(Weiter-)Bildung als Schlüssel

Der dritte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung beschreibt Bildung als Schlüssel für Teilhabe und Integration. Sie schließt nicht nur Zugänge zu Arbeitsmarkt und Erwerbstätigkeit auf, sondern auch zur sozialen, politischen und kulturellen Teilhabe. Besorgniserregend vor diesem Hintergrund ist es, dass die soziale Selektivität des Bildungswesens bislang nicht gedämpft werden konnte, die sich auch in der Weiterbildung fortsetzt. Das Resultat: Nicht alle Bevölkerungsgruppen können in gleichem Maße von Weiterbildung profitieren – so auch ein Teil der Personen, die selbst oder deren Eltern nach Deutschland zugewandert sind. Dies zeigen etwa die aktuellen Ergebnisse des Adult Education Survey. Demzufolge sind Erwachsene mit Migrationshintergrund besonders in der betrieblichen Weiterbildung unterrepräsentiert. Auch Analysen auf Basis des Nationalen Bildungspanels zeigen diese Tendenz, aber nicht gleichermaßen für alle Personengruppen: So weist die zweite Generation von Zugewanderten in allen Weiterbildungssegmenten höhere Teilnahmequoten auf als die erste. Die ungleiche Weiterbildungsbeteiligung allein mit dem Merkmal „Migrationshintergrund“ zu erklären, greift daher deutlich zu kurz. Stattdessen ist er mit vielen weiteren Faktoren verknüpft, die unterschiedliche Lösungsansätze für mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit erfordern.

Teilhabebarrieren gezielt abbauen

Der schulische und berufliche Erfolg in Deutschland ist stark an sozialstrukturelle Faktoren gekoppelt, wobei Zugewanderte häufiger untere Positionen einnehmen und damit in einem beruflichen Arbeitsumfeld tätig sind, das geringe Möglichkeiten für qualifikatorische Weiterentwicklung eröffnet. Gleichzeitig wird ihre wenig attraktive Stellung auf dem Arbeitsmarkt durch die fehlende Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen mitverursacht. Zugewanderte sind häufiger von sprachlichen Barrieren betroffen und erhalten seltener Informationen über geeignete Weiterbildungsangebote aus ihrem sozialen und beruflichen Umfeld als Personen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Insofern hängt die Teilhabe an Weiterbildung nicht allein von den Teilnehmenden ab, sondern auch von äußeren Faktoren. Wenn auch ein Migrationshintergrund in zweiter Generation durch bessere schulische und berufliche Qualifikationen eine stärkere Beteiligung an Weiterbildung bedeutet: Der Anteil der ersten Generation wird auch zukünftig – etwa durch Fluchtmigration – hoch bleiben. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um die spezifischen Teilhabebarrieren abzubauen.

Umfassende Herausforderungen, differenzierte Lösungen

Die Weiterbildung ist gefordert, die Interessen und Bedarfe dieser vielfältigen Bevölkerungsgruppe zu erschließen und zu identifizieren, damit diese neben zielgruppenspezifischen Deutsch-, Grundbildungs- und Integrationskursen auch von den Regelangeboten etwa zu politischen, kulturellen, gesundheits- oder persönlichkeitsbezogenen Themen stärker profitieren kann. Dabei bieten zielgruppenspezifische Angebote eine gute Gelegenheit, die Teilnehmenden für das Regelangebot der Einrichtungen zu gewinnen. Auch erste Beratungsangebote zu Weiterbildungs- und Fördermöglichkeiten können hier gemacht werden. Um migrationsbedingte Vielfalt in der Weiterbildung umfassend zu fördern, müssen gleichwohl weitere Organisationsebenen einbezogen werden: Prozesse der Personalgewinnung und -entwicklung, der Angebotsentwicklung und Teilnehmergewinnung sind darauf zu überprüfen, inwieweit sie die Weiterbildungsteilhabe von Erwachsenen mit Migrationshintergrund unterstützen. Politisches Handeln darf den Weiterbildungsbereich nicht länger nur am Rande berücksichtigen, sondern muss die Anerkennung von Bildungs- und Berufsqualifikationen ermöglichen sowie Förderanreize im Bereich des Lebenslangen Lernens schaffen. Wer gleiche Teilhabechancen schaffen will, muss den Kreislauf aus gering qualifizierter Beschäftigung, geringer Weiterbildungsteilhabe und ungleichen Zugangschancen zum Arbeitsmarkt durchbrechen. Das wird nur im Zusammenwirken aller gesellschaftlicher Akteure möglich. 

Halit Öztürk
Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Erziehungswissenschaft,
Arbeitsbereich Erwachsenenbildung / Weiterbildung

Foto: Khakimullin Aleksandr/shutterstock.com

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