Erstes Pressegespräch der NRW-Schulministerin: Hohe Erwartungen

Erstes Pressegespräch der neuen NRW-Ministerin für Schule und Bildung

Die Pressekonferenz zum Schuljahresauftakt am 25. August 2017, zu der Schulministerin Yvonne Gebauer eingeladen hatte, setzte zunächst räumlich das Signal für Veränderung: Sie fand nicht wie in den vergangenen Jahren im Landtag statt, sondern im Düsseldorfer Zentrum für schulpraktische Lehrer*innenausbildung. Also ganz nah dran an der Praxis in Schule und Lehrer*innenausbildung?

Inklusion: Vorgestellte Maßnahmen greifen zu kurz

Bei der Umsetzung der Inklusion muss es nach Auffassung der neuen Schulministerin ein Umsteuern geben – so weit, so richtig. Die GEW NRW hat immer problematisiert, dass es nicht nur auf die Quote der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelschulen ankommen kann, sondern dass die Qualität der Förderung im Mittelpunkt stehen und die Arbeitssituation der Beschäftigten deutlich verbessert werden muss. Die von der Ministerin vorgestellten Maßnahmen greifen jedoch aus Sicht der Bildungsgewerkschaft zu kurz.
Förderschulstandorte sollen erhalten bleiben, die personelle Ausstattung aber weiterhin nach geltender Zahl der Schüler*innen je Stelle erfolgen. Zur Transparenz wird immerhin beitragen, dass die Förderschulen eigene Stellen aus dem Stellenbudget in ihr Schulkapitel erhalten. Leider soll zugleich an der „Mischrelation“ für die Förderbedarfe Lernen, Sprache, Emotionale und soziale Entwicklung ohne Verbesserung festgehalten werden. Die Grundschulen sollen ebenfalls ein eigenes Stellenbudget bekommen und sonderpädagogische Fachkräfte für die Schuleingangsphase. In der Sekundarstufe I soll das Stellenbudget durch „pädagogisch affines Personal“ ergänzt werden. Staatssekretär Mathias Richter hat sich im Rahmen der GEW-aktiv-Tagung am 8. September 2017 in Gelsenkirchen klar dazu bekannt, dass diese Stellen nicht gedeckelt werden, sondern dem Bedarf entsprechen sollen. Das wäre ein guter Schritt und müsste im Haushalt für 2018 erkennbar werden.
Im Pressegespräch deutete Yvonne Gebauer vorsichtig eine Doppelzählung oder eine eigene Zahl der Schüler*innen je Stelle für das Gemeinsame Lernen an. Die Entscheidung darüber solle aber erst 2018 oder 2019 fallen. Zunächst plant die Schulministerin eine digitale Landkarte, die alle nordrhein-westfälischen Schulen erfasst, in denen Gemeinsames Lernen stattfindet. Erhoben werden soll dabei auch, mit welchen personellen Ressourcen vor Ort jeweils gearbeitet wird. Da aber der Rechtsanspruch bestehen bleibt, der Kindern mit Förderbedarf den Besuch einer Regelschule ermöglicht, und die Eltern in jedem Fall den Förderort wählen dürfen, wird selbst ein gezielterer Ressourceneinsatz in Schwerpunktschulen oder die Einrichtung von Fördergruppen an Regelschulen die hohe Belastung und Überforderung der Lehrkräfte nicht auffangen können.

Schulzeitverkürzung und Unterrichtsversorgung: Halbherzige Lösungen

Wie schon im Koalitionsvertrag dargestellt, wird es im Schulgesetz eine Leitentscheidung für das neunjährige Gymnasium geben. Ausnahmen sollen ermöglicht werden. Die GEW NRW bedauert, dass es keine klare Entscheidung für alle Gymnasien in NRW gibt, zumal nur auf diese Weise eine zerstrittene Schullandschaft verhindert werden kann. Die Änderung des Schulgesetzes soll bis zum Ende dieses Schuljahres erfolgen und gut vorbereitet zum 1. August 2019 in Kraft treten.
Dramatisch waren die Angaben zur Unterrichtsversorgung: Zwar war auch in der Vergangenheit zu Schuljahresbeginn nicht jede ausgeschriebene Stelle besetzt, doch zum Start des Schuljahres 2017 / 2018 waren nur 53 Prozent der Stellenausschreibungen erfolgreich. 2.139 Stellen, vor allem an Grund- und Förderschulen, bleiben damit unbesetzt. Die von Yvonne Gebauer skizzierten Maßnahmen zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels und des Unterrichtsausfalls können allenfalls als Tropfen auf den heißen Stein durchgehen.  „Größer denken!“, forderte Leo Flamm vom WDR und gab damit der GEW NRW recht.
„Um Unterrichtsausfall zu reduzieren, braucht man zehn bis 15 Prozent mehr Lehrkräfte.“

Bildungsgerechtigkeit: Ehrgeizige Zielsetzungen jetzt anpacken!

Auch wenn nur zwei Monate zwischen der Bildung des Kabinetts und dieser Pressekonferenz lagen, war es enttäuschend, dass das zentrale Problem unseres Bildungssystems – die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft – überhaupt nicht angesprochen wurde. Kein Wort zum im Koalitionsvertrag formulierten Ziel: „Wir wollen den Aufstieg durch Bildung möglich machen. Christdemokraten und Freie Demokraten eint die Überzeugung, dass alle Kinder, unabhängig von der Herkunft der Eltern, bestmöglich und individuell gefördert werden müssen, damit jeder einen erfolgreichen Lebensweg einschlagen und sich seine Wünsche und Träume erfüllen kann. Deshalb setzen wir uns das Ziel, beste Bedingungen für die Bildung unserer Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen zu schaffen.“ Ein großes und wichtiges Ziel, das sich nur erreichen lässt, wenn Schulen in herausfordernden Lagen, die mehr als andere die Aufgaben der Inklusion und Integration bewältigen müssen, besondere Unterstützung erfahren.


Dorothea Schäfer
Vorsitzende der GEW NRW

Illustration: matsabe / shutterstock.com

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