Erfolgreich lernen mit Social Media

Benjamin Hadrigan: „Endlich den Schritt ins 21. Jahrhundert wagen!“

Benjamin Hadrigan hat sich mit seiner eigenen digitalen Lernmethode vom Bildungsverlierer zum Einserschüler und Buchautor entwickelt. Zum Lernen setzt er auf Snapchat, Instagram und WhatsApp – und kritisiert, dass das Bildungssystem immer noch hinter seinen Möglichkeiten bleibt.

nds: Sie haben in der Schulzeit mit den Sozialen Medien Snapchat, Instagram und Whatsapp gelernt und Bestnoten erreicht. Wie funktioniert diese Methode?

Benjamin Hadrigan: Beim Lernen geht es, grob formuliert, um vereinfachte Kommunikation, sowohl mit sich selber als auch in der Gruppe. Wenn man zum Beispiel einen schwierigen Inhalt lernen muss, geht es darum, wichtige von unwichtigen Informationen zu unterscheiden, und sich die wichtigen einzuprägen. Social Media sind deshalb so gut zum Lernen, weil sie sich perfekt für das Vereinfachen eignen. Dafür sind sie gemacht.
Früher haben die Menschen Briefe oder lange E-Mails geschrieben oder eine halbe Stunde über eine Sache telefoniert, jetzt senden sie einander zum Beispiel kurze WhatsApp-, Instagram- oder Snapchat-Nachrichten, in denen alles drin steht. Diese drei Apps habe ich in den Fokus meiner Lernmethode gestellt, weil sie in der Altersgruppe der Schüler*innen zurzeit die beliebtesten sind. Das Ganze funktioniert so: Instagram ist dazu da, den Stoff aufzubereiten, zu vereinfachen und zu visualisieren. Snapchat dient dem gegenseitigen Abprüfen und dem Festigen des Wissens. WhatsApp sehe ich als administrative Basis, über die man sich mit Lernfreund*innen organisiert oder in Gruppenchats miteinander den Stoff durchgeht.

Digitale Ausstattung in Schulen ist zwar wichtig, reicht allein aber nicht aus. Warum brauchen Schüler*innen heute neue, andere Techniken zum Lernen als früher?

Die Schule zu digitalisieren, ist absolut der richtige Weg. Leider beschränken sich die meis-ten Digitalisierungsmaßnahmen jedoch auf das Anschaffen von Laptops und Beamern, die in dem Moment, in dem sie bei den Schulen ankommen, schon nicht mehr zeitgemäß sind. Anstatt Milliarden von Euro in solche sinnlosen Anschaffungen zu stecken, sollten die Zuständigen lieber erkennen, dass heutzutage sowieso schon jedes Kind digitalisiert ist, und zwar durch das Smartphone! Stattdessen wird immer wieder diskutiert, Smartphones in Schulen zu verbieten, damit würde man jedoch einen riesigen Schritt in die falsche Richtung machen.
Meiner Meinung nach sollten die wichtigsten Reformen des Bildungssystems diese sein: Erstens weg vom Frontalunterricht. Schüler*innen werden Lehrinhalte heute immer noch reingehämmert wie schon im 18. Jahrhundert. Auf die individuellen Stärken und Schwächen wird meistens keine Rücksicht genommen, die meisten Schüler*innen wissen nicht einmal, dass es auch andere Lerntechniken gibt oder dass jede*r auf eine andere Weise besser lernt. Hier herrscht dringender Nachholbedarf. Zweitens eine sinnvolle Digitalisierung, innerhalb der die Handys auch in den Lernprozess eingebaut und die richtigen Techniken dafür vermittelt werden. Für beides benötigt es spezielle Fächer und Coaches, die in die Schulen gehen, um das den Schüler*innen beizubringen.

Es geht also darum, dass jede*r Schüler*in ihre*seine individuelle Lerntechnik herausfindet. Bevor Sie Ihre eigene Methode gefunden haben, waren Sie kein besonders guter Schüler. Was hat für Sie den Unterschied gemacht?

Das stimmt, ich war früher sogar richtig schlecht in der Schule, mit elf Jahren hätte ich fast eine Klasse wiederholen müssen. Auch meine Lehrer*innen haben mich nur als den dummen Schüler gekannt, als den Totalversager, die taube Nuss. Irgendwann hatte ich genug von dieser Rolle. Als ich einer Lehrerin das gesagt habe, und dass ich im nächsten Test eine Eins schreiben werde, hat sie mich ausgelacht. Sie meinte, das würde ich doch nie hinkriegen. Ich habe dann tatsächlich keine Eins geschrieben, aber meine Motivation war geweckt. Ich habe verstanden, dass ich mich erstmal damit beschäftigen muss, wie Lernen eigentlich geht. Dazu habe ich mich mit verschiedenen Techniken beschäftigt und damit, welche Lerntypen es gibt und welcher ich bin. Das hat letztendlich den entscheidenden Unterschied und mich zum Lernsieger gemacht. Es war ein verdammt gutes Gefühl, meine erste Eins in den Händen zu halten. Sie war mir nicht in den Schoß gefallen. Ich hatte sie mir erkämpft und nun wusste ich, wie ich immer wieder Einsen schreiben konnte.

Inwiefern müssen auch Lehrkräfte und Schulbehörden dazulernen, um Schüler*innen angemessen unterrichten zu können?

Die Lehrer*innen müssen genauso wie die Schüler*innen erstmal in diesen neuen Lerntechniken gecoacht werden. Gerade ältere Lehrer*innen sind ja mit Smartphones und Social Media total überfordert. Das soll auch kein Vorwurf sein, sondern ist völlig verständlich, weil sie einfach nicht damit aufgewachsen sind. Da sind Schüler*innen als Digital Natives heute einfach viel weiter. Das derzeitige Bildungssystem lässt ja auch diese Lehrkräfte im Stich. Sie selbst wissen ja, dass sie in Wirklichkeit überfordert sind, versuchen aber, ihre Rolle der Allwissenden weiterzuspielen. Daraus entstehen Spannungen mit den Schüler*innen, Stresszustände und Burnout.

Und welche Erfahrungen hast du im Gegensatz dazu mit jüngeren Lehrkräften gemacht?

Bei jüngeren Lehrer*innen sehe ich öfter den Drang, ihren eigenen Unterricht zu modernisieren, das haben mir zum Beispiel die vielen begeisterten und positiven Reaktionen von Lehrkräften auf mein Buch gezeigt. Aber auch die müssen sich natürlich an ihre Weisungen halten und können im Unterricht nicht einfach machen, was sie wollen. Das meist starre System führt dazu, dass sie aufgeben, Dienst nach Vorschrift machen und dabei nicht nur ihre digitalen Kenntnisse brachliegen lassen, sondern auch den Anschluss an die unentwegte Weiterentwicklung aller digitalen Techniken und Möglichkeiten verlieren. Solange die Bildungspolitiker*innen nicht aufhören, die Vergangenheit fortzuschreiben, und endlich den Schritt ins 21. Jahrhundert wagen, wird sich nichts ändern.

Wie sieht eine optimale Lernumgebung in der Zukunft aus?

Meine Wunschschule der Zukunft ist digital. Das heißt: kein langweiliger Frontalunterricht mehr. Stattdessen nehmen die Lehrer*innen ihre Unterrichtseinheiten als spannende Video-vorträge auf, die Schüler*innen sich überall und jederzeit ansehen können. Lehrkräfte, die in solchen Videos auftreten, sind für diese Rolle besonders gut geeignet, sie sind charismatisch und haben die Gabe, Stoff spannend zu vermitteln. Sie produzieren ihre Videos dann immer gleich für tausende von Schüler*innen, nicht nur für eine Klasse. Die Schüler*innen sitzen daheim auf ihren Sofas und sind dabei via Social Media miteinander verbunden.
Ein klassisches Schulgebäude gibt es auch noch. Aber die Einheiten dort dienen nur mehr dem Festigen des Stoffes und dem Beseitigen von Unklarheiten seitens der Schüler*innen. Gelernt wird natürlich über das Smartphone mit Klassenkolleg*innen oder alleine. Der nächste logische Schritt ist die Implementierung von Virtual Reality. Diese Technik wird immer ausgereifter, und wird, denke ich, bald schon massentauglich sein. Dann würden sich die Schüler*innen mit ihren Lehrer*innen in virtuellen Räumen treffen, in denen die Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem Schulstoff natürlich um einiges vielfältiger sind. Um den zwischenmenschlichen Kontakt nicht zu vernachlässigen, kann man in herkömmlichen Unterrichtseinheiten mehr Fokus auf Exkursionen und praktische Übungen legen. Auch soziale Offlineinteraktion kann dabei Unterrichtsgegenstand sein.

Die Fragen stellte Jessica Küppers.

Fotos: shape, Helgi / photocase.de; Lukas Beck

 

5 Comments
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Kommentare (5)

  • Roland Hirsch Hype der Digitalisierung
    .. Dazu habe ich mich erstmal damit beschäftigt, wie Lernen geht und ich hatte sie mir erkämpft (die Eins). Und das ist der springende Punkt. Lernen heißt sich intensiv mit einem Thema auseinandersetzen bzw. zu beschäftigen. Dabei ist das Mittel zweitrangig, ob analog oder digital. Und der Sieg bei einem Kampf fällt einem auch nicht in den Schoß und so ist das beim Lernen auch. Und genau daran hapert es in vielen Bildungseinrichtungen, nicht nur in der Schule sondern auch in der Universität. Auf den Punkt gebracht: Lernen kostet Zeit (die sich nur noch wenige nehmen wollen) und Anstrengung (die viele auf ein Minimum reduzieren wollen).


  • Dr. Daniel Wieczorek Ich habe mich sehr darüber geärgert, dass in derselben Ausgabe der NDS-Zeitschrift der exzellente Artikel von Brüning und Saum zur Direkten Instruktion gemeinsam mit diesem Interview veröffentlicht wurde. in einer demokratisch verfassten Gesellschaft darf zwar jeder Bücher schreiben, aber es ist mir nicht begreiflich, wieso einer Person, der erkennbar jegliche Expertise zu diesem Thema fehlt, eine derartige Bühne geboten wird.

    Hier wird, angereichert durch zahlreiche Fehlvorstellungen zum Thema Lernen, vollkommen vergessen, dass es immer darum geht, sich intensiv _gedanklich_ mit Inhalten auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund kann es auch keine sog. "Lerntypen" geben, da jeder Mensch kognitiv lernt. Bei Herrn Hadrigan - und anscheinend auch seinen Lehrkräften?! - scheint es hingegen um ein sinnentleertes, oberflächliches Lernen zum Zwecke der bloßen Reproduktion zu gehen; vgl. dazu Maike Looß - Lerntypen? Ein pädagogisches Konzept auf dem Prüfstand.


  • Rüdiger Wüllner Ich wünsche mir, dass „meine“ Gewerkschaft ihre(n) mehr oder weniger unreflektierte(n) Umgang/Nutzung mit den bzw. der „sozialen“ Medien überdenkt und ändert.
    Nicht nur ein Internet-Pionier warnt vor den (ökonomischen) Interessen hinter den einschlägigen Konzernen: Obwohl sie wissen, dass diese Kommunikationsformen Gesellschaften spalten und erodieren, werden weiterhin die Algorithmen mehr auf Zorn/Hass/Hetze getrimmt, weil so mehr Geld zu verdienen ist (vgl. Jaron Lanier in einem Kurzvortrag - https://youtu.be/BCTlcj5vImk).

    Leider macht die GEW hier - aus meiner Perspektive: unreflektiert mit...

    Rüdiger Wüllner, Duisburg


  • Frank Martini Die Positionen der bisherigen Kommentatoren kann ich nachvollziehen - indes weiß ich bei genauer Lektüre nicht, ob der Interviewte durch seine SM-Nutzung in Verbindung mit dem Leidensdruck seiner Rolle bloß die nötige Lernmotivation erreicht hat, oder es tatsächlich methodologisch damit etwas auf sich hat.
    Das bloße Abstellen auf Verkurzungen in der Antwort auf die erste Frage lässt das eher nicht vermuten - aber hier bleibt das Interview auch schwach und hinter dem Versprechen in der Headline zurück.
    Bei den relativ - nennen wir es mal „kursorischen“ - Antworten des Interviewten wäre es an der Interviewerin gewesen, deutlich nachzuhaken, statt einfach zur zweiten Frage überzugehen! Denn ihre entscheidende Frage wird vom Interviewten absolut unzureichend und unklar beantwortet - jedenfalls im journalistischen Sinne eines „ich vermisse das Fleisch in der Suppe“.
    Als Außenstehender, der sich weder mit Hadrigan, noch seinem Buch beschäftigt hat, mag ich das auf dieser Basis nicht...


  • Frank Martini ...beurteilen. Allerdings stelle ich angesichts der von Hadrigan genannten Apps fest, dass er - für einen Studienanfänger - einen erschreckend unkritischen Umgang mit moderner Medientechnologie zeigt!
    Ein Punkt, der jungen Menschen heute vielfach vorgeworfen wird - sie gelten zwar als „digital natives“, jedoch beschränkt sich die Vertrautheit im Umgang mit insbesondere mobiler Medientechnologie auf ein reines Anwenderwissen, ohne jede Kenntnis der im Hintergrund ablaufenden technischen Prozesse und/oder (zumindest) eine kritische Reflektion gerade solcher SM wie WA oder Instagram.
    Ganz sicher - auch das wird mit keinem Wort beleuchtet - sind diese Technologien nicht als Werkzeuge einer Wissensvermittlung oder didaktischer Eignung optimiert. Der „Hype“ um den jungen Mann kann insofern nur verwundern...
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