Fachleitungen in der Lehrer*innenausbildung: Belastungsgrenze ist überschritten!

Fachleitungen am ZfsL

Die Fachleitungen in den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) sind am Limit! Durch die Komplexität der Ausbildungsgruppen und geänderte Entlastungsregelungen kommen sie mit ihrer Arbeit nicht hinterher. Maria Schmidt* erzählt aus ihrem Alltag als Fachleiterin.

Seit annähernd 15 Jahren bin ich in der Lehrer*innenausbildung im Bereich der Sekundarstufe I tätig. Dieser verantwortungsvollen Aufgabe gehe ich mit großem Engagement und Idealismus nach. Doch meine persönliche Belastungsgrenze ist deutlich überschritten, seit die Entlastungsregelung im Zuge der Einführung der Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung (OVP) 2016 geändert wurde. Ein weiterer Grund ist die Unterschiedlichkeit der Ausbildungsgruppierungen: Lehramtsanwärter*innen (LAA) gemäß OVP, Lehrkräfte in Ausbildung (LiA) gemäß der Ordnung zur berufsbegleitenden Ausbildung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern und der Staatsprüfung (OBAS), Seiteneinsteiger*innen gemäß Pädagogischer Einführung (PE) und Praxissemesterstudierende. Meine Ausbildungsgruppen sind nicht nur größer, sie werden auch zunehmend heterogener. Das heißt, in einem Fachseminar sitzen Wiederholende, grundständige LAA und LiA mit unterschiedlichen Ausbildungsbedürfnissen. Hieraus ergibt sich eine signifikant erhöhte Vorbereitungszeit der Seminarsitzungen im Sinne der Differenzierung, der Anpassungen sowie Erweiterungen der Seminarinhalte aktueller und im Kerncurriculum geforderter Aspekte.    
Dass nicht nur ich, sondern auch meine Kolleg*innen an die Grenzen des Möglichen stoßen, spiegelt sich in langfristigen Erkrankungen wider. Ausgeschriebene Fachleitungsstellen bleiben sowohl in meinem als auch in benachbarten ZfsL unbesetzt. Die anfallenden Aufgaben müssen auf uns „diensthabende“ Kollegen*innen umverteilt werden, wodurch es zu einer weiteren Arbeitsverdichtung kommt.

Neue Herausforderungen durch viele Lehrer*innen in Ausbildung

Insbesondere die Gruppe der LiA benötigt eine umfangreiche individuelle Beratung und Betreuung, da den Anwärter*innen fachdidaktische und fachliche Grundlagen fehlen und sie teilweise in Brennpunktschulen mit einer dünnen Personaldecke eingesetzt sind, die keine optimale Ausbildung erbringen können. Da wir Seminarausbilder*innen LiA und LAA auf die gleichen Prüfungskompetenzen vorbereiten müssen, ergibt sich ein erhöhter Ausbildungsbedarf. In der zu geringen Entlastungsregelung wird zum Beispiel nicht nach LAA und LiA unterschieden, obwohl die Voraussetzungen völlig anders sind.
Schon beim Standort der Schulen fangen die Schwierigkeiten an: Bis auf eine Ausnahme liegen alle Schulen meiner LiA außerhalb unseres Ausbildungsbezirks. So beträgt die einfache Wegstrecke zwischen dem ZfsL und einer Ausbildungsschule knapp 90 Kilometer quer durch das Ruhrgebiet mit seiner speziellen Verkehrssituation. Hinzu kommen Unterrichtseinsichten von 60 Minuten und die hohen Beratungs- und Gesprächsbedarfe, sodass ich nur einen Unterrichtsbesuch pro Tag schaffen kann. Als Folge ergibt sich Termindruck für die Besuche der anderen Teilnehmer*innen, dem ich nur mit großen persönlichen Anstrengungen begegnen kann. Pausen und Mittagessen sind meist nur während der Autofahrten möglich. Weil ich an einem sogenannten Flächenseminar tätig bin, erstrecken sich die Fahrtwege für die anderen Ausbildungsgruppen auch über große Distanzen.
In all den Jahren meiner Ausbildungstätigkeit wird eine konstante Fahrtkostenpauschale von 0,30 Euro pro Kilometer für die Nutzung meines privaten Autos angesetzt, die weder die Kraftstoff- noch die Verschleißkosten oder die Wertminderung annähernd auffängt. Jährlich ergeben sich rund 10.000  Kilometer für Dienstfahrten, die ich nur dreimal im Jahr abrechnen kann, und somit in Vorkasse gehen muss. Aus beiden genannten Bedingungen ergibt sich für mich ein zusätzlicher, persönlicher finanzieller Nachteil.

Doppelbelastung: Seminar und Stammschule

Eine weitere Belastung stellt sich im Spannungsfeld Seminar und Stammschule dar. Im System Schule habe ich eine wöchentliche Unterrichtsverpflichtung von 28 Wochenstunden und bin wiederholt an einer abzuwickelnden Schule, die besondere, erschwerte Arbeitsbedingungen aufweist. Beide Systeme fordern ein uneingeschränktes Nachkommen aller Dienstgeschäfte wie Konferenzen, Besprechungen und Arbeitsgruppen. Eine deutliche Doppelbelastung ergibt sich unter anderem aus einer fehlenden, klaren Definition des vorrangigen Dienstgeschäfts.

Fehlende Wertschätzung der Arbeit

Fachleitungskolleg*innen für das Lehramt Gymnasium und Gesamtschule erhalten in der Regel die Besoldungsgruppe A 15. Ich habe mittlerweile die Besoldungsgruppe A 13 erreicht. In den Zeiten meiner Teilzeittätigkeit aus familiären Gründen wurde die Fachleitungszulage anteilig der Wochenstunden gekürzt. Das ist bis heute gängige Praxis bei Teilzeitkolleg*innen. Und die Zulage beträgt in 2019 153,75 Euro.
Die Revisionen im Rahmen der Bewerbung um eine Fachleitungsstelle entsprechen den Anforderungen einer Revision um eine Schulleitungsstelle. Aufgaben- und Tätigkeitsumfang der Fachleitungen sind in den Seminaren aller Schulformen vergleichbar. Dies ist kein Argument für die ungleiche Bezahlung der Fachleitungen Gymnasium und Gesamtschule im Vergleich zu den Seminaren Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen in der Sekundarstufe I. Für mich ist das eine geringe Wertschätzung meiner Arbeit. Sicherlich sind das auch Gründe für die zunehmenden Entpflichtungswünsche und Abwanderungen meiner Kollegen*innen sowie für die Problematik der Nichtbesetzung neu ausgeschriebener Fachleitungsstellen.

Maßnahmen zur Verbesserung der Situation am ZfsL

Damit wir gesund bleiben und weiterhin eine qualitativ hochwertige Ausbildung und Begleitung leisten können, muss sich dringend etwas ändern:

  • Anhebung der Stundenentlastungen im Allgemeinen spezielle Anhebung der Stundenentlastungen für die Ausbildung der Seiteneinsteiger*innen (LiAs nach OBAS)
  • Regelung und Entlastung für die Vertretung erkrankter Kollegen*innen
  • einheitliche wöchentliche Pflichtstundenzahl unabhängig von der Schulform der Stammschule
  • rechtliche Regelung des vorrangigen Dienstgeschäfts
  • Anpassung der Fahrtkostenpauschale
  • gleiche Besoldung der Fachleitungen aller Lehramtsformen

 

Fotos: iStock.com / fstop123, urbazon

 

Kommentar zur Situation der Fach- und Kernseminarleitungen

Ausbilder*innen verdienen Anerkennung!

Fach- und Kernseminarleitungen nehmen in Schulen und an den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung extrem wichtige Aufgaben wahr: Sie bilden junge Lehrer*innen aus! Doch von Wertschätzung ihrer Arbeit und einer angemessenen Bezahlung ist bisher keine Spur.
Die Ausbildung ist für alle Lehrämter und Schulformen gleich organisiert, Seminare müssen vor- und nachbereitet sowie Referendar*innen an den jeweiligen Schulen betreut, ausgebildet, gecoacht und beurteilt werden. Die Prüfungsanforderung auf dem Weg zur*m Fachleiter*in ist gleich. Doch dann ist mit der Vergleichbarkeit Schluss.
Unterschiede zwischen Schulformen
An den Seminaren der Grundschule und der Schulen der Sekundarstufe I erhalten Fach- und Kernseminar-leitungen als Anerkennung ihrer Arbeit lediglich eine Zulage, die von der letzten Landesregierung auf rund 150,- Euro angehoben worden ist. Das ist nicht angemessen! Die verantwortungsvolle Aufgabe verdient ein Beförderungsamt und muss eine echte Karriereperspektive in allen Schulformen werden. Dafür setzt sich die GEW NRW seit langem ein.
Lehrer*innenausbildung steht auf dem Spiel
Die Landesregierung ist gefordert, endlich zu handeln. Fach- und Kernseminarleitungen verdienen Anerkennung für ihre Arbeit. Die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes bei gleichbleibender Anzahl an Unterrichtsbesuchen sowie die zusätzliche Kürzung und Umverteilung der Entlastungsstunden hat zu einer enormen Arbeitsverdichtung geführt. Zum Ausgleich brauchen Fachleitungen dringend mehr Ressourcen und Entlastung, damit die qualitativ hochwertige Ausbildung angehender Lehrer*innen aufrechterhalten werden kann.

Maike Finnern
 

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