Schüler*innen: Lernen ohne Pause? Nein, danke!

Lern- und Erholungsräume gestalten

Um die im Unterricht aufgenommenen Informationen zu verarbeiten, braucht unser Gehirn Zeiten der Muße und Regeneration. Große Pausen dauern in Deutschland meist 15 bis 20 Minuten. Wie müssen Schulhof und -gebäude gestaltet sein, damit Lernende und Lehrende sich dort in ihren Pausen erholen können?

In der Rhetorik gilt: Pausen sind Geschenke an die Zuhörer*innen. Und auch im Schulalltag sind Pausen essentiell für den Lern- und Prüfungserfolg der Lernenden und für die Unterrichtsqualität der Lehrenden. Der Schulalltag ist deshalb strukturiert durch Lernphasen und Pausenphasen, rhythmisiert in einem gesunden und lernfördernden Wechsel, denn ohne Entspannungsphasen kann sich kein nachhaltiger Lernerfolg einstellen.
Allgemein wird zwischen drei verschiedenen Pausenformen unterschieden: der Entspannungs-, der Bewegungs- und der Begegnungspause. Welche Pausenform in der jeweiligen Situation die richtige ist, hängt von der individuellen Persönlichkeit und dem Alter ab. Die wichtigsten Aktivitäten sind Essen und Trinken sowie der Toilettengang, aber auch Chillen, Zeit für sich und seine Freunde zu haben, sich auszuruhen, zu spielen und sich zu bewegen. Die folgenden Vorschläge können dazu anregen, die eigene Schule unter dem Blick der Pausengestaltung ins Auge zu fassen.

Raus an die frische Luft: Den Schulhof für alle gestalten

Ein gut gestalteter Schulhof berücksichtigt die verschiedenen Pausenbedürfnisse und ist an der unterschiedlichen Zonierung auf den ersten Blick erkennbar. Jeder Bereich ist anders ausgestattet und erlaubt eine vielfältige Nutzung nicht nur in Pausen-, sondern auch während der Unterrichtszeiten. Den meisten Raum nehmen in der Regel die Bewegungsflächen ein. Je nach Ausstattung und Schultyp finden sich Sportzonen – zum Beispiel mit Fußballtoren, Basketballkörben, Tischtennisplatten oder Boulderflächen – und Bereiche mit vielfältigen Spielgeräten wie Klettergerüsten, Schaukeln, Turnstangen oder einem Bodentrampolin. Für die Ausleihe von Pedalos, Stelzen, Inlineskates und anderen Außenspielgeräten im Sinne der „aktiven Pause“ sollte ein Spielgerätecontainer vorhanden sein, der ab der Sekundarstufe I von den Schüler*innen organisiert und betrieben werden kann. Auf diese Weise bietet der Schulhof für alle Altersklassen verschiedenartige Möglichkeiten zur Bewegung.
Ein zweiter, genauso wichtiger Bereich ist die Rückzugs- oder Entspannungszone des Schulhofs, die sehr unterschiedlich gestaltet sein kann: Überdachte Pavillons mit Sitzgelegenheiten zum Beispiel ermöglichen den Schüler*innen sowohl sich untereinander auszutauschen als auch in kleineren Gruppen miteinander zu spielen. Hier fühlen sich häufig die Mädchen sicher. Weidenhäuser oder Sitzgelegenheiten unter Bäumen, die naturnah umpflanzt sind, sind eine andere Möglichkeit, um kleine Rückzugs-nischen im Außenbereich zu schaffen. Hier ruhen Schüler*innen sich aus, beobachten das Treiben auf dem Schulhof und tuscheln miteinander.
Schüler*innen der Mittelstufe wollen in den Pausen chillen – am besten alle zusammen, analog und online zugleich. Dabei begrüßen sie die Möglichkeit, in allen möglichen Körperpositionen sitzen oder liegen zu können. Ein terrassierter Versammlungsbereich zum Beispiel in Form eines Amphitheaters könnte so ein Ort sein, der multifunktionell zu anderen Zeiten als grüner, offener Lern-, Proben- und Präsentationsraum für Schulfeste und Open-Air-Theateraufführungen dienen könnte. Allgemein lässt sich sagen, dass das Außengelände einer Schule eine Vielzahl von altersgerechten, differenzierten Aktivitätsangeboten ermöglichen sollte.
Schulen, die ihre Außenflächen umgestalten möchten, sollten unbedingt die Schüler*innen partizipativ in die Planungen einbeziehen, denn sie wissen selbst genau, wie sie sich am besten entspannen können. So wurde in einer Schule beispielsweise ein Bolzplatz nur für Mädchen eingerichtet.

Nicht nur bei schlechtem Wetter: Gute Pausen im Schulgebäude ermöglichen

Und wenn es regnet? Für Pausenzeiten im Schulgebäude gelten grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie für die Außenflächen. Manche Schulen verfügen über Pausenhallen oder überdachte Schulhofbereiche. Ansonsten sind Treppenhäuser, Mensa, Flure und Klassenzimmer die bevorzugten Aufenthaltsbereiche. Auch die Turnhalle wird von immer mehr Schulen für Schüler*innen geöffnet – nicht unbedingt nur wenn es regnet. Viele Schulen richten mittlerweile gezielt Bewegungsräume ein, die mit verschiedenen Elementen ausgestattet sind, mit denen die Kinder selbst kreativ werden und sich ihre eigene Bewegungslandschaft bauen können, zum Beispiel mit Schaumstoffkörpern, Hängematten, einer Sprossenwand oder einem Box-Sack.
Rückzugsorte im Gebäude sind häufig in Form von Bibliotheken oder Selbstlernzentren bereits vorhanden. Die Bibliothek ist grundsätzlich ein Raum der Ruhe. Darüber hinaus bieten sich in der Regel im gesamten Schulgebäude weitere vielfältige Rückzugsmöglichkeiten: Treppenhausabsätze können zum Beispiel von den Schüler*innen genutzt werden, um sich einer Reizüberflutung entziehen zu können. Vor allem in Grundschulen, wenn möglich, Räume für Auszeiten einrichten: Ein sogenannter Snoezeleraum kann ein solcher Rückzugsort sein. Sein Name setzt sich zusammen aus den niederländischen Verben „snuffelen“ und
„doezelen“, was übersetzt „kuscheln“ und „dösen“ bedeutet. In ruhiger, gemütlicher, flüsterleiser Umgebung sind solche Räume beispielsweise mit Tastflächen sowie verschiedenen Licht- und Musikkonzepten ausgestattet, mit deren Hilfe die Schüler*innen bequem und umgeben von leisen Melodien entspannen können.

Schule muss mehr sein als Lernraum

Nach Prof. John Erpenbeck, der Experte für Kompetenzentwicklung ist, werden 70 bis 80 Prozent des menschlichen Wissenserwerbs in Schulpausen und in Pausen von der Schule erzielt, also im „normalen“ Leben und durch im Alltag gewonnene informelle Handlungsfähigkeiten. Immer mehr Schüler*innen verbringen heute jedoch den ganzen Tag in der Schule, sodass im Ganztag die „Pausen von Schule“ sehr viel kürzer geworden sind als in früheren Schüler*innengenerationen. Deshalb ist es umso wichtiger, Schulgebäude und Außengelände nicht nur als Lern-, sondern auch als Lebensräume zu gestalten. Denn wenn rund drei Viertel des Wissens außerhalb des Unterrichts erworben werden, erscheint es sinnvoll und notwendig, die Erlebnisqualität von Schulräumen und Schulhof zu optimieren und unterschiedliche Beobachtungs-, Erfahrungs-, Bewegungs- und Aktivitätsangebote überall zu ermöglichen.


Dr. Petra Regina Moog

Leitung der SOPHIA::Akademie Düsseldorf, Schulentwicklungsbegleiterin und Schulbauberaterin, Koordinatorin im Erasmus+-Projekt „Lernen und Raum entwickeln“

Fotos: Weigand, Antonio Recena / photocase.de

 

Pausenräume für Lehrer*innen

Der klassische Aufenthaltsraum für Lehrende in der Pause ist das Lehrer*innenzimmer. Es ähnelt in den meisten Schulen einem Großraumbüro mit integrierter Teeküche. Echte Entspannung funktioniert anders.
Je größer das Kollegium, desto größer das Lehrer*innen-zimmer und desto größer das Kommen und Gehen in den Pausenzeiten – mit wachsender Geräuschkulisse. Doch genau wie für Schüler*innen sind auch für die lehrenden und nicht lehrenden Akteur*innen in der Schule verschiedene Umgebungen wichtig, um je nach persönlichem Bedürfnis mit anderen zu kommunizieren oder um Ruhe zu finden und sich von den mitunter herausfordernden Situationen im Unterricht erholen zu können.
Im idealen Lehrer*innenzimmer gibt es verschiedene, miteinander verbundene, jedoch deutlich unterscheidbare Aufenthaltsbereiche:

  • einen Kommunikationsbereich mit Teeküche
  • einen Entspannungsbereich, der als Ruhezone ausgewiesen ist
  • einen Arbeitsbereich mit festen oder teilweise festen Plätzen

Die Einrichtung und Farbgestaltung sollten den Aktivitäten angepasst sein, zum Beispiel mit Tresen, Barhockern, Sesseln und Sitzgruppen sowie aktivierenden oder ruhigeren Farbgebungen. Auf diese Weise wird das Lehrer*innenzimmer zum Teamraum und dient allen Mitarbeiter*innen zur Entspannung, Kommunikation und Erholung in den Pausenzeiten. Mit der zukünftig wachsenden Zahl der gebundenen Ganztagsschulen und unter Berücksichtigung der aktuellen Schulbauwelle sollten differenziert gestaltete Lehr- und Pausenräume in allen Schulen Einzug halten, sodass auch die Arbeitsumgebungen der Lehrenden den Standards des 21. Jahrhundert gerecht werden.


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