Bildungskoordination für Neuzugewanderte

Bildung vor Ort gestalten und Orientierung geben

Bildung ist entscheidend, damit die Integration von Neuzugewanderten gelingt. Umso besser, wenn schon auf kommunaler Ebene alle Bildungsakteure an einem Strang ziehen. Wie sehen die Bildungsstrukturen für Neuzugewanderte vor Ort aus? Wo liegt der Mehrwert einer kommunalen Bildungskoordination für diese Zielgruppe und wie kann sie gelingen?

Angesichts der gestiegenen Zuwanderung in den vergangenen Jahren – insbesondere seit 2015 – engagieren sich viele kommunale Akteure verstärkt in der Integrationsarbeit mit vielfältigen formalen, non-formalen und informellen Angeboten entlang der Bildungsbiografie. Ihr Fokus liegt auf dem Spracherwerb, der Integration in Arbeit und Ausbildung, der Begegnung in Kultur sowie auf Sport und Freizeit.

Mehr Überblick im Angebotsdschungel

Bildungslandschaften in den Kommunen sind durch zahlreiche Bildungsanbieter geprägt. Für Neuzugewanderte ist es schwierig, die Angebotsvielfalt zu überblicken. Das breite Spektrum stellt selbst Bildungsakteure vor die Herausforderung, passgenaue Angebote für die individuellen Bedürfnisse von Neuzugewanderten herauszufiltern.
Um einen Überblick zu gewinnen und um eine Abstimmung der beteiligten Akteure untereinander zu ermöglichen, wurden seit 2016 Stellen für die „Kommunale Koordinierung der Bildungsangebote für Neuzugewanderte“ geschaffen, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung befristet finanziert werden. Antragsberechtigt sind alle Kreise und kreisfreien Städte. Rund 320 Kommunen sind mittlerweile am Programm beteiligt. Circa 450 Koordinator*innen wurden sukzessive eingestellt und sind seitdem bundesweit aktiv.

Zugewanderte besser in das kommunale Bildungssystem integrieren

Die Bildungskoordinator*innen tragen mit ihrer Arbeit in den Kommunen wesentlich dazu bei, die Bildungssituation von Neuzugewanderten zu analysieren, Lücken in den Angebotsstrukturen und Zugängen aufzudecken sowie für eine Durchschaubarkeit der Bildungsstruktur zu sorgen.Sie konzipieren bedarfsorientiert Maßnahmen und erarbeiten Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung der Bildungslandschaft für Neuzugewanderte, um sie besser in das kommunale Bildungssystem zu integrieren.
Idealtypisch ist der Prozess der kommunalen Bildungskoordinierung für diese Zielgruppe in mehrere Phasen gegliedert: von der Planungsphase über die Umsetzungsphase bis zur Abschlussphase (siehe Abbildung). Nach jedem Schritt ist eine wechselseitige Rückkoppelung möglich. So ist eine fortlaufende Überprüfung der Zielausrichtung gewährleistet und die Vorgehensweise kann bei Bedarf mit den beteiligten Bildungsakteuren abgestimmt werden.

Mit gutem Beispiel voran: Pre-Alphakurse und „Mobile Übersetzung“

Ein Blick in die Praxis zeigt, wie es bisher gelungen ist, Ressourcen zu bündeln, bedarfsorientierte Konzepte zu entwickeln und Projekte für die Zielgruppe der Neuzugewanderten umzusetzen.
Modellhaft hat eine Bildungskoordinatorin für die in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Kommunen in Zusammenarbeit mit anderen lokalen Akteuren beispielsweise Pre-Alphakurse konzipiert. Die niedrigschwellig angelegten Sprachangebote richten sich an  Zielgruppen, die bisher noch keinen Zugang zu regulären Sprachkursangeboten in der Region haben, weil ihnen beispielsweise die Teilnahmeberechtigung fehlt. Solche Maßnahmen führen Neuzugewanderte an das Lernen heran, bereiten sie auf den Umgang mit Büchern und Schreibmaterial vor und bieten ihnen Austauschmöglichkeiten innerhalb einer multikulturellen Gruppe.
Ein weiteres Beispiel ist das Pilotprojekt „Mobile Übersetzung“ im Schulalltag, das das ehrenamtliche Engagement von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte stärkt. Sie werden als gleichberechtigte Akteure dabei unterstützt, sich als Sprachmittler*innen auf ehrenamtlicher Basis in den Integrationsprozess einzubringen. Durch neutrale und kultursensible Übersetzung verbessert das Projekt so zugleich den Informationsfluss zwischen den Lehrkräften und den Eltern. Die Kommunikation mit den Sprachmittler*innen erfolgt  wahlweise auf drei Arten: mithilfe eines Tablets via Skype über Audio-Telefonie oder persönlich vor Ort. Mit dieser vielfältigen Herangehensweise erhalten insbesondere neuzugewanderte Eltern Unterstützung, um sich stärker für die Interessen ihrer Kinder einsetzen zu können.

Bessere Vernetzung vor Ort beugt Parallelstrukturen vor

Eine gemeinschaftliche Bildungsgestaltung und Vernetzung vor Ort sind sinnvoll, damit sich Zugewanderte in ihrer neuen Umgebung orientieren und langfristig ihren Platz in der Gemeinschaft finden. Zugleich sind alle, die haupt- oder ehrenamtlich im Handlungsfeld Bildung aktiv mitwirken, auf Kooperationen mit Gleichgesinnten angewiesen, damit Vorhaben in puncto Bildung gelingen können. Die Motivation, zusammenzuarbeiten, wird nicht zuletzt dadurch angeregt, dass potenzielle Netzwerkpartner Bedarfe erkennen, für deren Abdeckung die eigenen notwendigen Ressourcen fehlen. Wer im Handlungsfeld Bildungsteilhabe für Neuzugewanderte etwas bewegen will, muss sich mit anderen Bildungsakteuren verständigen, Ziele aushandeln und gemeinsame Strategien entwickeln. Auf diese Weise werden vor allem Parallelstrukturen vermieden.
Die Rolle einer koordinierenden Instanz ist dabei entscheidend. Sie moderiert als treibende Kraft die Abstimmungsprozesse zwischen den Netzwerkpartnern. Sie kann vermittelnd zwischen Bildungsakteuren innerhalb und außerhalb der kommunalen Verwaltung wirken und hat damit teilweise auch eine intermediäre Funktion. Sie greift auf funktionierende und bereits etablierte Netzwerke für das Zusammenwirken zurück und schafft geeignete Strukturen für neue Arbeitsbündnisse.
Welche Vorteile eine wirkungsvolle, kommunale Steuerung der Bildung für Neuzugewanderte bietet, liegt somit auf der Hand: Vorhandenes Fachwissen über die Bildungslandschaft und ihre bestmögliche Gestaltung können konzentriert und gezielt eingesetzt und die daraus entstehenden Synergien effizient genutzt werden.
Für eine kontinuierliche Zusammenarbeit unterschiedlicher Bildungsakteure sind gegenseitiges Vertrauen, Wertschätzung, Fairness und Verlässlichkeit unbedingte Voraussetzungen. Lasten und Risiken werden gleichmäßig auf viele Schultern verteilt und die Chance steigt, auch politisch Einfluss zu nehmen. Enge Kooperationen mit unterschiedlichen Bildungsanbietern sowie den relevanten kommunalen Stellen im Bereich der Bildungsförderung unterstützen die Akzeptanz der jeweils ergriffenen Maßnahmen. Sie stärken das gegenseitige Verständnis und erzeugen ein Wir-Gefühl.

Regionen fit machen für die Bedürfnisse der Einwanderungsgesellschaft

Bildungskoordinator*innen legen Problemlagen und Bedarfe offen, zeigen Entwicklungen auf und setzen Impulse für die Weiterentwicklung der Bildungslandschaft auf lokaler Ebene. Damit sorgen sie dafür, dass die Bildungsarbeit für Neuzugewanderte in den Kommunen aufgewertet und professionalisiert wird. Ihre Arbeit führt zu einer wirksameren Strategie, die die am Bundesprogramm beteiligten Regionen befähigt, den Bedürfnissen einer modernen Einwanderungsgesellschaft besser gerecht zu werden.


Dr. phil. Nadia Kraam
Erziehungswissenschaftlerin und Autorin

Foto: -JULIANO / photocase.de

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