Was kostet zeitgemäßer Unterricht?

Kostenkalkulation von Medienausstattung an Schulen

Am 15. März 2016 sprach Schulministerin Sylvia Löhrmann beim GEW-Lehrerrätekongress darüber, wie mit digitalen Medien Schule und Unterricht weiterentwickelt werden können. Eine Teilnehmerin berichtete anschließend lebensnah, wie es an ihrer Schule tatsächlich sei. Es ist unübersehbar, dass an vielen Orten eine scheinbar unüberbrückbare Diskrepanz zwischen zweifellos vorhandenen pädagogischen Chancen  und der Realität besteht.

Leider kalkulieren nur wenige Schulträger ihre Haushaltsansätze nach pädagogischen Anforderungen, sondern machen es genau andersherum: Erst werden die Haushaltsansätze beschlossen, dann die Schulen zur Einreichung ihrer Konzepte aufgefordert und anschließend „nach Maßgabe des Haushalts“ Investitionen getätigt. Wenn aber Haushaltsansätze nach (stets knapper) Kassenlage ohne sorgfältige Vorkalkulation erstellt und dann über Jahre einfach fortgeschrieben werden, ohne den eigentlichen Finanzbedarf seriös zu ermitteln, darf sich niemand wundern, wenn Ausstattung und Betrieb unterfinanziert sind und bleiben.

Kosten für die Medienausstattung: ein Modell zur Berechnung im Alltag

Für die Beratungspraxis ist es wichtig, schnell im Kopf überschlagen zu können, ob die pädagogischen Ziele mit der vorgesehenen Ausgabenhöhe in Einklang zu bringen sind. Wer es mit Schulen und Schulträgern unterschiedlicher Größe zu tun hat, benötigt hierzu ein einfaches, nach Schüler*innenzahl skalierbares Rechenmodell, mit dem sich die Gesamtkosten für Beschaffung und Betrieb einer angemessenen und nachhaltig verfügbaren Medienausstattung annähernd ermitteln lassen. Das folgende Modell wurde genau für diesen Zweck entwickelt und immer wieder an echten Zahlen aus der Praxis und an komplexeren Modellrechnungen verifiziert.
Folgende Kostenblöcke fließen in die Überschlagsrechnung ein:

  • Digitale Endgeräte, einschließlich pauschalisierter Kostenanteile für Software, Server, aktive Netzwerkkomponenten, Internetfilter und Drucker
  • Präsentationstechnik in den Unterrichts- räumen
  • Wartung und Administration der Endgeräte und der Präsentationstechnik
  • Internetzugang, W-LAN, Online-Plattform

Diese Kostenblöcke erfordern die Kalkulation von Durchschnittsbeträgen pro Schüler*in und Jahr, die über den Betriebszeitraum zur Verfügung stehen müssen. Hierzu werden neben den Stückkosten innerhalb der Blöcke Kennzahlen zum Ausstattungsvolumen benötigt. Kosten für eine Gebäudeverkabelung werden dabei außen vor gelassen, da sie sehr stark von baulichen Begebenheiten abhängen.

Endgeräte, Software, Peripherie und aktive Netzwerkkomponenten

Um nicht zu viele Parameter berücksichtigen zu müssen, werden pauschal die Kostenanteile für Dinge wie Software, eventuelle Ersatzteile während des Betriebszeitraums, Schulserver, Switches, Drucker und Internetfilter mit eingerechnet, da diese in brauchbarer Näherung mit der Anzahl der Endgeräte skalieren. Nun müssen wir noch wissen, auf wie viele Schüler*innen ein Endgerät kommen soll. Die Kosten für Block eins errechnen sich dann mit dieser Formel:

(Kosten pro Schüler*in und Jahr) = (Kosten Endgerät) : (Betriebsdauer) : (Schüler*innen-Geräte-Relation)

Die Formel lässt sich leicht mit konkreten Zahlen testen: Bei den Kosten für Endgeräte gibt es eine recht große Bandbreite. Realistisch sind derzeit Werte zwischen 1.000,- und 1.500,- Euro pro Gerät, wenn die oben genannten Komponenten hinzugerechnet werden. Wenn wir einen mittleren Wert von 1.200,- Euro und eine Betriebsdauer von fünf Jahren annehmen,  erhalten wir als Zwischenergebnis 240,- Euro pro Gerät im Jahr. Sollen sich zehn Schüler*innen ein Gerät teilen, ergibt das Kosten von 24,- Euro pro Schüler*in im Jahr.
Damit können Schüler*innen maximal während zehn Prozent ihrer Unterrichtszeit ein digitales Gerät nutzen. Das reicht aus, um grundlegende Medienkompetenzen zu vermitteln, aber keinesfalls, um systematisch Unterrichtsentwicklung durch Einsatz digitaler Medien zur individuellen Förderung zu betreiben. Hierfür wäre eine Ausstattungsdichte von maximal fünf Schüler*innen pro Gerät angemessen. Die Kosten würden dann nach den eingesetzten Zahlen 48,- Euro pro Schüler*in im Jahr betragen.

Präsentationstechnik

Die Verfügbarkeit digitaler Präsentationstechnik sollte in jedem Unterrichtsraum eine Selbstverständlichkeit sein, um digitale Lernmittel sowie Arbeitsergebnisse aus Lerngruppen verfügbar zu machen. Die Kosten pro Schüler*in und Jahr lassen sich analog zu den Kosten für die Endgeräte kalkulieren:

(Kosten pro Schüler*in und Jahr) = (Kosten einer Präsentationseinheit) : (Betriebsdauer) : (Anzahl Schüler*innen pro Unterrichtsraum) : (Unterrichtsräume pro Präsentationseinheit)

Welche Kosten ergeben sich beim Einsetzen konkreter Zahlen? Präsentationseinheiten können schnell zwischen 1.000,- und 5.000,- Euro oder mehr kosten. Nehmen wir einmal an, dass ein Viertel der Unterrichtsräume mit fest installierten Einheiten ausgestattet wird und eine gleiche Anzahl mobiler Einheiten zur Verfügung stehen soll, mit denen alle anderen Unterrichtsräume in jeder dritten Stunde bestückbar wären. Setzen wir für eine Präsentationseinheit samt Equipment während einer fünfjährigen Betriebsdauer 1.500,- Euro an, so betragen die Kosten pro Einheit im Jahr 300,- Euro. Für 50 Prozent der Räume soll eine Einheit beschafft werden. Unter der Annahme, dass ein Unterrichtsraum auf 15 Schüler*innen kommt, enden wir bei zehn Euro pro Schüler*in und Jahr.
Sollen die Kosten für interaktive Tafeln berechnet werden, wird es abermals etwas komplexer, denn die Betriebsdauer der unterschiedlichen Komponenten wie Beamer, Board und Höhenverstellung unterscheidet sich. Bei Berücksichtigung der Anteile passiver und interaktiver Präsentationstechnik erhöht sich die Komplexität noch einmal. Generell gilt: Durch Interaktivität wird es nicht billiger.

Wartung und Support

Für Wartung und Support der Infrastruktur an Schulen gibt es eine Vereinbarung zwischen dem Ministerium für Schule und Weiterbildung und den kommunalen Spitzenverbänden, die eine Aufteilung zwischen First- und Second-Level-Support vorsieht. Je nachdem, wie viele Leistungen von der Schule erbracht werden und je nach Reaktionszeiten des Second-Level-Supports, gibt es Unterschiede bei der Kalkulation. Die allgemeine Formel zur Berechnung wäre:

(Kosten pro Schüler*in und Jahr) = (Jahresarbeitskosten eines Admin) : (Anzahl betreuter Geräte) : (Geräte pro Schüler*in)

Setzen wir Jahresarbeitskosten von 60.000,- Euro an und veranschlagen 500 zu betreuende Geräte für einen Admin, erhalten wir 120,- Euro pro Gerät. Teilen sich zehn Schüler*innen ein Gerät, enden wir bei zwölf Euro pro Schüler*in im Jahr, bei einer Verteilung von 5 : 1 müssen 24,- Euro pro Schüler*in im Jahr angesetzt werden.

Online-Plattform, W-LAN und Internetzugänge

Die restlichen Beträge fallen vergleichsweise gering aus. Eine Online-Plattform kostet für eine weiterführende Schule bis zu drei Euro pro Schüler*in und Jahr. Die Kosten für Breitbandanschlüsse bei den großen Telekommunikationsanbietern  liegen bei zwei bis vier Euro je Schüler*in im Jahr. Für ein professionelles W-LAN können für eine Schule mit 1.000 Schüler*innen und einer Betriebsdauer von fünf Jahren je nach Gebäude zwischen 15.000,- und 25.000,- Euro veranschlagt werden. Das entspricht pro Schüler*in im Jahr zwischen drei und fünf Euro. An weiterführenden Schulen sollten daher zehn Euro je Schüler*in im Jahr für diesen Kostenblock zur Verfügung stehen. Für Grundschulen sind fünf Euro pro Schüler*in und Jahr sicherlich angemessen.

Was sagen diese Zahlen aus – und was nicht?

Vorgestellt wurde hier ein Berechnungsmodell und keine Kostenberechnung. Die konkret eingesetzten Zahlen dienen nur als Beispiele. Mit einer Tabellenkalkulation lässt sich sehr einfach mit diesen Zahlen „spielen“. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung weist Kosten für eine 5 : 1-Ausstattung von rund 95,- Euro aus. Das Modell führt also zu ähnlichen Ergebnissen wie umfangreiche Studien. Bei kluger Planung und Ausschöpfung wirtschaftlicher Beschaffungsmöglichkeiten lassen sich sicherlich zehn bis 20 Prozent der angesetzten Beträge einsparen.
Wenn aber lediglich 20,- oder 30,- Euro pro Schüler*in und Jahr zur Verfügung stehen, kann man mithilfe des Berechnungsmodells sehr gut herleiten, welche Ausstattung zu diesem Preis zur Verfügung gestellt werden kann – oder auch nicht. In einem solchen Fall dürften sich dann rund 15 Schüler*innen ein Gerät teilen, das sieben bis acht Jahre laufen muss und kaum gewartet werden kann. 

Wolfgang Dax-Romswinkel
Medienberater im Kompetenzteam Rhein-Sieg-Kreis

Foto: Onur Döngel / istockphoto.com

 

Lernen im digitalen Wandel

Digitalisierung ist eines der Kernthemen der NRW-Landesregierung. Daher wurde der Dialogprozess „NRW 4.0: Lernen im Digitalen Wandel“ gestartet, um zu diskutieren, wie das gesamte Bildungswesen besser auf die Anforderungen der digitalen Welt vorbereitet werden kann. Die GEW NRW fordert für Kitas, Schulen, Zentren für schulpraktische LehrerInnenausbildung, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen für die Nutzung digitaler Medien eine deutlich zeitgemäßere Ausstattung. Allein mit Geräten ist es allerdings nicht getan: Ein stabiler Internetzugang und dauerhafter Support durch Fachleute in der Kommune müssen gewährleistet sein. In vielen Einrichtungen übernimmt momentan das Kollegium ohne zusätzliche Zeitressourcen diese Aufgaben.
„Bring your own device“ ist ein Prinzip, das in der Digitalisierung oft angewandt wird – man nutzt ein privates, mobiles Endgerät auch beruflich oder in der Bildungseinrichtung. Für Schule & Co. aber kein umsetzbares Modell, sagt die GEW NRW: Neben der sozialen Komponente ist die Nichtkompatibilität verschiedener Geräte ein zu großes Risiko. Nicht alle Lehrenden und Lernenden können sich ein smartes Endgerät leisten oder möchten viel Geld dafür aufwenden. Oder sie entscheiden, ein privates Gerät nicht in ein externes Netzwerk einzubinden. Für all diejenigen müsste eine individuelle Lösung gefunden werden. Zudem ist Datenschutz auf privat angeschafften und genutzten Geräten eine große Herausforderung.
Lernen im digitalen Wandel hat Auswirkungen auf die Vorbereitung und Durchführung von Unterricht, aber sicher auch auf die Verwaltung. All diese Veränderungen erfordern Datenschutz, erfordern Konzepte und Regeln für den Arbeitsalltag. Keinesfalls darf die Finanzierung einer digitalen Ausstattung von der Haushaltslage der Kommune und von der Schulform abhängen!
www.bildungviernull.nrw

Dorothea Schäfer
Vorsitzende der GEW NRW

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