Pädagogische Prozesse bestimmen Digitalisierung

IT-Ausstattung und -Support in Schule

Die Ausstattung mit Hard- und Software sowie die Anbindung an ein zuverlässiges und schnelles Internet geben seit jeher den Rahmen für die Nutzung digitaler Medien im Unterricht vor. Doch können sie lernförderlich in schulische Lehr-Lernprozesse integriert werden?

Die Studie ICILS 2013 hat für Deutschland aufzeigen können, dass die schulische IT-Ausstattung in der Fläche weder international anschlussfähig ist, noch den pädagogischen Anforderungen an ein modernes und schüler*innenorientiertes Lernen gerecht wird. Die Studie hat festgestellt, dass sich das Schüler*innen-Computer-Verhältnis in einem Zeitraum von fast zehn Jahren in Deutschland kaum verändert hat und im Jahr bei 11,5 : 1 lag. Auch in Bezug auf andere Ausstattungskriterien, wie etwa die Verfügbarkeit von mobilen Endgeräten, zeigten sich große Nachholbedarfe. Dabei ist weder die Verfügbarkeit noch die Nutzung schulischer IT-Ausstattung ein Garant für guten Unterricht, aber eine wichtige Voraussetzung für modernen Unterricht.

Ausstattungskonzepte in der Testphase

Die beschriebene IT-Ausstattungssituation ist weit entfernt davon, schüler*innenorientiertes, individualisiertes und selbstreguliertes Lernen mit digitalen Medien zu ermöglichen und in der Fläche digitale Medien so einzusetzen, dass ihre Potenziale für das Lernen ausgeschöpft werden können. Diese wird idealerweise mit einer 1 : 1-Ausstattung unterstützt, wobei unterschiedliche Konzepte wie Bring Your Own Device oder Bring Your Rented Device erprobt werden, um alle Schüler*innen zu erreichen.
Der Schweizer Informatik-Didaktiker Prof. Dr. Beat Döbeli Honegger spricht von der Notwendigkeit eines Leitmedienwechsels – vom Buch zum Computer. Als in der Schulpraxis erfolgreich haben sich besonders Konzepte mit schüler*inneneigenen mobilen Endgeräten bewährt, die als persönliche Lernumgebung ausgestaltet werden können und es darüber hinaus ermöglichen, verschiedene Lernorte sowie formales und informelles Lernen miteinander zu verzahnen. Interessanterweise erweisen sich solche IT-Ausstattungskonzepte derzeit (noch) als besonders lernförderlich, die weder ausschließlich auf schulische noch auf schüler*inneneigene beziehungsweise mobile Endgeräte setzen, wie vertiefende Analysen zur ICILS-2013-Studie zur Relevanz schulischer IT-Ausstattungskonzepte für die Implementierung neuer Technologien in der Schule verdeutlichen. Mischkonzepte, die verschiedene Ansätze und Lernsettings zulassen, scheinen derzeit am erfolgversprechendsten zu sein. Hinzu kommen Szenarien wie der Einsatz digitaler Schulbücher oder der Einsatz von Clouds und Lernplattformen, die die Grundpfeiler für eine neue Lernkultur bilden können.
 Mögliche Erklärungen dafür, dass in NRW nur etwa die Hälfte der Lehrpersonen Computer
regelmäßig – mindestens wöchentlich – im Unterricht nutzt, sind in der Untersuchung „IT-Ausstattung der Schulen der Sekundarstufe I im Bundesländervergleich und im Trend von 2015 bis 2017“ zu finden. Demnach könnten die unzureichende IT-Ausstattung der Schulen sowie die nicht flächendeckend vorhandene Anbindung der Schulen an ein leistungsfähiges Internet Ursachen dafür sein. Unter den aktuellen Voraussetzungen greift nur etwa jede neunte Lehrkraft in NRW täglich zu digitalen Medien im Unterricht. Hierbei ist zu beachten, dass es sich um den Einsatz digitaler Medien durch Lehrpersonen handelt. Daher wird die Nutzung lehrer*inneneigener, privater Endgeräte mitgezählt, die aktuell nicht nur wegen des Datenschutzes zurecht sehr in der Diskussion steht. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass unter anderem die Kultusministerkonferenz mit ihrer Strategie „Bildung in der digitalen Welt“, auf deren Umsetzung sich alle Bundesländer verpflichtet haben, feststellt, dass die IT-Ausstattung sowie die Internetanbindung von Schulen wichtige Gelingensbedingungen für die Unterstützung des Erwerbs von digitalen Kompetenzen darstellen. Daher werden auch in NRW geeignete, zukunftsorientierte Rahmenbedingungen zurecht eingefordert und derzeit entwickelt.
Die Ergebnisse der Länderindikatorstudie zur schulischen IT-Ausstattung decken teilweise erheblichen Entwicklungsbedarf auf, der von den Lehrer*innen geäußert wird. Im Ergebnis zeigt sich, dass nur etwa die Hälfte der Lehrpersonen sowohl in Deutschland als auch in NRW die IT-Ausstattung an ihrer Schule als ausreichend einschätzt. In Bezug auf die Einschätzung der IT-Ausstattung von Fachräumen liegt das Land im Bundesländervergleich in der unteren Gruppe: Zusammen mit Bremen, dem Saarland und Schleswig-Holstein ist hierzulande der Anteil der Lehrpersonen, die mit der IT-Ausstattung der Fachräume zufrieden sind, am geringsten. Weiterhin geben nur etwa zwei Fünftel der befragten Lehrpersonen an, dass in den Klassenräumen an ihrer Schule WLAN verfügbar ist, auf das die Schüler*innen zugreifen können. Über alle Schulformen hinweg, konnte die MICUS-Studie aufzeigen, dass bisher nur etwa zwölf Prozent aller Schulen über einen Glasfaseranschluss verfügen.

Entwicklungsbedarf beim IT-Support

Mit der Länderindikatorstudie konnte hinsichtlich des technischen IT-Supports nachgewiesen werden, dass etwa die Hälfte der Lehrpersonen in Deutschland mit dem technischen Support an ihrer Schule zufrieden ist, wobei der entsprechende Anteil für NRW etwas höher als im Bundesdurchschnitt ausfällt. Je nach Schulgröße und -träger variieren die Supportkonzepte und zeigen durchaus erfolgreiche Ansätze. Zu oft beruhen diese aber unverändert vor allem in Bezug auf den sogenannten First-Level-Support noch zu häufig auf dem Engagement einzelner Lehrpersonen, die mit wenig Stundenentlastung die technische Infrastruktur an ihren Schulen betreuen. Hier sind die Schulträger gefragt, die im Idealfall mit den Schulen gemeinsam Konzepte entwickeln. Zukünftig gilt es, erfolgreiche Ansätze weiterzuverfolgen, Strukturen zu schaffen und die Schulen von den Aufgaben des technischen IT-Supports zu entlasten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die Anzahl der schulischen und der zum Lernen und Arbeiten mitgebrachten Geräte der Schüler*innen in den nächsten Jahren weiter erhöht und die bisherigen technischen Supportstrukturen schon jetzt an ihre Grenzen stoßen.

Pädagogischer Support unterschätzt

Für eine gelungene, lernförderliche Nutzung digitaler Medien kommt nicht nur dem technischen Support, sondern auch dem pädagogischen Support eine besondere Rolle zu. Dazu zählen alle Maßnahmen, die eine bedarfsgerechte und lernförderliche Integration von digitalen Medien in Lehr- und Lernprozessen unterstützen. Insbesondere für Lehrer*innen, die grundsätzlich dem Einsatz digitaler Medien gegenüber positiv eingestellt sind, sich aber nicht an die Nutzung digitaler Medien im Unterricht herantrauen, sind unmittelbar in der Schule vorhandene pädagogische Supportstrukturen unverzichtbar. Die Relevanz des pädagogischen Supports geht darüber hinaus: Unterrichtsnahe Supportkonzepte bieten für alle Lehrpersonen, unabhängig von ihrer Erfahrung und Expertise, eine wichtige Unterstützung und sind die Grundlage für pädagogische Innovationen und gelungene Schulentwicklungsprozesse.
Im Jahr 2017 gaben etwa zwei Fünftel der Lehrpersonen in Deutschland an, dass an ihrer Schule ausreichender pädagogischer Support vorhanden ist. Der entsprechende Anteil liegt in Nordrhein-Westfalen deutlich darunter. Die aktuell angekündigten Maßnahmen, in allen Schulen sukzessive Medienkoordinator*innenstellen einzurichten, die pädagogischen Support unter anderem bei der Implementierung des Medienkompetenzrahmens NRW bereitstellen und diesen gezielt auf die pädagogischen Herausforderungen der Einzelschulen ausrichten, sind vor diesem Hintergrund sehr zu begrüßen. Erfolgversprechende IT-Support-Konzepte beziehen den pädagogischen Support ein, der seine Wirkung entfaltet, wenn er unmittelbar vor Ort in den Schulen vorhanden ist und sowohl nachfrageorientiert auf Bedürfnisse von Lehrpersonen reagiert als auch in Bezug auf ein Vordenker*innenverständnis zukunftsorientiert Unterstützung zur Entwicklung und Erprobung von Konzepten und Ideen zur Verfügung stellt.
Schulische IT-Ausstattung und der IT-Support sind also wichtige Prädiktoren für die lernförderliche Nutzung digitaler Medien. Abgesehen von finanziellen und personellen Ressourcen ist es wichtig, dass diese im Sinne einer Technologieentwicklung als Bestandteil von Schulentwicklungsprozessen im Kontext der Arbeit der Einzelschulen zu entwickeln sind. Gleichsam stellt sich die Herausforderung, vergleichbare und in bestimmten Bereichen auch einheitliche Konzepte zu realisieren.
Den aktuellen Entwicklungen zum Trotz bleibt zu oft die Diskussion um die Nutzung der Potenziale digitaler Medien für das fachliche und überfachliche Lehren und Lernen an Ausstattungs- und Supportfragen verhaftet. Wichtig ist, dass – auch anhand der Orientierungshilfen der Medienberatung NRW – Unterstützung für Schulträger und Schulen zur Realisierung einer lernförderlichen IT-Infrastruktur zukunftsfähig entwickelt wird. Im Fokus der schulischen Arbeit sollten pädagogische, schüler*innenorientierte Prozesse stehen, auch im Hinblick auf die Herstellung von Chancengerechtigkeit in einer digitalen Welt sowie zur Entwicklung zukunftsrelevanter Lehr-Lern-Settings.


Prof. Dr. Birgit Eickelmann
Professorin an der Universität Paderborn, Lehrstuhl für Schulpädagogik, unter anderem wissenschaftliche Leitung der IEA-Studien ICILS 2013 und ICILS 2018

Foto: iStock.com / Kirillm

 

Kommentar

Wo bleibt das Gesamtkonzept?

Wer gedacht hatte, der Wahlslogan „Digitalisierung first – Bedenken second“ der Landes-FDP würde in konkrete Handlungen münden, sieht sich enttäuscht. Stattdessen steht die Landesregierung nackt da, die Schulministerin hat kein Konzept.
Offensichtlich hatte man gedacht, LOGINEO NRW aufzubauen reiche, die notwendige Hardware würden die Lehrer*innen schon selbst mitbringen. Um sich datenschutzrechtlich abzusichern, entwarf man eine Dienstvereinbarung, die Kolleg*innen unterschreiben sollten, um die Garantie für rechtlich korrektes Handeln zu übernehmen.
Bisher wollen nur wenige die Erklärung, die Kleingedrucktes und für rechtliche Laien unverständliche Inhalte beinhaltet, unterschreiben. Zurecht, Vorsicht ist geboten!
Die Lösung? Dienstliche Endgeräte mit dienstlichen Programmen und dienstlicher Wartung! Niemand soll sich ständig darüber Gedanken machen müssen, ob gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen wird. Ein schlüssiges Gesamtkonzept muss auf den Tisch.

Sebastian Krebs
stellvertretender Vorsitzender der GEW NRW

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