Tarifpolitik ist auch Landespolitik
Es ist Silvester. Der letzte Tag des Jahres 2016 neigt sich dem Abend zu. „Dinner for one“, die alljährliche Kultsendung, ist noch nicht über die Bildschirme gelaufen. Im Hinblick auf die Tarifrunde 2017 für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder frage ich mich aber schon jetzt: „Same procedure as every year“? „Every year“, das stimmt so nicht mehr, seit die Arbeitgeberseite in den letzten Tarifrunden jeweils eine zweijährige Laufzeit durchsetzen konnte. Aber: „Same procedure“?
Wissenslücken und falsche Ansichten
Im abgelaufenen Jahr sind mir bei verschiedenen GEW-Aktionen in Gesprächen mit Landtagsabgeordneten zwei Dinge aufgefallen. Erstens: Über die Situation der Tarifbeschäftigten an Schulen wissen viele Abgeordnete wenig. Sie wissen zum Beispiel nicht, dass die Eingruppierung nicht zur Ausbildung und Tätigkeit passt und eine zu niedrige Bezahlung zur Folge hat. Sie wissen nicht, dass die Arbeitszeit nicht der tariflichen Arbeitszeit des sonstigen öffentlichen Dienstes entspricht, sondern genauso hoch ist wie die Arbeitszeit der Beamt*innen. Und sie wissen nicht, dass Tarifbeschäftigte bei Mehrarbeit wie Beamt*innen behandelt werden, bei Krankheit und Rente aber nicht.
Zweitens – und dieser Punkt ist noch gravierender: Viele Abgeordnete denken, dass die Landesregierung nichts mit der Eingruppierung und der Vergütung der Tarifbeschäftigten zu tun hat, sondern nur für die Beamtenbesoldung zuständig ist. Für die Tarifbeschäftigten – die Lehrer*innen, die Werkstattlehrer*innen, die Fachlehrer*innen, die sozialpädagogischen Fachkräfte in der Schuleingangsphase, die Sozialpädagog*innen und die Schulsozialarbeiter*innen – werden schließlich Tarifverhandlungen zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und den Gewerkschaften geführt. Das ist richtig. Aber wer vertritt denn die Arbeitgeberseite in der TdL?
In der Regel sind es die Finanzminister*innen der Länder. Denn natürlich sind die Landesregierungen als Arbeitgeber der Landesbeschäftigten die Verhandlungspartner der Gewerkschaften. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat 2010, und erneut 2012, entschieden, dass sich Finanzminister Norbert Walter-Borjans in seiner Funktion als Vorsitzender des Arbeitgeberverbands NRW durch seinen Beauftragten Bernd Pieper in der TdL vertreten lässt. Mit diesem Schritt ist das Land aber nicht aus der Verantwortung entlassen, sondern sitzt selbstverständlich mit am Verhandlungstisch in Potsdam.
Das Land muss Verantwortung wahrnehmen!
Wir von der GEW NRW erwarten, dass sich das Land NRW zukünftig stärker einbringt. Denn: Mehr als 20 Prozent der Beschäftigten in unseren Schulen sind keine Beamt*innen. Ohne sie, die Tarifbeschäftigten, wäre kein flächendeckender, geregelter Unterricht möglich. Keine gute Arbeit mit den und für die Schüler*innen. Keine Vertretung bei Langzeiterkrankungen, Mutterschutz oder Elternzeit – denn die dafür eingestellten Lehrkräfte werden befristet als Tarifbeschäftigte eingestellt. Die Schulsozialarbeit beispielsweise gäbe es gar nicht, da die Beschäftigten nicht verbeamtet werden. Das heißt: Die Verantwortung des Landes für seine Tarifbeschäftigten ist mindestens genauso groß wie für seine Beamt*innen.
Die GEW NRW erwartet auch, dass der Landesfinanzminister im Hinblick auf die Tarifrunde 2017 sagt: „Well, I will do my very best.“ – und nach dieser Aussage auch handelt. Dann, und nur dann, besteht eine Chance, dass aus dieser Tarifrunde mehr wird als die „same procedure as every year“. Die GEW NRW und ihre Mitglieder werden ihren Teil dazu beitragen – wenn nötig, auch auf der Straße.
Dorothea Schäfer
Vorsitzende der GEW NRW
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