Mach mal Pause: Auf in die Sommerferien!

Die Sommerferien stehen vor der Tür. Die Wochen davor empfinden viele Lehrkräfte als Endspurt, bevor sie endlich einmal wirklich abschalten und die Schule hinter sich lassen können. Doch nicht alle können die Sommerferien genießen, zum Beispiel weil die Agenda drückt und eigentlich noch vieles nach- oder schon vorbereitet werden müsste.

Oder weil schulferne Bekannte signalisieren, dass Lehrkräfte doch sowieso „zu viel Ferienzeiten“ hätten und einzelne so unter Rechtfertigungsdruck geraten. Wie berechtigt sind solche Meinungsäußerungen und was sagt die Arbeitszeitforschung dazu?

Lehrkräfte arbeiten mehr und länger als gefordert

Die Befunde der Göttinger Arbeitszeitstudie zu niedersächsischen Lehrkräften aus dem Schuljahr 2015 / 2016 räumen zunächst einmal mit lange Zeit gängigen Klischees auf – sei es, Lehrkräfte arbeiteten weniger als vergleichbare Beschäftigtengruppen, oder die Mär von den langen Urlaubszeiten: Werden alle über das gesamte pädagogische Jahr anfallenden Arbeitszeiten summiert, arbeiten Lehrkräfte in den Schulformen Grundschule, Gesamtschule und Gymnasium 1.850 Zeitstunden im Jahr und übertreffen damit die Vergleichsarbeitszeit im öffentlichen Dienst von 1.784 Stunden deutlich. Zu diesem Ergebnis kommt die repräsentative Studie mit 2.440 Teilnehmenden. Auf Basis von Vollzeitlehreräquivalenten (VZLÄ, Normierung auf 100-Prozent-Stellen) entspricht dies einer Durchschnittsarbeitszeit während der circa 39 Schulwochen von 48:18 Stunden, im empirischen Mittel also 1:40 Stunde pro Woche über der Vergleichsnorm. Lehrkräfte arbeiten im Durchschnitt deutlich länger als gefordert – trotz der einkalkulierten Ferienzeiten. Gleichwohl bieten Herbst-, Weihnachts-, Winter- und Osterferien für viele nur bedingte Erholung, denn an Gesamtschulen und Gymnasien arbeiten in dieser Zeit 12 bis 30 Prozent werktäglich, an Grundschulen zwischen 5 und 20 Prozent. Das Hauptproblem stellt allerdings die Arbeitsintensität während der Schulwochen dar: Lässt man die Ferienzeiten außer Acht, arbeiten Lehrkräfte durchschnittlich zwischen 43 und 45 Stunden pro Schulwoche und die 14 bis 19 Prozent der höchst belasteten Gruppen sogar durchgängig mehr als 48 Stunden pro Woche. Ergebnis: Lehrkräfte haben überlange Arbeitszeiten und arbeiten zu Schulzeiten noch dazu hochverdichtet!

Regenerationszeiten sind wichtig!

Ein solches Szenario kommt nicht ohne hohe subjektive Beanspruchungen aus. Viele Lehrkräfte fühlen sich hoch belastet: Zwischen 75 und 85 Prozent fühlen sich (eher) stark beansprucht durch widersprüchliche Anforderungen im Schulalltag, durch Lärm und laute Umgebungsgeräusche, weil sie an Wochenenden beziehungsweise an Abenden arbeiten müssen oder weil sie sich gar gezwungen sehen, Abstriche bei der Qualität ihrer Arbeit zu machen, um ihr Pensum zu schaffen. Im Ergebnis fühlen sich mehr als 90 Prozent gehetzt oder stehen unter Zeitdruck. Kommen dann noch Konflikte – wenn auch nur gelegentlich – hinzu, erfahren die Belastungen Höchstwerte. Wenn man ferner berücksichtigt, dass Lehrkräfte zu der Beschäftigtengruppe gehören, die am häufigsten entgrenzt arbeitet und oft auf die physiologisch so wichtigen Kurzpausen verzichtet, verstehen auch Außenstehende, weshalb Regenerationszeiten für Lehrkräfte so wichtig sind!
Es soll nicht verschwiegen werden, dass Lehrkräfte sich ihre Zeit zum Teil frei einteilen können und über vergleichsweise viele Ressourcen verfügen. Trotz der hohen Belastungen sind sie zu großen Teilen gleichzeitig hoch zufrieden mit ihrer Arbeitsplatzsituation. Das muss also kein Widerspruch sein! Und wenn insgesamt „mehr Luft“, also mehr Ressourcen ins System Schule gegeben würden, würde es auch leichter fallen, ein Gleichgewicht zwischen Be- und Entlastung zu finden. Insgesamt ist der Arbeitsplatz Schule sicherlich kein Märchenzoo. Lehrkräfte benötigen echte und intensive Regenerationszeiten, vor allem in den Sommerferien. Deshalb: auf in die Ferien und die Schule einfach mal vergessen! Mehr unter www.arbeitszeitstudie.de


Dr. Frank Mußmann
Leiter der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Georg-August-Universität Göttingen und Studienleiter der niedersächsischen Lehrkräftestudien

Foto: s_karau / photocase.de

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