Endlich entschlossen handeln

Schulleitung braucht bessere Rahmenbedingungen

Schule leiten und gestalten, Schulentwicklung vorantreiben – trotz spannender und verantwortungsvoller Aufgaben scheint das Schulleitungsamt wenig attraktiv zu sein. Die zahlreichen unbesetzten Stellen an Schulen in NRW, insbesondere im Grundschulbereich, sprechen Bände. Warum ist das so? Und was ist zu tun?

Es ist ein Offenbarungseid der Landespolitik, wenn das Schulministerium 2015 zutreffend schreibt: „Leitungsvakanzen gibt es insbesondere in der Schulform Grundschule seit vielen Jahren in nahezu unveränderter Größenordnung, unabhängig von der Zusammensetzung der jeweiligen Landesregierung.“ Eine umfassende Zustandsbeschreibung und einen spannenden Katalog von Vorschlägen zur Problemlösung und Attraktivitätssteigerung von Schulleitung in NRW bietet der „Abschlussbericht der Projektgruppe Schulleitungen – Diskussionsgrundlage zur Besetzungssituation an nordrhein-westfälischen Schulen“ der im Herbst 2015 vorgelegt wurde.
Allein die Zusammensetzung der Projektgruppe macht den Problemhorizont deutlich: Neben der Expertise der Dienstrechtsgruppe des Schulministeriums, der Sachkenntnis der schulfachlichen Abteilung, des Grundschul- und des Fortbildungsreferats war auch das Gleichstellungsreferat des Ministerium gefragt. Das Geschlechterverhältnis bei den LehrerInnen der Altersgruppe zwischen 35 und 49 Jahren spricht nämlich Bände. Im Schuljahr 2015 / 2016 gab es hier 72,9 Prozent Frauen an allen Schul-formen, an den Gymnasien fast 60 Prozent und an den Grundschulen nahezu 92 Prozent. Der Führungsnachwuchs in den Schulen ist also mit deutlicher Mehrheit weiblich.

Besetzungssituation verbessern

Weitgehend unverändert sind seit Jahren die Zahlen zur Besetzungssituation von Schulleitungsstellen: Mindestens jede siebte Stelle bei den Schulleitungen an nordrhein-westfälischen Schulen ist unbesetzt, bei den Stellvertretungen sind es 27 Prozent, so der Stand von Oktober 2015.
Fasst man die Zahlen für die Schulleitungen und die stellvertretenden Schulleitungen zusammen, so ist die Lage bei den Grund- und den Hauptschulen besonders dramatisch. Nur 72,4 Prozent der Grundschulen haben aufgrund ihrer Größe Anspruch auf eine stellvertretende Schulleitung, nur zwei Drittel dieser Stellen sind besetzt. Von allen Grundschulen haben folglich weniger als die Hälfte, nämlich 48,4 Prozent, eine stellvertretende Schulleitung. An den 448 Hauptschulen stehen 871 Stellen für Leitung zur Verfügung. Davon sind nur 57 Prozent besetzt. Der bei den Hauptschulvakanzen häufig angeführte Hinweis, die geringe Besetzungsquote lasse sich damit erklären, dass viele Schulen von Auflösungsbeschlüssen betroffen sind, ist schlüssig. Wenn aber SchulleiterInnen für die Bildungs- und Erziehungsarbeit sowie für die Personalentwicklung von zentraler Bedeutung sind, ist die geringe Besetzungsquote ein Skandal. Wer macht das Licht an den Hauptschulen aus? Die SchulleiterInnen sind es offenbar nicht. Für die verbleibenden LehrerInnen eine weitere Belastung. Hier ist die Schulaufsicht besonders gefordert.

Leitungszeit aufstocken

In den vergangenen Jahren hat sich die Landespolitik redlich bemüht, die Leitungszeit an den Schulen in NRW zu erhöhen. Im Landeshaushalt 2015 wurden zum Beispiel 357 Stellen zur weiteren Erhöhung der Leitungszeit an allen Schulen zur Verfügung gestellt. Im Zehn-Jahres-Vergleich treten ansehnliche Steigerungsraten zutage. Die Erhöhung der Leitungszeit (2006 / 2007 war noch von Schul-leitungspauschale die Rede) löst allerdings das Problem der mangelnden Attraktivität aufgrund zu hoher Belastung nicht. Wie auch bei Stellenausweitungen in anderen Bereichen hat der Gesetzgeber höchstens zusätzlich entstandene neue Aufgaben in etwa ausgeglichen.
Eigenverantwortung von Schulen, Ausbau des Ganztags, Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern, Ausbau des Gemeinsamen Lernens oder Bildung für geflüchtete Kinder und Jugendliche – die Aufgaben von SchulleiterInnen haben in den letzten Jahren zugenommen und sich verändert. Diese zusätzlichen Aufgaben lassen sich nur schwer in einer Prozentzahl ausdrücken. Sicher ist aber: Der Zuwachs der Leitungszeit in den letzten zehn Jahren war  keine Attraktivitätssteigerung, sondern ein bitter nötiger Ausgleich für mehr Arbeit.
Zudem fordert die GEW NRW gut begründet eine tägliche Anwesenheit der SchulsekretärInnen an allen Schulen und ein gut ausgebautes Back-office der Schulaufsicht zur Entlastung der SchulleiterInnen. Denn kommunale Finanznot und Sparmaßnahmen bei der staatlichen Schulaufsicht wirken sich spürbar negativ auf die Arbeitsbedingungen der SchulleiterInnen aus: Ihnen fehlt Unterstützung für Verwaltungsaufgaben. Auch hier ist Abhilfe dringlich.
Aus Sicht der GEW NRW ist der Haushalt 2017 eine gute Gelegenheit, den Worten endlich Taten folgen zu lassen. Die Bildungsgewerkschaft unterstützt ausdrücklich die Forderung der Projektgruppe Schulleitungen nach einer Mindestleitungszeit von 16 Stunden. Gerade an den Grundschulen ist zudem eine deutliche Erhöhung der Zahl der Anrechnungsstunden überfällig. SchulleiterInnen würden hier sinnvoll entlastet, wenn die LehrerInnen in ihrem Kollegium mehr Zeit für Schulentwicklung hätten.

Besoldung attraktiv gestalten

Vakanzen haben an den Grund- und Hauptschulen sicherlich auch eine Begründung in der unzureichenden Besoldung. Für diese SchulleiterInnen fordert die GEW NRW seit Jahren eine deutlich höherer Besoldung, hier setzen auch die Vorschläge der Projektgruppe an. SchulleiterInnen von Grund- und Hauptschulen sollen demnach unabhängig von der Größe der Schule mit A 14, StellvertreterInnen mit A 13 besoldet werden. Jede Grund- und Hauptschule soll zudem künftig eine stellvertretende Schulleitung haben. Nach Berechnungen des Schulministeriums belaufen sich Gesamtkosten für die Umsetzung dieser Forderungen auf 40 Millionen Euro jährlich – inklusive späterer Versorgungskosten.
Auf Grundlage des derzeitigen Besoldungsrechts in NRW sind die Forderungen der Projektgruppe schlüssig. Sofern die in Teilen verfassungswidrige Besoldung in NRW korrigiert wird und zum Beispiel Grundschullehrkräfte künftig mit A 13 besoldet werden, hätte dies natürlich auch Konsequenzen für die Besoldung der SchulleiterInnen.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen

Derzeit nehmen nur 8 Prozent der SchulleiterInnen ihr Amt in Teilzeit wahr, bei den Stellvertretungen sind es 13 Prozent. Um Leitungsvakanzen zu vermeiden und die Übernahme eines Leitungsamtes attraktiver zu machen, müssen Schulleitungmodelle in Teilzeit gefördert werden. Die Projektgruppe Schulleitung schlägt dafür vor, Teamstrukturen und Delegationsmöglichkeiten zu schaffen, um Funktionsämter und Ämter der erweiterten Schulleitung zu entlasten. Um SchulleiterInnen in Teilzeit im Spagat zwischen beruflichen und familiären Anforderungen zu unterstützen, fordert die Projektgruppe unter anderem eine systematische Personalentwicklung, Mentoring- und Coaching-Elemente sowie Potenzialanalyse- und Self-Assessment-Module.
Zwar weist die Projektgruppe in ihrem Bericht  darauf hin, dass das Jobsharing in einem Schulleitungsteam auf „Widerstände aus dem tradierten ‚monokratischen‘ Schulleitungsverständnis“ stoßen könne. Ein Hinderungsgrund sollte das jedoch ganz sicher nicht sein.

Warum warten?

Sylvia Löhrmann hat den Bericht der Projektgruppe mit einem Anschreiben an den Landtag übermittelt, dem zu entnehmen ist: „Ich möchte darauf hinweisen, dass die Vorschläge im Bericht nicht mit den Fachabteilungen des Ministeriums abgestimmt worden sind. Dies gehörte auch nicht zum Auftrag der Projektgruppe. Ebenfalls gibt es innerhalb der Landesregierung keine abgestimmte Position zu den aufgezeigten möglichen Handlungsoptionen.“ Es wird Zeit, dass das schnell geschieht. Es wäre auch kein Nachteil, wenn im Landtagswahlkampf diskutiert würde, wie Schulleitung in NRW attraktiver werden kann. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch – jetzt ist die Landespolitik ist gefragt.

Michael Schulte, Referent der GEW NRW

Fotos: Korre, der Gleissberg / photocase.de

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