Großer Wurf oder Reförmchen?

Neues BeamtInnenrecht in NRW

Am 9. Juni 2016 hat der Landtag nach langer Vorlaufzeit und vielen Verhandlungen – auch mit den Gewerkschaften – mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen die zweite Dienstrechtsreform beschlossen. Einige Forderungen konnten der DGB NRW und seine Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, darunter auch die GEW NRW, in Spitzengesprächen und Anhörungen durchsetzen,andere leider nicht. Was hat sich im Einzelnen verändert?

Grundsätzlich ist das BeamtInnenrecht nun nicht länger ein Konglomerat von vielen Gesetzen und Übergangsregelungen, die seit der Föderalismusreform 2006 notwendig geworden waren. Hier wurde aufgeräumt, sodass es nunmehr ein Landesbeamtengesetz (LBG), ein Landesbesoldungsgesetz (LBesG) und ein Landes-beamtenversorgungsgesetz (LBeamtVG) gibt.

Allgemeines BeamtInnenrecht

Das neue Dienstrecht soll die Attraktivität des öffentlichen Dienstes steigern, für mehr Gerechtigkeit sowie für Gute Arbeit sorgen – so die Absicht der Landesregierung. Im LBG wurden dafür zahlreiche Änderungen vorgenommen.

  • Beförderung: Es gibt nun eine Frauenquote. Bei im Wesentlichen gleicher Befähigung, Eignung und fachlicher Leistung sollen Frauen bei der Besetzung von Führungsfunktionen vorrangig berücksichtigt werden, bis ihr Anteil 50 Prozent beträgt.
  • Beurlaubung, Teilzeit, Sabbatjahr, Pflegezeit: Die mögliche Dauer von Beurlaubung und Teilzeit aus familiären Gründen wurde von zwölf auf 15 Jahre verlängert. Teilzeit im Blockmodell –
  • das sogenannte Sabbatjahr – wird bis zu einer Gesamtdauer von sieben Jahren weiter ermöglicht und dazu eine Rückabwicklung geregelt. Diese Teilzeitform kann auch zur Pflege- und Kinderbetreuung genutzt werden und soll dann zum Beispiel auch in einem Halbjahresmodell möglich sein. Die Freistellungen zur Pflegezeit und Familienpflegezeit ist nicht länger eine Option, über die der Dienstherr entscheidet – diese Zeiten müssen von nun an gewährt werden.
  • Teilzeitreferendariat: Das Teilzeitreferendariat ist eine langjährige Forderung der GEW NRW, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. Die Dienstrechtsreform sieht nun mit § 7 (2) die Teilzeitbeschäftigung von LehramtsanwärterInnen vor und schafft so eine Ermächtigungsgrundlage für das Teilzeitreferendariat. Voraussetzungen und Ablauf des Teilzeitreferendariats regelt das neue Gesetz jedoch noch nicht. Die genaue Ausgestaltung wird derzeit vom Ministerium für Schule und Weiterbildung erarbeitet und vermutlich durch eine gesonderte Ausführungsregelung im Laufe des Jahres veröffentlicht.
  • Gesundheit: Zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit sind BeamtInnen künftig verpflichtet, an zumutbaren gesundheitlichen und beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen teilzunehmen. Es wird erstmals gesetzlich geregelt und ein behördliches Gesundheitsmanagement eingeführt. Gesundheitsrelevante Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, der Gesundheitsförderung sowie der MitarbeiterInnenführung sollen aufeinander abgestimmt werden.
  • Laufbahnrecht: Nachdem im Hochschulbereich im Zuge des Bologna-Prozesses alle Studiengänge auf die Bachelor- und Master-abschlüsse umgestellt worden waren, wurde die Laufbahngruppenstruktur jetzt an diese Entwicklungen angepasst. Die Forderung der GEW NRW nach einer einheitlichen Besoldung nach A 13 Z für alle Lehrkräfte hat die Landesregierung dabei jedoch nicht umgesetzt (s. Seite 26).
Großer Wurf oder Reförmchen?

Besoldung

Gute Arbeit muss nach Auffassung der Landesregierung angemessen vergütet werden. Unter anderem deshalb verbessert das neue BeamtInnenrecht die Bedingungen für die Nachwuchskräfte und führt die Jubiläumszulage wieder ein. Hierfür erfolgten Änderungen im LBesG.
Das Schwergewicht der Forderung der GEW NRW nach endlich gleicher Bezahlung der Lehrkräfte in allen Schulformen konnte und wollte die Landesregierung nicht umsetzen – Chance vertan. Die GEW NRW wird natürlich nicht nachlassen und sich weiter für diese gerechte Forderung stark machen (s. Seite 26).
Die DGB-Gewerkschaften hatten gefordert, die Sonderzuwendung – das Weihnachtsgeld – zunächst auf das ursprüngliche Niveau anzuheben und dann in das Monatsgehalt einzubauen. Mit den Kürzungen der letzten Jahre haben die Gewerkschaften schlechte Erfahrungen gemacht und wollten die Zuwendung vor weiteren Zugriffen schützen. Ab 1. Januar 2017 wird die Zuwendung nun monatlich gezahlt, es bleibt jedoch bei der bisherigen Höhe.
Der Familienzuschlag der Stufe 1 für Alleinerziehende wird künftig ohne Anrechnung eines eigenen Einkommens des Kindes, zum Beispiel in Form von Unterhalt, gezahlt.
Als berücksichtigungsfähige Zeiten bei der ersten Stufenfestsetzung können zukünftig auch hauptberufliche Zeiten anerkannt werden, die nicht Voraussetzung für die Laufbahnbefähigung, aber für die Verwendung nützlich sind.
Die Jubiläumszuwendung wird über eine Ermächtigung im LBG wieder eingeführt. Geplant sind: 300,- Euro für 25, 450,- Euro für 40 und 500,- Euro für 50 Dienstjahre.
Die Verjährungsfrist für Forderungen beträgt sowohl für BeamtInnen als auch für die Dienststellen drei Jahre und richtet sich nach dem BGB. Ist der Rückforderungsanspruch verjährt, so können sich BeamtInnen darauf berufen, und der Anspruch ist vom Dienstherrn nicht mehr durchzusetzen. Das gilt auch spiegelbildlich: Erhalten BeamtInnen über Jahre eine zu niedrige Besoldung, kann der Nachforderungsanspruch ebenfalls verjährt sein.
Dienstbezüge können künftig auch auf ausländische Konten überwiesen werden. Diese Änderung ist sinnvoll für BeamtInnen in längeren Auslandseinsätzen.
Notwendig und richtig: Die Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes wird künftig ab dem 13. Monat statt wie bisher ab dem 19. Monat gezahlt.
Neu geregelt wurde zum Ende der Beratungen des Gesetzes, dass Lehrkräfte während der Dauer der Abordnung zu kommunalen Integrationszentren eine Zulage erhalten. Bei einer Tätigkeit als Fachkraft beträgt sie 150,- Euro, was der Stellenzulage für FachleiterInnen an Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung entspricht. Lehrkräfte, die ein Kommunales Integrationszentrum leiten, erhalten im Hinblick auf ihre Leitungsverantwortung eine Stellenzulage in Höhe von 250,- Euro.
Die Einführung des Zuschlags bei begrenzter Dienstfähigkeit betrifft BeamtInnen, die als Folge einer verminderten Dienstfähigkeit die Arbeitszeit um mindestens 20 Prozent reduzieren.
Im Hochschulbereich erhalten Lehrkräfte für besondere Aufgaben mit wissenschaftlichem Hochschulabschluss Zugang zum höheren Dienst und damit auch eine Besoldung ab A 13, im Angestelltenverhältnis E 13. Außer im Fremdsprachenbereich gab es diese Möglichkeit bisher nicht. Jetzt wurde der Zusatz „als Lehrer für Fremdsprachen“ gestrichen, sodass sich keine fächerbezogene Einschränkung dieser Personalkategorie mehr ergibt.

Versorgung

Auch das LBeamtVG wird an einigen Stellen verändert. Unter anderem wird das Ruhegehalt nicht gemindert, wenn BeamtInnen 45 ruhegehaltsfähige Dienstjahre erreicht haben und 65 Jahre alt sind, aber eine höhere Regelaltersgrenze erfüllen müssten. Ein 1953 geborener Lehrer zum Beispiel kommt mit seinem 65. Geburtstag auf 45,25 ruhegehaltsfähige Dienstjahre. Da er 1953 geboren ist, könnte er nach der alten Regelung erst sieben Monate nach seinem 65. Geburtstag ohne Abzüge in Pension gehen. Nach der Dienstrechtsreform kann er früher und ohne Abschläge in seine Pension gehen.
Der langjährigen Forderung der GEW NRW nach der Verankerung einer verbindlichen Versorgungsauskunft trägt die Reform Rechnung: Ab dem 55. Lebensjahr haben alle BeamtInnen Anspruch auf die Mitteilung über die zu erwartende Höhe der Pension – und das von diesem Zeitpunkt an alle drei Jahre. Wegen des erheblichen Planungsaufwands für das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) tritt diese Regelung erst 2021 in Kraft. Übergangsregelungen zur versuchsweisen Einführung sind zu erwarten.
Klare Verbesserungen gibt es im Bereich der Anerkennung von Kindererziehungszeiten für das Ruhegehalt. Es entfällt die Kopplung an Werte aus dem Rentenrecht. Stattdessen werden nun deutlich erhöhte  Festbeträge pro Kind gezahlt, die an jeder Erhöhung der Versorgungsbezüge teilnehmen.
Die Deckelung von „Kindererziehungszuschlag“ (KEZ) und „Kindererziehungsergänzungszuschlag“ (KEEZ) bei gleichzeitig bezogenem Gehalt entfällt in Zukunft. Für die drei Jahre pro Kind werden die Zuschläge vollständig neben anderen Ansprüchen auf Ruhestandsbezüge gezahlt, wobei natürlich die Höchstgrenze des Ruhegehaltes von 71,75 Prozent der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nicht überschritten werden darf. Der KEZ beträgt zurzeit 2,81 Euro pro Monat der Kindererziehungszeit. Schließlich werden der KEZ und der KEEZ bei der Versorgungsberechnung von jeglichen Kürzungen, etwa durch Abschläge, ausgenommen. Mit der Umsetzung ist nach einer Mitteilung des LBV ab Februar 2017 zu rechnen. Schwer verständlich bleiben die Regelungen zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten leider nach wie vor. Hier sollte im Einzelfall die Beratung durch ExpertInnen der GEW NRW gesucht werden.
Ebenfalls erfreulich: Die Mindesthinzuverdienstmöglichkeit neben der Versorgung – die Bagatellgrenze – wurde von bisher 325,- Euro auf 525,- Euro erhöht.

Ute Lorenz
Referentin für Beamtenrecht, Beamtenpolitik und Mitbestimmung der GEW NRW

Jürgen Gottmann
Berater zu Fragen des Versorgungsrechts der GEW NRW

Jürgen Hentzelt
Mitglied im Referat Dienstrecht der GEW NRW

Fotos: Gerti G., sör alex, kallejipp / photocase.de

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