Die 110 für die schulische Inklusion

Fachzentren für Inklusion

Seit zwei Jahren wird gemäß des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes die Inklusion an allgemeinen Schulen umgesetzt. Und die Praxis zeigt es seitdem immer deutlicher: Die KollegInnen an den Schulen fühlen sich bei der Umsetzung dieses „Mammut-projektes“ alleingelassen. Sie beklagen –  neben vielen anderen Kritikpunkten – die fehlende Unterstützung durch Landesregierung und Schulträger.  Was sie sich wünschen, sind zentrale Anlaufstellen.

Inklusion ist keine Aufgabe, die von einzelnen engagierten Lehrkräften als EinzelkämpferInnen an den Schulen umgesetzt werden kann. Inklusion ist vielmehr eine Entwicklungsaufgabe für die gesamte Schule und stellt einen kompletten Umbruch des Schulsystems dar. Sie kann nur gelingen, wenn eine inklusive Unterrichtsentwicklung vorangetrieben wird, die für alle SchülerInnen gedacht und als wesentlich verstanden wird. Um diesen Umbruch zu bewältigen und guten inklusiven Unterricht – sowohl für die SchülerInnen als auch für die Lehrkräfte – zu bieten, müssen Schulen sich weiterentwickeln. Und für diese Weiterentwicklung benötigen sie Unterstützung, ein niedrigschwelliges, unkompliziert zu nutzendes und umfassendes Angebot, das sonderpädagogische Expertisen auf allen Ebenen bereithält. Ein Angebot, auf das alle Schulen zugreifen können – egal ob sie bereits seit Jahren als Schulen des Gemeinsamen Lernens etabliert sind oder sich gerade erst auf den Weg zu einer Schule für alle machen.

Bisher gilt: Gut gemeint statt gut gemacht

Das Unterstützungssystem für die schulische Inklusion muss dringend ausgebaut werden, und zwar nachhaltig. Die Landesregierung hat durch die Installation verschiedener Unterstützungsstellen im Schulsystem gut gemeinte, aber nicht gut gemachte – weil nicht ausreichend gesteuerte – Unterstützungsangebote für die Schulen installiert. So sollen InklusionskoordinatorInnen den Prozess der Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung initiieren, koordinieren und begleiten, indem sie Eltern, Schulen und LehrerInnen miteinander vernetzen. InklusionsmoderatorInnen sollen Schulen mit Fortbildungs-angeboten zur Inklusion kontinuierlich und nachhaltig dabei begleiten, Grundlagen und Strukturen für inklusives Lernen zu schaffen. Kompetenzteams bieten Fortbildungen unter anderem auch für Schulen auf dem Weg zur Inklusion an. Eine Bündelung dieser einzelnen Mechanismen ist aber vonnöten, um zielgerichtet Hilfe für Schulen anbieten zu können.

Die Vision der GEW NRW: Zentrale Anlaufstellen für Inklusion

Die GEW NRW fordert – und die Ergebnisse der repräsentativen Onlineumfrage an allen Schulen in NRW im November 2015 haben dies nochmals bekräftigt – die institutionelle Einrichtung von Fachzentren für Inklusion. 80 Prozent der Schulen in NRW halten der Umfrage zufolge eine zentrale Anlaufstelle für Anfragen zu unterschiedlichen Aspekten der Inklusion für erforderlich.
Diese Fachzentren für Inklusion zur qualifizierten multiprofessionellen Unterstützung und Beratung der Schulen, Lehrkräfte, Eltern und SchülerInnen stehen regional in jedem Schulamt zur Verfügung und machen Angebote zu Diagnose, Beratung, Fortbildung und zum fachlichen Austausch. Ihre Kernkompetenz liegt in der Unterstützung der schulischen Förderung von SchülerInnen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf. Um nachhaltige Effekte zu erreichen, arbeiten die Fachzentren mit anderen Institutionen im kommunalen Umfeld zusammen und vernetzen sich beispielsweise mit Jugend- und Sozialämtern, den kommunalen Integrationszentren, der Schulpsychologie sowie den anderen Professionen, die Teil der multiprofessionellen Teams in Schulen sind. Als Beistand für die Schulen beim Start in die schulische Inklusion stellen die Fachzentren Kompetenzen, Medien und das nötige Know-how bereit.
Die Einrichtung der Fachzentren stellt darüber hinaus die Qualität der sonderpädagogischen Förderung vor Ort sicher, die für gelingende Inklusion unverzichtbar ist. Als Basis und Anlaufstelle für eine kontinuierliche fachliche Qualifizierung der Lehrkräfte, für den fachlichen Austausch der multiprofessionellen Teams in inklusiven Schulen sowie für die Unterstützung und Beratung der Schulen sind die Fachzentren unentbehrlich.
Um die benötigte fachliche Expertise der Fachzentren sicherzustellen, sieht die ideale Besetzung ein Kernteam vor, dem über Abordnungen erfahrene Lehrkräfte verschiedener Schulformen und sonderpädagogischer Förderschwerpunkte für Beratung, Diagnostik und Fortbildung zugeordnet werden. Somit ist die Erreichbarkeit von AnsprechpartnerInnen  jederzeit gewährleistet.

An den Kosten kann es nicht scheitern

Nun stellt sich die Frage, ob und wann die Landesregierung diesen für die schulische Inklusion und alle an ihr beteiligten Personen so wichtigen Schritt geht und eine transparente und handlungsfähige Unterstützungsstruktur für inklusive Schulen einrichtet. Die Kosten können dabei kein Hindernis sein: Die personelle Besetzung der Fachzentren macht keine zusätzlichen Personalkosten erforderlich. Die gegenwärtig bereitgestellten Stellen zur Unterstützung des Gemeinsamen Lernens müssen hierfür nur zusammengeführt und in den Zentren gebündelt werden.
Eigentlich verfolgt die Landesregierung dasselbe Ziel wie die GEW NRW mit ihrer Forderung nach der Installation von Fachzentren. So forderten die Landtagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90 /  DIE GRÜNEN in ihrem Entschließungsantrag zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz für die erfolgreiche Umsetzung eines inklusiven Schulsystems eine stärkere Steuerung und Vernetzung auf Ebene der Schulämter. Angesichts dessen kann die bisherige Passivität der Landesregierung in dieser Frage nur verblüffen 

Frauke Rütter, Referentin für Bildungspolitik der GEW NRW

Illustrationen: Freepik.com

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