G9 ist zurück: Neu und gut?

13. Schulrechtsänderungsgesetz verabschiedet

Am 11. Juli 2018 hat der nordrhein-westfälische Landtag das 13. Schulrechtsänderungsgesetz (SchRÄG) verabschiedet. Es enthält die Regelungen zum neuen neunjährigen Bildungsgang bis zum Abitur. Was kommt jetzt auf die Schulen zu?

Für die GEW NRW stellt sich die Frage, warum ein politisch unstrittiger Sachverhalt – alle Parteien wollten und wollen diese Regelung – seit der Neuwahl des Landtags über ein Jahr benötigte, um verabschiedet zu werden. Unklar bleibt auch, warum eine knappe Woche vor Verabschiedung des Gesetzes eine umfangreiche eintägige Anhörung stattfindet, deren teils argumentativ fulminant vorgetragene Überlegungen gar keinen Widerhall gefunden haben. Der Landtag hat die Fassung des Kabinettsbeschlusses unverändert durchgewunken.

G9 wird zur Regel: Warten auf die Ausbildungsordnung

Vielleicht werden die Beiträge aus der Anhörung zumindest in der neu zu fassenden Ausbildungsordnung berücksichtigt. Auf die müssen Schulen allerdings noch warten. Fest steht bislang, dass die neue Ausbildungsordnung auch die Stundenzahl von 188 Stunden in der gesamten Sekundarstufe I, die verpflichtende Stundentafel und den Beginn der zweiten Fremdsprache ab Klasse 7 regeln soll. Da acht Stunden davon nicht für alle Schüler*innen verpflichtend sein sollen, wird sich wie in allen Schulformen der Sekundarstufe I ein Plus in der Lehrer*innenversorgung ergeben – eine komfortable Gestaltungsmöglichkeit zur individuellen Förderung.
In § 10 des Schulgesetzes und in Artikel 4 des aktuellen SchRÄG wird deutlich, dass der neunjährige Weg zum Abitur der Regelfall ist. Bis zum 31. Januar 2019 hat die jeweilige Schulkonferenz jedoch einmalig mit einer mehr als Zweidrittelmehrheit die Möglichkeit, bei G8 zu bleiben. Schulträger können diese Entscheidung auch noch später nach rechtlich klaren Verfahren treffen. Von der Rückkehr zu G9 sind alle Schüler*innen betroffen, die im Schuljahr 2019 / 2020 die Klassen 5 und 6 besuchen oder später an diesen Gymnasien eingeschult werden.

Auf dem Weg zu individualisierten Schullaufbahnen?

Der Mittlere Schulabschluss wird künftig einerseits am G9-Gymnasium vergeben, nämlich durch ein Abschlussverfahren wie in allen anderen Schulformen auch. Andererseits kann der Mittlere Schulabschluss am G8-Gymnasium erworben werden, und zwar in der bisherigen Form durch die Versetzung in die Qualifikationsphase. Die erste Regelung sorgt für eine bessere Vergleichbarkeit dieses Abschlusses über alle Schulformen hinweg, während die zweite Vorgehensweise die bisherige Regelung fortschreibt, die immer wieder heftig kritisiert wurde. Die zu erbringenden fachlichen Leistungen beziehen sich weiterhin auf die Inhalte des ersten Jahres der Gymnasialen Oberstufe und werden zudem durch zentrale schriftliche Leistungsüberprüfungen zugespitzt.
Aus Sicht der GEW NRW enthält das 13. SchRÄG zwei bemerkenswerte Formulierungen, die eine auf die jeweilige Schule zugeschnittene Individualisierung der Schullaufbahnen ermöglichen könnten. In § 16 heißt es: „Für Schülerinnen oder Schüler mit besonders guten Leistungen wird“ am Ende der Klasse 10 „die Berechtigung zum Besuch der Qualifikationsphase (...) erteilt.“ § 52 regelt, dass „Ausbildungs- und Prüfungsordnungen (…) Regelungen enthalten über (…) die Vorversetzung einschließlich der Bildung besonderer Lerngruppen“.
An diesen Stellen entstehen für Lehrer- und Schulkonferenzen vermutlich die einzigen nennenswerten Gestaltungsmöglichkeiten. Denkbar sind zum Beispiel Schüler*innengruppen, die in den Mittelstufenklassen so vorbereitet werden, dass sie in kürzerer Zeit in die zehnte Klasse gelangen, um dort den Mittleren Schulabschluss zu erwerben. Eine Alternative: Teilklassen werden in den letzten beiden Jahren der Sekundarstufe I so unterrichtet, dass sie die Einführungsphase der Gymnasialen Oberstufe überspringen oder aufgrund eines Auslandsaufenthalts nicht an ihrer Schule absolvieren. Individualisierungsmöglichkeiten wie diese fordert die GEW NRW schon lange.

Änderungen professionell gestalten

Die Schulleitungen der betroffenen Schulen müssen und wollen die Kollegien jetzt motivieren, diese erneute Änderung professionell und kompetent zu gestalten. Dies wird umso besser gelingen, je passender und realistischer die Stundentafeln und die neuen Lehrpläne sein werden. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht erst am Ende des kommenden Schuljahres fertiggestellt werden.


Stephan Mertens
Mitglied im Leitungsteam des Ausschusses für Schulleitung der GEW NRW

Foto: iStock.com / Handemandaci

1 Comment
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Kommentare (1)

  • Joachim Rothmann Was mich als ehemaligen Schulleiter doch sehr befremdet: Warum gibt es noch keine Diskussion über die praktischen Probleme der Umstellung.
    Was wird mit den Wiederholern des letzten G8-Jahrgangs? Sollten sie durchs Abi fallen oder schon vorher scheitern müssen sie zwei zusätzliche Jahre am Gymnasium bleiben. Werden die Eltern das einfach hinnehmen?
    Am wichtigsten ist aber der zu erwartende Bedarfssprung an Lehrkräften im Jahr 2026. Wegen teilweise wegfallendem Nachmittagsunterricht braucht man bis dahin zunehmend weniger Lehrkräfte. Dann aber plötzlich wegen des neu einsetzenden 13. Jahrgangs ca. 10% mehr. Ich sage einen massiven Unterrichtsausfall für die ganze Schule voraus!
    Ideen, wie man diese Probleme intelligent lösen kann, lesen Sie auf meiner joachim-rothmann.de
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