Inklusion: Vom Ideal noch weit entfernt

Empfehlungen des Fachbeirats inklusive schulische Bildung

Wie bewerten Eltern die bisherige Umsetzung der schulischen Inklusion in NRW? Wo sehen Gewerkschaften, Verbände oder Schulträger die größten Baustellen? Der Fachbeirat inklusive schulische Bildung hat sich - unter Federführung des Schulministeriums - in den vergangenen drei Jahren intensiv mit der schulischen Inklusion beschäftigt. Jetzt hat er Empfehlungen für gelingende Inklusion vorgelegt. Für die GEW NRW gehen sie nicht weit genug.

Vertreter*innen von Elterninitiativen, Lehrer*innenverbänden, Gewerkschaften und Orga-nisationen für Menschen mit Behinderung haben im Fachbeirat gemeinsam Empfehlungen zu sechs Fragestellungen erarbeitet. Sie zeigen die Bandbreite der Probleme bei der schulischen Inklusion und machen deutlich, dass es bei der Umsetzung sowohl aus Sicht der Schulen und der Lehrkräfte als auch der Schüler*innen und Eltern an vielen Stellen hakt. Für die Fragestellungen, die sich unter anderem mit Vorgaben zur Klassenbildung im Gemeinsamen Lernen, mit der personellen Ausstattung von Schulen des Gemeinsamen Lernens oder mit der Zuweisung von Stellen aus dem Stellenbudget beschäftigen, hat der Fachbeirat nicht immer optimale Lösungsvorschläge gefunden. Viele seiner Empfehlungen bleiben hinter den Forderungen der GEW NRW zurück.

Schulformspezifische Klassenbildungswerte entwickeln

So sollen die Schulen auf Basis ihres jeweiligen Konzepts weiterhin selbst entscheiden, wie groß die Klassen des Gemeinsamen Lernens sein sollen. Die GEW NRW bewertet dies als nicht zielführend. Schulen brauchen eigene Klassenbildungswerte für das Gemeinsame Lernen, ausdifferenziert nach Schulformen. Orientierungsgröße für die GEW NRW ist und bleibt die Klasse mit maximal 20 Schüler*innen, davon maximal fünf mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf.

7.000 weitere Stellen für Inklusion

Der Fachbeirat plädiert dafür, das Stellenbudget grundsätzlich nicht zu ändern, hält aber eine weitere Unterstützung des Gemeinsamen Lernens in allgemeinen Schulen mit zusätzlichen Stellen für erforderlich. Die GEW NRW wird da konkreter: Sie fordert eine deutliche Anhebung des Stellenbudgets um mindestens 7.000 weitere Stellen für die sonderpädagogische Förderung im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen (LES). Außerdem muss die Verteilung der Stellen des Stellenbudgets für LES an die Schulen des Gemeinsamen Lernens anders gesteuert werden, damit die Stellen dort ankommen, wo sie benötigt werden.

Schwerpunktschulen schaffen

Der Fachbeirat betont, dass alle Schulformen vor Ort Gemeinsames Lernen anbieten sollen. Aufgrund unzureichender Ressourcen empfiehlt er dem Schulministerium allerdings, Schüler*innen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf an einigen Schulen zu bündeln, um eine größere Verlässlichkeit bei der personellen und sächlichen Ausstattung zu erreichen und die Qualität des Gemeinsamen Lernens zu steigern. Damit bestätigt er die Forderung der GEW NRW, inklusive Schulen erst dann einzurichten, wenn die notwendigen räumlichen, sächlichen und personellen Voraussetzungen gewährleistet sind. Diese Empfehlung des Fachbeirats ist eine Abkehr von der Maxime, dass im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen alle allgemeinen Schulen Orte Gemeinsamen Lernens sein sollten. Sie bildet aber die Realität in den Schulen ab und kann für die Kolleg*innen in den Schulen eine Verbesserung der Arbeitssituation bieten: Durch eine Bündelung müssten die "handlungsreisenden Sonderpädagog*innen" weniger Standorte des Gemeinsamen Lernens ansteuern - eine große Entlastung für die Kolleg*innen. Gleichzeitig könnten die Kolleg*innen der allgemeinen Schulen im Idealfall häufiger in Doppelbesetzung arbeiten und auf sonderpädagogisches Know-how vor Ort zurückgreifen. Das käme - eine kluge Bündelung vorausgesetzt - auch den Schüler*innen zugute.

Inklusion braucht mehr!

Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ist nicht das, was momentan in nordrhein-westfälischen Schulen passiert. Selbst wenn die künftige Landesregierung die Empfehlungen des Fachbeirats beherzigt, wird das Idealbild der Inklusion in NRW auch in den nächsten Jahren kaum verwirklicht werden können. Die Empfehlungen des Fachbeirats können jedoch dazu beitragen, dass auf dem langen Weg zur inklusiven Schule ein wenig Entspannung in das Schulsystem einkehrt. Sie sind aber nicht der Weisheit letzter Schluss: Die Landesregierung muss deutlich mehr personelle und sächliche Ressourcen bereitstellen, damit schulische Inklusion wirklich gelingen kann.

 

Frauke Rütter
Referentin für Bildungspolitik der GEW NRW

Fotos: Isabelle Blum / photocase.de

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