative aus. In der Folge müssen Hochschulen für jeden Euro, den sie in den vergangenen sieben Jahren bekommen haben, nicht nur wie bisher 70 Cent zuzahlen, sondern die gesamten 1,70 Euro zahlen. Hinzu kommt, dass der Hochschulpakt III – die befristeten Gelder für die gestiegenen Studierendenzahlen – ausläuft und sich der Hochschulpakt IV verzögert. Die schwarz-gelbe Landesregierung fühlt sich zudem nicht an die mündliche Zusage der rot-grünen Vorgängerregierung gebunden, einen Teil der Stellen aus der zweiten Runde der Exzellenzinitiative zu übernehmen.
Angesichts der laufenden Bewerbungen für die dritte Runde der Exzellenzinitiative versuchen die Hochschulen, in der Öffentlichkeit zu glänzen. Finanzierungsprobleme und Kritik an der NRW-Landesregierung passen nicht ins Programm. Die Politik wird also nicht herausgefordert, trotz sprudelnder Steuereinnahmen die Hochschulfinanzierung zu verbessern und den Hochschulpakt IV auf den Weg zu bringen.

Ehrliche Debatte um die Hochschulfinanzierung ist dringend notwendig

Das ist umso ärgerlicher, weil berechtigte Kritik in den vergangenen Jahren durchaus gewirkt hat: So war ursprünglich nur ein Hochschulpakt geplant und die in der Exzellenzinitiative strukturell angelegte Trennung von Lehre und Forschung ist weitgehend ausgeblieben. Fachbereiche sind unabhängig von der Anzahl der Studierenden gleichermaßen in Lehre und Forschung gewachsen oder gekürzt worden. Die dritte Runde des Hochschulpakts trägt dem Rechnung: Gelder werden erstmalig dauerhaft vergeben und dürfen zum Teil in bestehenden Bereichen eingesetzt werden.
Die aktuelle Debatte an den Hochschulen zu den finanziellen Kürzungen ist dagegen scheinheilig und das Prozedere durchschaubar: Im ersten Schritt wird oft der vermeintlich kostenneutrale Aufbau neuer, exzellenzversprechender Bereiche in Forschung und Lehre beschlossen. Später ist von einem überraschend aufgetretenen strukturellen Defizit die Rede, das solidarisch auf alle Bereiche verteilt wird. Und zuletzt wird die Einstellung eines Studiengangs beschlossen, weil er angesichts der Kürzungen der vergangenen Jahre nicht mehr finanzierbar sei. Das zeigt einerseits, dass es heute nicht mehr möglich ist, die Exzellenzprogrammatik offen durchzuziehen, und dass Maßnahmen wie 2007 in Dortmund die Schließung ganzer Fachbereiche sowie die Umbenennung von Universität in TU zur besseren Exzellenztauglichkeit nicht ohne Weiteres Mehrheiten in den Gremien finden. Andererseits kommt dadurch eine unzeitgemäße Defensivität in Bezug auf die Entwicklung und Durchsetzung von Gegenkonzepten zum Ausdruck.

Was ist jetzt zu tun?

Nach dem Gesetz haben Dekanate und Rektorate weitreichende Befugnisse, Gelder in den Hochschulen nach Belieben zu verteilen, die tatsächlichen Kosten von Exzellenzprojekten intransparent kleinzurechnen, um sie mehrheitsfähig zu machen, und die Hochschulräte gegen die Gremien auszuspielen. Dennoch ist es nicht nötig, auf eine Gesetzesänderung zu warten, weil sich in der Realität kaum ein Rektorat trauen wird, einen Senatsbeschluss zu ignorieren. Sollte das doch der Fall sein, gäbe es immerhin eine öffentlichkeitswirksame Diskussion über die problematische Gesetzeslage und die Finanzierung der Hochschulen. Es kommt vor allem darauf an, dass die Hochschulen eine Gegenprogrammatik zur Exzellenzinitiative entwickeln.
Ein erster Schritt dazu wäre, in der aktuellen Debatte um die von der Landesregierung geplante Streichung der Zivilklausel aus dem Hochschulgesetz eindeutig Position zu beziehen. Die Hochschulen sollten also nicht nur beteuern, sich auch ohne gesetzliche Regelung Frieden, Demokratie und Nachhaltigkeit verpflichtet zu fühlen. Sie würden vielmehr zeigen, dass die gesetzliche Regelung auch die Landesregierung in die Pflicht nimmt, die entsprechenden finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen.


Stefan Brackertz
Mitglied im Sprecher*innenteam des Landesausschusses für Studierende der GEW NRW

Fotos: b-fruchten, Perian80 / photocase.de

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