Landtagswahl 2017: Verantwortung tragen

Grenzen eines Politikstils

Die Schulpolitik der rot-grünen Landesregierung war – anders als die ihrer Vorgänger – geprägt von Konsenssuche und Ermöglichungsstrategien. Doch die Legislaturperiode zeigt: Das hat Grenzen.

Basta-Politik haben nicht nur sozialdemokratische Kanzler praktiziert. Sie war vielmehr auch lange Jahre geübte Praxis von Schulminister*innen unterschiedlicher Couleur. Ein Element dieses Politikstils war der Hochmut, aus Düsseldorf durchregieren zu können. Dass es nicht selten noch nicht einmal einheitliches Handeln der fünf nachgeordneten Bezirksregierungen gab, hat dabei ganz offenbar nur wenig irritiert.

Mehr Beteiligung an der Schulpolitik

Vor diesem Hintergrund war es wohltuend, dass Governanceprozesse nach dem Regierungswechsel 2010 ein wesentliches Element der Schulpolitik wurden. Educational Governance wurde zu einem Markenzeichen der Schul- und Bildungspolitik von SPD und Grünen. Damit ist der Versuch gemeint, Handlungsbeiträge einer Vielzahl von staatlichen und nicht staatlichen Akteur*innen zu koordinieren. Diese Akteur*innen – zum Beispiel Eltern- und Schüler*innenverbände, Kirchen, Gewerkschaften oder die viel beschworene kommunale Familie – sollen Gestaltungsmöglichkeiten nutzen (können), die weitergehen als in gesetzlich fixierten Beteiligungsverfahren üblich. Das parlamentarische Verfahren erfolgt nach der Einbeziehung dieser Akteur*innen aus dem Bildungsbereich.

Bereits vier Monate nach dem Regierungswechsel 2010 luden Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Schulministerin Sylvia Löhrmann zu einer Bildungskonferenz mit mehr als 100 Teilnehmer*innen ein. Der Schulkonsens mit der erforderlichen Verfassungsänderung wäre vielleicht auch im rein parlamentarischen Verfahren möglich gewesen, die Vorbereitung in der Bildungskonferenz hat aber sicher geholfen, die Zweidrittelmehrheit im Landtag zu erreichen.

Zunächst auf gutem Weg war der Versuch, die offensichtlichen Probleme der von CDU und FDP durchgesetzten Variante der Schulzeitverkürzung in einem an Dialog und Beteiligung orientierten Verfahren zu beheben. Das Ministerium bat zum Runden Tisch. Die Akteur*innen berieten und verabredeten Empfehlungen an die Landespolitik. Legislative und Exekutive setzten um. Alles umsonst. Eine wichtige Interessengruppe schwenkte um, die Landtagswahl rückte näher und alle politischen Entscheidungsträger in Parteien und Fraktionen waren an der Umsetzung des gefundenen Konsenses nicht mehr interessiert. Schlecht für die Regierenden, denen nun um die Ohren fliegt, was die jetzige Opposition verursacht hat. Dennoch sollte an dieser Verfahrensweise nach dem 14. Mai 2017 festgehalten werden.

Politik der Ermöglichung

Weiteres Wesensmerkmal der Bildungspolitik der vergangenen Jahre war die sogenannte Politik der Ermöglichung. Eine Variante der Steuerung, die durch die Verlagerung von Kompetenzen auf untere Ebenen kostengünstiger und zielgenauer sein soll. Legislative und Exekutive auf Landesebene nutzen dies zunehmend, um sich aus der Verantwortung für offensichtliche Fehlentwicklungen zu stehlen:

  • Schulschließungen? Wir geben nur den Rahmen vor, wir schließen keine Schulen — ein Mantra gegenwärtiger Landespolitik, das kontinuierlich vorgetragen wird.
  • Qualitätsstandards für Inklusion und Steuerung des Prozesses vor Ort? Wir finanzieren Koordinator*innen sowie Berater*innen und halten uns ansonsten heraus. Würden wir engere Vorgaben machen und Standards setzen, müssten wir sie ja auch finanzieren.
  • Teilstandorte? Wir setzen den Rechtsrahmen, die Schulträger entscheiden. Nicht gut, wenn es dann dazu kommt, dass Förderschulen bis zu sieben Standorte haben.
  • Schulbaurichtlinien? Wir haben uns mit den Schulträgern vor Jahren darauf geeinigt, keine Vorgaben (mehr) zu machen. Schade, aber unvermeidlich, dass wir uns ständig weiter entfernen von gleichen Bildungschancen in NRW.

An vielen Stellen haben SPD und Grüne so das Verursacherprinzip schlicht außer Kraft gesetzt. Die sinnvolle Ausweitung von Gestaltungsmöglichkeiten mutierte oft zur schlichten Deregulierung, die viel zu häufig zur Folge hatte, dass sich Lern- und Arbeitsbedingungen verschlechterten. Künftige Schulpolitik auf Landesebene muss mehr Verantwortung für die Umsetzung und das Gelingen vor Ort übernehmen. Dabei muss klar sein, dass der Definition von Aufgaben auch die Bereitstellung von Ressourcen folgen muss.

 

Michael Schulte
Geschäftsführer der GEW NRW

Foto: Z2sam / photocase.de

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