Erwachsenenbildung: Integration ist mehr als der Deutschkurs

Gute Arbeit in der Erwachsenenbildung

Rund 70 Prozent der Geflüchteten kommen als Erwachsene in unser Bildungssystem. Für sie ist die Erwachsenenbildung die Anlaufstelle für den Zugang zu Teilhabe. Und dabei geht es um weit mehr als nur den Deutschkurs: Die Erwachsenenbildung schafft unter anderem Orientierung an den Werten unseres Grundgesetzes und Kompetenzen zur Bewältigung des Alltags. Sie bereitet auch den Zugang zum Arbeitsmarkt vor.

„Ankommen: mehr als Sprache“ ist eine der Überschriften aus dem Integrationsplan NRW, der Grundlage für eine 2016 im Landtag verabschiedete Resolution war. „Bildungschancen unabhängig vom Alter“ ist eine weitere. Die Lektüre des Integrationsplans lohnt sich, denn er beschreibt nicht nur Leistungen und Aufgaben der Erwachsenenbildung, sondern ist zugleich eine Selbstverpflichtung des Landes, die Erwachsenenbildung ihrer gesellschaftlichen Aufgabe gemäß zu positionieren und auszustatten. Erwachsenenbildung kann und braucht aber noch viel mehr!

Angebote für ein gelingendes Zusammenleben

Die gemeinwohlorientierte Weiterbildung stemmt nicht nur den größten Anteil der Integrationskurse. Sie bietet – vielerorts auch digital unterstützt – Deutschkurse für Flüchtlinge an, die keinen Zugang zu vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten Angeboten haben. Wenn sie in NRW ankommen sollen, benötigen jedoch nicht nur sie, sondern auch die bereits heimischen Bürger*innen Platz für Begegnungen und das gegenseitige Kennenlernen. Gemeinsam werden EDV-Kenntnisse erweitert, Englischkenntnisse vertieft oder die vielfältigen Angebote zur Gesundheitsbildung, in der Familienbildung oder im kreativen Bereich genutzt. Und gemeinsam werden im Zweiten Bildungsweg (ZBW) Schulabschlüsse angestrebt.
Damit das Zusammenleben gelingt, brauchen nicht nur Geflüchtete Orientierung über das politische System und die Vermittlung der Basis unseres Grundgesetzes. Politische Bildung findet deshalb nicht nur im Orientierungskurs statt, der auf den Integrationskurs folgt, sondern wendet sich sowohl in der gemeinwohl-orientierten Weiterbildung als auch im zweiten Bildungsweg an alle.
Um die Begleitung von Geflüchteten zu unterstützten, berät die Erwachsenenbildung ehrenamtliche Bürger*innen, bildet sie aus und weiter. Mit Trainings zur interkulturellen Kompetenz oder Sprachkursen – zum Beispiel für Sozialarbeiter*innen – trägt sie zu einer guten Verständigung bei. Und nicht nur nebenbei leistet die Erwachsenenbildung Bildungsberatung für Geflüchtete und ihre Helfer*innen. Die Lehrkräfte, aber auch das begleitende pädagogische Personal übernehmen oft über ihre ursprünglichen Aufgaben hinaus Beratung, Hilfestellung, Wertevermittlung.

Integration ist mehr als der Deutschkurs

Aufgabengerechte Finanzierung und Unterstützung ermöglichen

Das Arbeitsfeld der Erwachsenenbildung hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt – im Bereich Deutsch als Fremdsprache weg vom klassischen Bild der Erwachsenenbildung zu einem immer stärker verschulten System. Und in allen Bereichen der Erwachsenenbildung – nicht nur im Deutschkurs – treffen Lehrkräfte zunehmend auf Lernende mit nicht muttersprachlichen Deutschkenntnissen und auf durch Fluchterfahrungen geprägte Lernende. Im Umgang mit diesen neuen Herausforderungen brauchen die Lehrkräfte zusätzliche Unterstützung durch Fortbildung und kontinuierliche Beratung sowie durch sozialpädagogische Unterstützung. Den gewachsenen und veränderten Aufgaben muss außerdem eine massive Erhöhung der Mittel für die gemeinwohlorientierte Weiterbildung folgen. Der Rücknahme der schwarz-gelben Kürzungen muss nun eine aufgabengerechte Finanzierung der Strukturen und Angebote folgen, die tarifliche Beschäftigung in allen Bereichen ermöglicht. Sie muss aber vor allem, der vorherrschenden prekären Beschäftigung und Unterbezahlung der Lehrkräfte ein Ende setzen.

Berufliche Erwachsenenbildung

Von der öffentlichen Wahrnehmung fast unbemerkt tut sich im Bereich der durch die Agentur für Arbeit geförderten Maßnahmen ein riesiger Markt auf, der vielerorts durch die Konkurrenz lokaler Träger aber auch überregionaler Anbieter geprägt ist. Diese Angebote, die meist Sprachanteile und Maßnahmen zur beruflichen Bildung wie Bewerbungstrainings, Angebote zur beruflichen (Neu-)Orientierung oder zur Vermittlung von Praxiswissen kombinieren, können tatsächlich zu einer guten Bildung von Geflüchteten beitragen. Noch hapert es jedoch an der Abstimmung zwischen Bund, Land und Kommunen sowie freien Trägern.
Die gemeinwohlorientierte Weiterbildung tritt in diesem Bereich sowohl als Anbieterin von hochwertigen Maßnahmen als auch als kompetente Kooperationspartnerin auf. Gerade die Volkshochschulen können als die kommunale Anlaufstelle für die Bildung erwachsener Flüchtlinge in Regionalen Bildungsnetzen eine entscheidende Rolle spielen.

Helle Timmermann
Leitungsteam der Fachgruppe
Erwachsenenbildung der GEW NRW

Illustration: PureSolution / shutterstock.com, Foto: Jens Lumm / photocase.de

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