Wohin will die Weiterbildung in NRW?

Landesstrategie und Weiterbildungsgesetz

Während die Anforderungen kontinuierlich steigen, hat die Landesregierung zuletzt geplante Kürzungen immerhin zurückgenommen. An institutionellen Notlagen und flächendeckender prekärer Beschäftigung ändert sie trotzdem wenig. So kann es auf keinen Fall weitergehen, meinen die GEW NRW und der Gesprächskreis der Landesorganisationen für Weiterbildung. Was muss sich ändern, um die Qualität in den Einrichtungen langfristig zu sichern?

Welche Zukunftsthemen definieren die Weiterbildungseinrichtungen? Welche politischen Ziele verfolgen sie und welche Lösungen schlagen sie dafür vor? Diese Fragen beantwortet das Eckpunktepapier, das der Gesprächskreis der Landesorganisationen für Weiterbildung (kurz: Gesprächskreis) anlässlich der 21. Weiterbildungskonferenz im Landtag verfasst hat. Das Papier dient zugleich als Basis für eine Landesstrategie für die Weiterbildung in NRW.
Das Eckpunktepapier beschreibt die Lage der gemeinwohlorientierten Weiterbildung deutlich: Gestiegen sind nicht allein die inhaltlichen und strukturellen Anforderungen, sondern auch die Kosten zum Beispiel für Personal und Miete. Gleichzeitig wurde die Finanzierung auf einen Stand von vor fast 20 Jahren gedeckelt. Das kann nicht zusammenpassen und war schon im vergangenen Jahr klar! Auch die CDU in NRW schrieb es sich noch im April 2017 ins Regierungsprogramm: „Die mangelhafte Finanzierung der Weiterbildungseinrichtungen in NRW gefährdet die erfolgreiche Bewältigung der Aufgaben.“ Inzwischen ist die gemeinwohlorientierte Weiterbildung im Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) NRW angesiedelt und hier in der Zuständigkeit des Parlamentarischen Staatssekretärs Klaus Kaiser (CDU), von dem nun alle erwarten, dass er der gemeinwohlorientierten Weiterbildung Gutes tut.

Kritisch und konstruktiv: GEW NRW im Gespräch mit dem Ministerium

Die GEW NRW begleitet den Prozess der Weiterentwicklung des Weiterbildungsgesetzes wie immer kritisch, konstruktiv und mit weitergehenden Anmerkungen und Forderungen. Und das konnte die Bildungsgewerkschaft im Fachgespräch mit Klaus Kaiser gleich fortführen. Nachdem bei der Weiterbildungskonferenz erstmalig keine Aussprache im Plenum zur Entwicklung der Weiterbildung stattfand, war es umso wichtiger, dass Vertreter*innen der GEW NRW sich gleich am folgenden Tag im MKW einfanden.
Für das MKW nahmen der Parlamentarische Staatssektretär, der Gruppenleiter Weiterbildung Prof. Dr. Hans-Ulrich Baumgarten sowie die Referatsleiterin für die Allgemeine Weiterbildung Heike Maschner am Gespräch teil. Die GEW NRW vertraten die Landesvorsitzende Dorothea Schäfer sowie Max Georg Beier und Helle Timmermann vom Leitungsteam des Fachgruppenausschusses Erwachsenenbildung. Im Fachgespräch wurden die wichtigsten Folgerungen des Eckpunktepapiers aus GEW-Sicht diskutiert, ergänzt und konkretisiert.

Digitalisierung muss mehr Teilhabe ermöglichen

In seinem Eingangsstatement bei der Weiterbildungskonferenz hatte Klaus Kaiser den Stand der Digitalisierung im Weiterbildungsbereich bereits treffend beschrieben: Qualität von Bildung hänge an mehr als dem Einsatz von Computern und nach wie vor sei bei der Bildung der zwischenmenschliche Kontakt nicht zu ersetzen. Die GEW NRW stimmt dieser Einschätzung zu, geht aber noch einen Schritt weiter: Digitalisierung in der Weiterbildung muss zu mehr Teilhabe führen. Insbesondere die Volkshochschulen haben die Aufgabe, den digitalen Wandel durch entsprechende Angebote zu begleiten. Die „Strategie Digitalisierung der Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen“ des Gesprächskreises liefert dafür schon eine umfassende Aufgabenbeschreibung.
Die Beschäftigten in der Weiterbildung brauchen bei der Digitalisierung auch personelle Unterstützung. „Das erledigt ihr dann nebenbei auch noch”, darf weder für das planende noch für das lehrende, weder für das festangestellte noch das freiberufliche Personal gelten.
Bei der Weiterentwicklung des Weiterbildungsgesetzes müssen neue, digitale Angebotsformate berücksichtigt werden, die sich ebensowenig in Unterrichtsstunden wie in Teilnehmer*innentagen messen lassen. Um die Arbeitszeit in digitalen Angeboten erfassen und bezahlen zu können, müssen Modelle gefunden werden. Mit 1,- Euro mehr pro Unterrichtseinheit für den Einsatz von Moodle ist es hier nicht getan!

Organisationsentwicklung funktioniert nur mit vernetzten Prozessen

Eine Gesellschaft, die durch digitalisierte Prozesse und Kommunikation geprägt ist, sowie der weitere Umbau des Bildungsangebots hin zu einem inklusiven Bildungssystem, das Teilhabe aller ermöglicht und soziale Gerechtigkeit fördert, stellen die Weiterbildung vor Herausforderungen, die nicht voneinander getrennt zu betrachten sind. Kooperationen von Weiterbildungseinrichtungen innerhalb der Bildungslandschaft und darüber hinaus verändern sich permanent und parallel stehen viele Einrichtungen vor den Herausforderungen des Generationenwechsels.
Den dadurch anstehenden Aufgaben müssen die Einrichtungen in ihrer Organisationsentwicklung Rechnung tragen. Dafür braucht die Weiterbildung Unterstützung sowohl auf der Ebene der Landesorganisationen als auch auf Einrichtungsebene. Parallel entwickelte und zentral gesteuerte Einzelkonzepte für verschiedene Zukunftsthemen sind dabei nicht zielführend. Stattdessen müssen Organisationsentwicklungsprozesse miteinander vernetzt gedacht, gefördert und umgesetzt werden.

Welche Bedingungen braucht gute (Weiter-)Bildung?

Die Weiterbildung richtet sich in ihrem Auftrag an alle und das Recht auf ein inklusives Bildungsangebot darf nicht mit der Schulpflicht enden. Um die Förderung von Teilhabe, sozialer Gerechtigkeit, Integration und Inklusion zu verwirklichen, brauchen die Weiterbildungeinrichtungen hochprofessionelle Hauptamtlichkeit in der Planung und Begleitung ihrer Angebote. Die Finanznot darf nicht dazu führen, dass niedrigere Qualifikationsanforderungen für das planende Personal gesetzt werden, um Kosten zu sparen. Gebraucht werden auch qualifizierte Lehrkräfte, die so beschäftigt und bezahlt werden, dass sie den teils auch neuen Anforderungen gerecht werden können, sowie ein Umfeld, das ihnen gutes Arbeiten ermöglicht.
Welche Bedingungen gute Bildung braucht, ist längst kein Geheimnis mehr: Dazu gehören auch in der Weiterbildung multiprofessionelle Teams, Doppelbesetzungen, kleine(re) Lerngruppen und gut qualifiziertes Personal in der Organisation, in der Lehre und ihrer Begleitung. Bei der Weiterentwicklung des Weiterbildungsgesetzes und der Feststellung des finanziellen Bedarfs muss die Landesregierung die so erweiterten Bedarfe mitdenken. Träumerische Wunschvorstellungen? Nein, die GEW NRW zeigt vielmehr auf, wie zeitgemäße und zukunftsfähige Weiterbildung gelingen kann.

Auskömmliche Finanzierung und gerechte Bezahlung nach EG 13

Die finanzielle Ausstattung der nach dem Weiterbildungsgesetz geförderten Einrichtungen muss dafür sorgen, dass Weiterbildung weiterhin – oder besser gesagt: wieder – für alle bezahlbar bleibt. Denn die größten Herausforderungen für die Weiterbildung liegen bei denjenigen, die sich abgehängt fühlen, und bei denjenigen, die es bereits sind. Darüber waren sich die Vertreter*innen des MKW und der GEW NRW im Gespäch einig: Den Volkshochschulen kommt dabei nach wie vor eine herausgehobene Rolle zu.
Die GEW NRW fordert nach wie vor eine dynamisierte, an den Kostensteigerungen orientierte Förderung, zum Beispiel gekoppelt an die gesamten Bildungsausgaben. Gleichzeitig muss die Weiterbildung finanziell so ausgestattet sein, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse beendet werden können. Endlich muss eine Lösung für den Zweiten Bildungsweg gefunden werden, um die Scheinselbstständigkeit in diesem Weiterbildungsbereich zu beenden und Lehrkräfte so zu bezahlen, wie es ihnen zusteht: nach Tarif! Mit einer Bezahlung nach Entgeltgruppe 11 des TVöD ist es hier nicht getan. In einem Gewerkschaftstagsbeschluss von 2017 betont die GEW NRW: Lehrkräfte im Zweiten Bildungsweg sind keine Lehrkräfte zweiter Klasse. Für sie gilt dieselbe Forderungen wie für alle vergleichbaren Lehrkräfte nach einer Eingruppierung in Entgeltgruppe 13!
Eine Lösung für die eklatant divergierenden Honorare zwischen Deutschkursen, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert werden, und dem allgemeinen Kursangebot wird mittlerweile auch von VHS-Leitungen öffentlich gefordert. Viele Honorarkräfte sind schon lange nicht mehr nebenberuflich, sondern hauptberuflich in der Weiterbildung tätig und finden sich immer häufiger in arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungen. Dieser Tatsache muss auch bei der Finanzierung der Angebote Rechnung getragen werden. Für die Einrichtungen dürfen nicht nur Angebote finanzierbar sein, die auf Honorarbasis geleistet werden – auch tarifliche Beschäftigung muss drin sein. Und hier sind nicht nur die Kommunen und anderen Einrichtungsträger gefragt, vielmehr muss das Land als Gesetzgeber klare Vorgaben schaffen und diese auch finanzieren.  
Auch nach der 21. Weiterbildungskonferenz und dem Gespräch im Ministerium sieht die GEW NRW noch viel Klärungsbedarf und Fragen, die gänzlich offen geblieben sind: Wo bleibt bei den Zukunftsthemen die Bildungsberatung? Was ist mit der Gesundheitsbildung, den Fremdsprachen? Besteht hier kein Bedarf? Das sieht die Bildungsgewerkschaft anders.


Helle Timmermann
Mitglied im Leitungsteam der Fachgruppe Erwachsenenbildung der GEW NRW

Fotos: cydonna / photocase.de, iStock.com / AJ_Watt

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