Direkte Instruktion: Kompetenzen wirksam vermitteln

Selbstständiges Lernen fördern

Wer die Schüler*innen zu früh in die Selbstständigkeit entlässt, lässt sie allein. Nur wer klar erklärt, geduldig fördert und zum Üben anhält, schafft die Basis für eigenverantwortliches Lernen. Für diesen Weg ist die Direkte Instruktion ideal. Denn wenn es gilt, neue Kompetenzen einzuführen, ist diese Unterrichtsform das Mittel der Wahl.

In Deutschland hängt der Bildungserfolg immer noch in hohem Maße vom Elternhaus ab. Es gelingt also nicht, im Unterricht die unterschiedlichen Voraussetzungen auszugleichen, die die Schüler*innen mitbringen. Im fragend-entwickelnden Unterricht werden die vorhandenen Unterschiede sogar oft noch verstärkt. Denn in der Regel arbeitet die Lehrkraft im Unterrichtsgespräch vor allem mit denen, die sich melden, ihre Ergebnisse vorstellen und den Unterricht voranbringen. Die anderen bleiben zurück – was häufig erst bei der Klassenarbeit deutlich wird. Im Verlauf von vielen Schuljahren ergeben sich so innerhalb einer Klasse divergierende Lernverläufe.

Selbstständiges Lernen braucht Anleitung und Hilfe

Aber auch in einem Unterricht, der Konzepte des selbstständigen Lernens umsetzt, werden vorhandene Unterschiede zwischen den Schüler*innen häufig vergrößert. Der Unterrichtende gibt den Lernenden – nach einer Einstiegsphase – Material mit Aufgaben, die sie bearbeiten und später präsentieren sollen. Dabei sollen sich die Schüler*innen möglichst alles selbst erarbeiten. Dies führt dazu, dass sie häufig Aufgaben allein bewältigen müssen, für die viele Schüler*innen einer Klasse noch nicht die Kompetenzen besitzen. Begründet wird dies damit, dass sie sich die Kompetenzen beim Bearbeiten der Aufgaben selbst aneignen. Damit sind sie aber nicht selten überfordert. Sie sollen etwas machen, wissen aber noch nicht, wie es geht. Dann bekommen die einen Hilfe der Eltern oder Nachhilfe – und die anderen bleiben zurück.
Dabei ist unstrittig, dass Selbstständigkeit das Ziel von Unterricht ist. Bis die Schüler*innen diese aber erreicht haben, ist es ein langer Weg; auf diesem brauchen sie genügend Erklärung, Anleitung und Hilfe. Werden sie beim Lernen zu früh alleingelassen, wird der Weg mit dem Ziel der Selbstständigkeit verwechselt. Verschärft wird die Problematik, da Schulbücher und Lernmaterialien in der Regel keine Erklärungen enthalten, mit denen Schüler*innen sich selbstständig eine Kompetenz aneignen können.

Direkte Instruktion: Alle mitnehmen in drei Phasen

Die Schule soll kein Kind zurücklassen und zu früh mit Anforderungen konfrontieren, die es nicht bewältigen kann. Aus dieser Forderung leiten sich alle Elemente der Direkten Instruktion ab: Der Unterrichtende erklärt den Schüler*innen in der ersten Phase das, was sie später allein können sollen. Diese Präsentation darf nicht einfach mit einem herkömmlichen Lehrer*innenvortrag verwechselt werden. Denn die Lehrkraft erklärt klar, strukturiert, anschaulich, lebendig, mit Mustern und Modellen, indem sie etwas demonstriert und indem sie laut denkend zeigt, was in ihrem Kopf vorgeht. So bekommen die Schüler*innen ein lebendiges Bild dessen, was sie lernen sollen, und können sich an diesen Modellen orientieren. Dabei beachtet der Unterrichtende die begrenzte Aufmerksamkeitsspanne der Schüler*innen und legt immer wieder Phasen der Verarbeitung ein. Anschließend prüft die Lehrkraft, ob die Schüler*innen verstanden haben, was sie erklärt hat und wiederholt es – wenn nötig – geduldig. Wie auch andere Didaktiker*innen betont Hilbert Meyer die Bedeutung des Vormachens durch Lehrer*innen: „Eigentlich handelt es sich um das ,natürlichste‘ methodische Gestaltungsmittel, das man sich denken kann. Die Schüler sollen etwas Neues lernen – also macht ihnen der Lehrer vor, wie‘s geht.“
Nach der Einführung der neuen Kompetenzen arbeiten die Schüler*innen noch nicht selbstständig. Sie bekommen in der zweiten Phase zunächst Lernaufgaben, die sie Schritt für Schritt dahin führen, die Kompetenzen selbstständig anwenden zu können. Zu den Lernaufgaben gehören viele Hilfen. Diese werden in dem Maße weniger, in dem es den Lernenden gelingt, die Kompetenzen anzuwenden. Hier wird differenziert, weil die Schüler*innen in unterschiedlichem Maße Hilfe brauchen und für leistungsstärkere Kinder auch Herausforderungen bereitgestellt werden müssen.
Erst danach arbeiten die Schüler*innen selbstständig – wenn sichergestellt ist, dass sie die Kompetenzen auch wirklich selbstständig anwenden können. Die Lehrkraft tritt in den Hintergrund, steht aber immer für Hilfe zur Verfügung. Die Grundstruktur der Direkten Instruktion besteht also aus drei Phasen:

 

 

 

Kooperatives Lernen ist die ideale Ergänzung

Direkte Instruktion ist nicht der altbekannte Frontalunterricht in neuem Gewand. Im Gegenteil: Es handelt es sich um eine ausgefeilte Unter-richtskonzeption, in der ganz unterschiedliche Lehr-Lern-Methoden miteinander verbunden werden.
Und um die Schüler*innen in möglichst hohem Maße zu aktivieren, ist es optimal, die Direkte Instruktion konsequent mit dem Kooperativen Lernen zu kombinieren. John Hattie und Klaus Zierer betonen, dass gerade diese Kombination enorm lernwirksam ist. Deshalb wird in unserem Konzept der Direkten Instruktion in allen Phasen die kooperative Grundstruktur „Denken – Austauschen – Vorstellen“ angewendet. Das regt die Schüler*innen noch stärker zur Verarbeitung des Gelernten an und es öffnet sich ein Raum für die soziale Dimension des Lernens. Und in der zweiten und dritten Phase bieten sich auch andere Methoden des Kooperativen Lernens wie das Lerntempoduett an.

Erwiesene Wirksamkeit und Lernfreude

Die Direkte Instruktion ist eine Unterrichtskonzeption, mit der Lehrer*innen sehr wirksamen Unterricht durchführen können – das haben alle empirischen Studien unisono bestätigt. Und doch wird das Konzept in der Praxis selten angewandt. Hier muss ein Umdenken erfolgen. Nicht umsonst schreibt der Unterrichtsforscher Andreas Helmke: „Es gibt wenige Konzepte, bei denen der Kontrast zwischen nachweislicher Wirksamkeit in der Schulpraxis und Berücksichtigung in der Lehreraus- und -fortbildung so groß ist wie bei der Direkten Instruktion.“  
Und die Schüler*innen lernen nicht nur sehr viel, sondern sie sind unserer Erfahrung nach auch sehr gerne in einem so gestalteten Unterricht. Wenn sie Analysen schreiben sollen, sind sie dankbar, wenn sie einen von der Lehrkraft geschriebenen Modelltext bekommen, anstatt immer nur im Unterrichtsgespräch Analysen durchzuführen, bei denen viele etwas beitragen, aber man nicht lernt, eine vollständige Analyse zu schreiben. Und wenn Unterrichtende laut denkend zeigen, was ihnen durch den Kopf geht, wenn sie eine Aufgabe lösen, ist die Aufmerksamkeit der Schüler*innen gebannt nach vorne gerichtet.

Die Grenzen von Direkter Instruktion – und warum sie sich trotzdem lohnt

Direkte Instruktion ist sehr wirksam – aber nicht bei jedem Lernziel. Sie eignet sich sehr gut, wenn Schüler*innen Kompetenzen erwerben sollen. Sprachliche Kompetenzen lassen sich zum Beispiel sehr gut über Modelle und anschließende Übung vermitteln. Wenn die Schüler*innen die entsprechenden Kompetenzen erworben haben, sollten sie in der Lage sein, sich selbstständig Wissen anzueignen.
Wenn sie jedoch Probleme lösen und etwas selbst entdecken sollen, stellen sie Hypothesen auf und prüfen diese selbstständig. Hierfür eignet sich nicht die Direkte Instruktion – auch wenn es sehr hilfreich ist, mittels Direkter Instruktion vorzumachen und einzuüben, wie man gute Hypothesen aufstellt. Wenn es um allgemeine Bildungsziele wie den Aufbau der Kompetenz zur Mitgestaltung einer demokratischen Gesellschaft geht, wenn es um die Entwicklung von an der Vernunft orientierter Autonomie geht, wenn es um Werteerziehung oder Identitätsentwicklung geht, dann werden nur andere Unterrichtsformen den Raum öffnen, in dem diese Ziele angestrebt werden können. Das aber ist kein Grund, die Direkte Instruktion nicht dann anzuwenden, wenn sie den größten Erfolg verspricht und allen Schüler*innen entgegenkommt.
Schon der bedeutende Unterrichtsforscher Franz E. Weinert stellte fest: „Die zweckmäßigste Lehrstrategie zur Steuerung des systematischen Lernens ist die Direkte Instruktion.“  Wir möchten Lehrkräfte dazu ermutigen, die Direkte Instruktion ausprobieren und anschließend Ihre Schüler*innen zu befragen, ob sie auf diesem Wege gut lernen können. Wir haben die Erfahrung gemacht: Es lohnt sich.


Ludger Brüning
Lehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialwissenschaften an der Gesamtschule Haspe in Hagen und Lehrer*innenfortbildner

Tobias Saum
Lehrer für Deutsch und Philosophie an der Gesamtschule Haspe in Hagen und Fachleiter am ZfsL Hagen (Gymnasium / Gesamtschule)

Fotos:  iStock.com / SolStock, jacoblund

1 Comment
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Kommentare (1)

  • Jürgen Wrobel Gute Anregung für die konkrete Unterrichtsarbeit! Die Praktiker Brüning und Saum bringen immer wieder hilfreiche Publikationen für Lehrer/-innen auf den Markt. Weiter so!
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