Inklusion: Keine Frage der Alternativlosigkeit

Kommentar: Beschluss des Bundesgewerkschaftstags zu Inklusion

Wenn es um Inklusion geht, stellt sich nicht die Frage nach der Alternativlosigkeit – auch wenn der Beitrag „Keine Alternative zur Inklusion“, erschienen in der E & W im Juni 2017, dies nahelegt. Vielmehr geht es der GEW NRW inhaltlich um gute Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte und um verbindliche Qualitätsstandards an allen Förderorten der sonderpädagogischen Förderung – sowohl an Förderschulen als auch an den allgemeinen Schulen. Dies ist eine Kernaufgabe der Gewerkschaft.

Der Beschluss des Bundesgewerkschaftstags in Freiburg zum Leitantrag Inklusion beschreibt die auch für Nordrhein-Westfalen geltende unzureichende personelle Ausstattung, die schlechten Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte im Gemeinsamen Lernen, die Überlastung der Lehrer*innen, zunehmende Unzufriedenheit sowie die schlechten Lernbedingungen für die Schüler*innen. Er fordert andere Rahmenbedingungen ein, enthält aber auch die Forderung der „schrittweisen Aufhebung des Parallelsystems von Förder- / Sonderschulen und allgemeinen Schulen“.
Vor dem Gewerkschaftstag hat der Fachgruppenausschuss Sonderpädagogische Berufe NRW in einem Schreiben alle Delegierten aus Nordrhein-Westfalen gebeten, sich für eine Streichung dieser Forderung einzusetzen. Die Delegierten haben das Anliegen unterstützt und sich in Freiburg massiv für eine entsprechende Änderung eingesetzt. Nach intensiver Diskussion und zehn Änderungsanträgen wurde der Antrag schließlich verabschiedet. Dieser enthält zwar immer noch die Forderung nach einer schrittweisen Aufhebung des Parallelsystems Förderschule und allgemeiner Schule. Diese steht jedoch im Zusammenhang mit der GEW-Forderung nach einer Schule für alle.
Die GEW NRW betont: „Als Interessenvertretung aller Kolleg*innen in allen Schulformen fordern wir nicht die Abschaffung einzelner Schulformen. Die Probleme bei der Umsetzung der UN-Konvention lassen sich mit der Forderung nach einer Schließung von Förderschulen nicht lösen.“
Förderschulen sind in der aktuellen Schullandschaft nach wie vor wichtig. Nicht zuletzt deshalb, weil sie einen hohen Qualitätsstandard haben. Die Kolleg*innen arbeiten über ihre Belastungsgrenzen hinaus. Wegen schlechter Rahmenbedingungen im Gemeinsamen Lernen und der daraus resultierenden unzureichenden sonderpädagogischen Unterstützung vieler Schüler*innen entscheiden Eltern sich vielfach für einen Wechsel zur Förderschule. Darum setzt sich die GEW in NRW für Verbesserungen der Situation an allen Lernorten ein: Die schlechten Arbeitsbedingungen in den Förderschulen für Emotionale und soziale Entwicklung (siehe nds 4-2017), eine Überprüfung der Sinnhaftigkeit des LES-Budgets sowie die Beendigung der „Etikettierungsdebatte“ seien als Beispiele genannt.
Die Fachgruppe Sonderpädagogische Berufe stellt fest, dass fehlende Unterstützung dazu führt, dass sich einige Lehrkräfte für Sonderpädagogik nicht mehr von ihrer Gewerkschaft vertreten fühlen und austreten – oder zumindest darüber nachdenken. Die GEW NRW wird sich selbstverständlich weiterhin für alle Kolleg*innen in Förderschulen und den anderen Schulformen einsetzen.


Birgit Dinnessen-Speh
Leitungsteam des Fachgruppenausschusses Sonderpädagogische Berufe

Foto: LBP / photocase.de

 

Bundesgewerkschaftstag der GEW

Heiße Debatten zu Inklusion

Die UN-Behindertenrechtskonvention wird bisher in keinem Bundesland befriedigend umgesetzt. Bundesweit kritisiert die GEW die Rahmenbedingungen: zu wenig Geld, zu wenig Personal, zu wenige Zeitressourcen, damit verbunden schlechte Arbeitsbedingungen für alle Lehrkräfte und schlechte Lernbedingungen für die Schüler*innen.
Auch beim 28. Gewerkschaftstag der GEW im Mai 2017 in Freiburg war Inklusion ein zentrales Thema. In der Debatte um den Beschluss „Es gibt keine Alternative zur Inklusion“ gab es eine Fülle von Anträgen und Änderungsanträgen. In einzelnen Bundesländern wird die schlechte Situation in den allgemeinen Schulen darauf zurückgeführt, dass das Parallelsystem von Förderschulen und allgemeinen Schulen zu viele Ressourcen bindet und das Gemeinsame Lernen nicht gut genug unterstützt werden kann.
Die Delegierten der GEW NRW hatten sich schon im Vorfeld eindeutig dafür ausgesprochen, den Fokus des Beschlusses auf die Verbesserung der Bedingungen zu legen und einen ganzen Passus im Leitantrag zur Schließung von Förderschulen zu streichen. Stattdessen müsse es um eine Änderung der Steuerung, eine andere personelle Ausstattung der Schulen, eine andere Bewertung der Arbeitszeit gehen, bei der alle Aspekte für die Umsetzung einer inklusiven Pädagogik erfasst seien. Für diese Position gab es viele gute Redebeiträge. Dabei stellten die Delegierten deutlich heraus, dass der Weg zu „einer Schule für alle“ sehr viel mehr erfordert als die Forderung nach der Abschaffung des Parallelsystems. Eine inklusive Schule ist ein Ziel, zu dem es noch viele Schritte und vor allem eine ganz andere gesamtgesellschaftliche Unterstützung braucht.

Dorothea Schäfer
Vorsitzende der GEW NRW

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