LehrerInnen on the road

Schulen mit Teilstandorten

Pendeln zwischen verschiedenen Standorten einer Schule – das ist im Lehreralltag in NRW keine Ausnahme mehr: hin- und herfahren zwischen den Standorten, Wegfall von Pausen, weniger Zeit für gemeinsame Gespräche über pädagogische Entwicklungen und mit SchülerInnen, mehr Aufsichten, unzureichend Zeit für Absprachen mit KollegInnen, zusätzliche Springstunden für Wechselzeiten, kein fester Arbeitsplatz, hin- und herschleppen von Material und Büchern. All dies bedeutet eine Ausweitung der Arbeitszeit und gefährdet die Gesundheit.

Nicht nur die Lehrkräfte an Schulen mit Teilstandorten, sondern auch die Leitungen stehen vor besonderen Herausforderungen. Die Organisation von praktisch mehreren Schulen erfordert einen hohen Informationsaustausch und Organisationsmehrarbeit. Zudem ist die Schul- und Unterrichtsentwicklung an diesen Schulen erheblich erschwert. Der Austausch im Kollegium ist schwieriger. Für gemeinsame Gespräche über pädagogische Entwicklungen ist weniger Zeit.

Erhöhter Stellenbedarf ist unvermeidbar

Organisation hat Vorrang vor pädagogischen Entscheidungen. Teilweise müssen Schulleitungen Kontakte mit mehreren Schulträgern und Schulpflegschaften führen. Dafür benötigen die Schulen zusätzliche Leitungszeit und Anrechnungsstunden für den erhöhten Koordinationsbedarf.
Immer mehr Schulen mit Teilstandorten entstehen in Nordrhein-Westfalen. Grund hierfür ist die Veränderung der Schulstruktur:

  • Neue Sekundar- und Gesamtschulen entstehen.
  • SchülerInnenzahlen steigen aufgrund der neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen.
  • Schulstandorte – insbesondere im ländlichen Raum – sollen gesichert werden.
  • Wohnortnahe Grundschulen und Förderschulangebote sollen erhalten werden.

Viele Kommunen sehen hier in der Gründung von Schulen mit mehreren Standorten – zum Teil auch gemeindeübergreifend – eine Lösung. Sie können so ein wohnortnahes Schulangebot aufstellen und bestehende Schulbauten nutzen. Doch das geht zulasten der dort tätigen LehrerInnen und der Schulleitungen. Schulen mit Teilstandorten bedeuten erhebliche zusätzliche Belastungen und Stress, da zusätzliche Ressourcen gesetzlich nicht vorgesehen sind: Nach dem geltenden Schulgesetz § 83 können Schulen als Teilstandorte geführt werden, erhöhter Stellenbedarf aber darf nicht entstehen.

Teilstandorte als Notlösung unakzeptabel

Schulträger müssen durch eine angemessene Schulentwicklungsplanung und Schulbauten ermöglichen, dass Schulen mit Teilstandorten die Ausnahme bleiben. Derzeit zeichnet sich jedoch ab, dass Schulträger immer mehr aufgegebene Schulstandorte als Teilstandorte bestehender Schulen einrichten wollen. Damit soll die in NRW steigende Anzahl schulpflichtiger Kinder und Jugendlichen geflüchteter Eltern aufgefangen werden. So kann Integration nicht gelingen! Auch deshalb ist eine Schule mit mehreren Standorten gegenüber einer Schule mit einem Standort fast immer die schlechtere Alternative.
Wenn aber die Gründung von Teilstandorten im Ausnahmefall – zum Beispiel zur Sicherung eines wohnortnahen Schulangebotes für Kinder und Jugendliche – nicht vermeidbar ist, brauchen die dort tätigen KollegInnen dringend Entlastung mit entsprechenden zusätzlichen Lehrerstellen, Leitungszeit und Koordinationsstellen.

GEW NRW fordert konkrete gesetzliche Vorgaben

Die GEW NRW fordert deshalb: Die Genehmigung von Teilstandorten ist auf Ausnahmefälle zu begrenzen. Aus dem Schulgesetz muss die Vorgabe gestrichen werden, dass bei Teilstandorten kein zusätzlicher Lehrerstellenbedarf entstehen darf. Außerdem muss der zusätzliche Lehrerstellenbedarf von Schulen mit Teilstandorten bei der Berechnung der Lehrerstellen einer Schule (Verordnung zu § 93 Abs. 2 Schulgesetz) berücksichtigt werden. Und das muss für alle Schulformen gelten.

Anette Mevenkamp
Mitglied im Leitungsteam des Referats Schulrecht, Bildungsfinanzierung und -statistik der GEW NRW

Foto: suze / photocase.de

1 Comment
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Kommentare (1)

  • Heinz Schlinkert Hallo, ich bin erstaunt, welches Schulbild in einer GEW-Zeitschrift da rüberkommt: Kinder als Vollzeit-Schüler, die das ganze Jahr über nur ihre eigene Schule kennen und dort ihr zweites Zuhause haben?
    Dass es in NRW auch Berufskollegs gibt, hat sich wohl bei der Autorin dieses Artikels noch nicht herumgesprochen. Dass Berufskollegs nicht in der Landesstatistik erscheinen, ist schon erstaunlich, erstaunlich ist aber auch, dass in dem Artikel davon nicht die Rede ist.
    In großen Systemen mit 2000 Schülern aufwärts können Teilstandorte durchaus Vorteile haben. Kleinere Einheiten geben – trotz aller organisatorischen Schwierigkeiten – mehr Gestaltungsspielraum für spezifische Bildungsorientierungen (z. B. einer beruflichen Fachrichtung) und sie erleichtern den Aufbau eines Zusammengehörigkeitsgefühls, das in der Anonymität einer sehr großen Schule kaum entstehen kann.
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