GEW Herne unterstützt Resolution: Belastung senken!

GEW Herne unterstützt Resolution an die Ministerin

In einer Resolution an Schulministerin Yvonne Gebauer hatten mehrere Schulen aus den Regierungsbezirken Arnsberg, Münster und Köln die enorme Belastung der Kolleg*innen vor Ort angeprangert. Die Reaktion aus dem Ministerium: ernüchternd. Der GEW-Stadtverband Herne unterstützt die Resolution und appelliert an die Verantwortung der Landesregierung gegenüber den Lehrkräften.

Unverständnis, Fassungslosigkeit, Ärger und Wut – das sind die Reaktionen zahlreicher Kolleg*innen, die den GEW-Stadtverband Herne nach der Antwort des Schulministeriums und der Bezirksregierung erreichen. „Es ist unfassbar, wie formal das Ministerium die fundierte Kritik vieler Kolleg*innen abzukanzeln versucht, um sich nicht einer inhaltlichen Auseinandersetzung stellen zu müssen“, heißt es in den Reaktionen unter anderem. Zahlreiche Schulen hatten Schulministerin Yvonne Gebauer zuvor in einer Resolution auf systemisch schlechte Setzungen im Schulsystem hingewiesen. Die Rahmenbedingungen führten dazu, dass zahlreiche Kolleg*innen ihre Arbeit nicht mehr vollständig, qualitativ angemessen und mit erforderlicher Sorgfalt ausführen können, ohne ihre eigene Gesundheit und die ihrer Schüler*innen zu gefährden, heißt es in der Resolution.

Lehrkräfte schützen, Dienstfähigkeit erhalten

Die GEW Herne unterstützt die Resolution ausdrücklich: Unter den gegebenen Bedingungen, für die Ministerin Yvonne Gebauer als oberste Dienstherrin die Verantwortung trage, seien Schädigungen geradezu unvermeidlich. Schüler*innen erhielten nicht mehr die optimale Qualität von Unterricht, Betreuung, Beurteilung, Aufsicht und ganzheitlicher Bildung. Aber auch deren Eltern und die Kolleg*innen vor Ort, deren Gesundheit immer stärker gefährdet sei, seien die Leidtragenden.
Was die Resolution konstatiert, nimmt auch  die GEW Herne wahr: eine immer stärkere Belastung der Lehrkräfte – abzulesen an deutlichen Spuren von Erschöpfung und Stresssymptomen, an sehr hohen Krankenständen, einer großen Anzahl von Langzeiterkrankten und Spitzen-plätzen in Sachen Frühpensionierung und Dienstunfähigkeit.

Ausstattung und Ressourcen müssen mit den Aufgaben wachsen

Die Resolution gibt einen Überblick über die gestiegenen Belastungen der vergangenen Jahre. Demgegenüber steht in nahezu allen Bereichen eine unzulängliche Ausstattung mit notwendigen personellen, räumlichen und sächlichen Ressourcen. Im Einzelnen kritisiert die Resolution:

  • Umsetzung der Inklusion ohne ausreichende personelle, fachliche und räumliche Ressourcen
  • Zusatzaufgaben durch die Integration von Geflüchteten und anderen Migrant*innen, teilweise mit Traumatisierungserfahrungen und hohem Alphabetisierungsbedarf – insbesondere an Gesamt-, Sekundar- und Hauptschulen bei gleichzeitig steigenden Abschulungszahlen
  • vermehrte Erarbeitung von Medien-, Vertretungs-, Förder-, Methodenkonzepten und Curricula, Umsetzung kompetenzorientierter Lehrpläne, Entwicklung von Schulprogrammen und -profilen, Mehrklassenbildung, Durchführung und Dokumentation für die Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ und weitere konzeptionelle Arbeit
  • gestiegene Zahl konzeptionsbegleitender Konferenzen, Dienstgespräche, Abteilungs- und Fachbereichskonferenzen, Arbeitskreise, Teamsitzungen und Koordinationstreffen
  • vermehrte Korrektur- und Verschriftlichungsarbeit – auch wegen neuer, teils zusätzlicher Prüfungsformate, vermehrter zentraler Prüfungen und zieldifferenten Unterrichts, darunter Prüfungen zur Feststellung der mündlichen Sprachkompetenz in modernen Fremdsprachen sowie das Verfassen von Wortgutachten für Inklusionsschüler*innen und Geflüchtete
  • häufigere Gespräche mit Erziehungsberechtigten, Sozialassistent*innen, Erziehungsberatungsstellen, Fachärzt*innen, Kommunalen Integrationszentren, Maßnahmeträgern und Ausbildungsbetrieben
  • Zunahme des Integrationsaufwands von problematisch sozialisierten oder lernschwachen Kindern
  • gestiegene Belastungen durch häufigere Gründungen von Zweit- und Drittstandorten von Schulen ohne Lösungen und Ressourcen beispielsweise für Mehraufsichten, Fahrtwege, schwierigere Stundenpläne oder zu besetzende Sekretariate an mehreren Orten
  • Räume und Ausstattung, die den Anforderungen moderner Unterrichtsformen und gesunder Lern- und Arbeitsbedingungen nicht mehr entsprechen, zum Beispiel Unterricht in Containern oder Raumsystemen
  • gestiegene zusätzliche Belastungen durch Wartung und Instandhaltung der Medientechnik durch Kolleg*innen, ebenso Verpflichtung zu berufsfremden Arbeitsaufträgen und berufsfremden Posten, zum Beispiel für Erste Hilfe, Feuerschutz, Datenschutz und lT, Jugend- und Medienschutz, Gesundheit oder Arbeitssicherheit
  • Vorbereitung, Durchführung und Nacharbeiten im Zusammenhang mit Qualitätsanalysen
  • kaum realistisch mögliche Entlastungsansätze für Teilzeitkräfte

Belastungen senken, Schule systemisch anders steuern!

Angesichts des derzeitigen Lehrkräftemangels treffe diese systemisch gesetzte Mangellage die Kolleg*innen in vielen Bereichen besonders drastisch, kritisiert die GEW Herne. Wo Stellen unbesetzt bleiben, schulterten die übri-gen Kolleg*innen die Massen an Aufgaben irgendwie mit.
Damit sich das ändert, unterstützt die GEW Herne die Lösungsansätze, die die Resolution aufzeigt: Sie fordert Senkungen der Pflichtstundenzahl und der Klassengröße, bauliche Maßnahmen – etwa Schalldämmung – und die Bereitsstellung angemessener Arbeitsplätze und -materialien. Das Land müsse deutlich mehr Sonderpädagog*innen, Schulpsycholog*innen, Schulsozialarbeiter*innen, Fachkräfte für Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache und IT-Fachleute einstellen. Darüber hinaus müssten die Schulen dem Aufgabenvolumen angemessen mit Anrechnungsstunden ausgestattet werden sowie über eine ausreichende, realistische Vertretungsreserve verfügen.
Daneben unterstützt die Bildungsgewerkschaft in Herne die Forderung der Resolution, dass auch die zahlreichen systemischen Widersprüche aufgehoben werden müssen: Das Schulsystem kann nicht zugleich inklusiv und selektiv-allokativ sein! Die Forderung nach individualisierender Kompetenzorientierung passt nicht zur immer stärkeren Standardisierung, zum Beispiel durch mehr zentrale Prüfungsformate.
Die GEW Herne fordert Schulministerin Yvonne Gebauer und das Ministerium auf, sich der Kritik von zahlreichen Kolleg*innen an tagtäglich wahrgenommenen und erlebten mangelhaften systemischen Bedingungen und Setzungen endlich zu stellen. Jetzt sei unverzüglich verantwortungsvolles Handeln gefragt – um das Gesamtsystem, die Ergebnisse aller Bildungsbemühungen und das persönliche, gesundheitliche Befinden aller Lernenden und Lehrenden zu verbessern.


Carsten Piechnik
Mitglied im Vorstand der GEW Herne

Fotos: Rike. / photocase.de, iStock.com / Maximkostenko

 

Überlastungsanzeige – so geht‘s

Eine Resolution ist ein Versuch, die Probleme vor Ort auf einem schnelleren Weg für alle zu lösen. Ein Hinweis auf eine individuelle Problemdarstellung – wie hier die Überlastungsanzeige – ist dagegen der zumeist längere Weg einer juristischen Klärung im Einzelfall. Das MSB hat sich in diesem Fall leider nicht auf schnelle Lösungen eingelassen und spielt damit auf Zeit.
Die Belastungsanzeige wie die Überlastungsanzeige juristisch korrekt heißt, ist bei Arbeitsüberlastung nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht für jede*n Beschäftigte*n. Das ergibt sich aus dem Arbeitsschutzrecht (§§ 15 – 17 Arbeitsschutzgesetz) sowie für Beamt*innen aus der Pflicht zu sorgsamer Pflichterfüllung. Dazu gehört auch, den Dienstherrn auf mögliche Gefahren hinzuweisen.

Was ist eine Überlastungsanzeige?

Die Überlastungsanzeige ist ein schriftlicher Hinweis an den Arbeitgeber, dass aufgrund von Arbeitsüberlastung die ordnungsgemäße Erfüllung der Arbeitsleistung gefährdet ist. Negative Konsequenzen darf eine solche Gefährdungsanzeige für die Beschäftigten nicht haben.
Die Überlastungsanzeige schützt auch vor Haftungsansprüchen. Sie hat direkte Auswirkungen auf die Haftungsfrage der Beschäftigten, wenn wirklich einmal etwas passieren sollte. Mit der Überlastungsanzeige wird bei tatsächlicher Überforderung die Verantwortung an die nächst höhere Stelle weitergereicht.

Welche Formalien sind wichtig?

Die Anzeige sollte individuell gestellt werden und Datum, Name der Person, Name der Schule und die konkrete Situation in wenigen Worten beschreiben. Hilfreich ist auch eine Gegenüberstellung von der bisherigen und der neuen Arbeitssituation. Beispiele für Überlastung in der Schule sind fehlendes Personal, das sich durch die notwendige und tatsächliche Anzahl der Beschäftigten verdeutlichen lässt oder nicht ausreichende fachliche Qualifikation der eigenen Person oder der Kolleg*innen, zum Beispiel im Fall eines fachfremden Einsatzes und damit verbundener erhöhter Vorbereitungsaufwand. Es sollte so konkret wie möglich beschrieben werden.
Die Überlastungsanzeige ist dem nächsten Dienstvorgesetzten, also der Schulleitung, zu übergeben und deren Eingang sollte bestätigt werden. Kopien der Anzeige sollten der Lehrerrat, der Personalrat und gegebenfalls die Schwerbehindertenvertrauensperson erhalten. Sollte nicht zeitnah, nach spätestens vier Wochen, eine Reaktion erfolgen oder Abhilfe geschaffen werden, muss zumindest von der Dienststelle ein Zwischenbescheid an die betroffene Lehrkraft ergehen, dass die Sache bearbeitet wird.

Ein Beispiel für eine Überlastungsanzeige

„Ich zeige eine Überlastung in meiner Tätigkeit an, um negative Folgen für die Dienststelle und mein Dienstverhältnis zu vermeiden. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass mögliche Fehler oder falsche Reaktionen in meiner Tätigkeit aus der nachstehend geschilderten Überlastung resultieren können. Aus den aufgeführten Gründen sind diese Fehler nicht von mir zu verantworten. Sowohl eventuelle Ansprüche auf Regress von Seiten Dritter als auch dienstrechtliche Sanktionsmaßnahmen weise ich vorsorglich zurück.“ Anschließend folgt die Begründung.

Ute Lorenz
Referentin für Beamt*innenrecht und Mitbestimmung der GEW NRW

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