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Inklusion vor Ort

Es ist und bleibt das Megathema in den Schulen: Inklusion. Aus verschiedenen Schulen erreichen die GEW NRW Resolutionen und Appelle, Situationsbeschreibungen und auch Hilferufe, für die die Bildungsgewerkschaft ein Sprachrohr sein muss und will. Die Rückmeldungen bestätigen die Ergebnisse der landesweiten Online-Umfrage, die die GEW NRW im Herbst 2015 durchgeführt hatte. Ihr Tenor: Inklusion ja, aber nicht so!

Wichtig ist der GEW NRW, nicht nur die Schulen des Gemeinsamen Lernens und ihre Bedingungen im Blick zu haben, sondern auch die Förderschulen, die ebenfalls vor große Veränderungen gestellt sind: Abordnung oder Versetzung von KollegInnen in das Gemeinsame Lernen, größere Lerngruppen. Hinzu kommt oft eine deutlich stärker herausfordernde Zusammensetzung der Gruppen, da gerade Kinder und Jugendliche mit besonders großem Unterstützungsbedarf diejenigen sind, die im Gemeinsamen Lernen nicht ausreichend gefördert werden können und deshalb eher an Förderschulen bleiben.

Fachbeirat inklusive schulische Bildung: die unausweichliche Ressourcenfrage

Bei der Sitzung des Fachbeirats inklusive schulische Bildung am 20. Mai 2016 im Schulministerium diskutierte die GEW NRW gemeinsam mit Lehrerverbänden, Elternverbänden und -vereinen, Kirchen, Schulträgern und kommunalen Spitzenverbänden über die Weiterentwicklung der schulischen Inklusion. Wie Ralph Fleischhauer, Leiter der Abteilung „Allgemeinbildende Schulen, Förderschulen“ des Schulministeriums, erläuterte, sei der Fachbeirat bisher begleitend und beratend in die gesetzlichen Änderungen einbezogen worden. Zurzeit seien zwar keine weiteren Gesetzesänderungen vorgesehen, doch der Fachbeirat solle der Landesregierung auch darüber hinaus mit möglichst einer Stimme Empfehlungen zur Umsetzung der Inklusion geben.
Bearbeitet wurden im Rahmen der Sitzung drei Fragestellungen, deren Ausgangspunkt jeweils „Rückmeldungen“ waren. Woher diese Rückmeldungen stammten, blieb offen. Obwohl von Seiten der GEW NRW und anderer Lehrerverbände immer wieder die Forderungen nach zusätzlichen Stellen, nach Doppelbesetzung und nach kleineren Lerngruppen für den Ausbau des Gemeinsamen Lernens laut werden, sollte es in der Sitzung eigentlich nicht um das Thema Ressourcen gehen, da die hausinternen Abstimmungen für den Entwurf des Landeshaushalts 2017 noch nicht abgeschlossen seien. Sehr schnell wurde allerdings klar, dass fast alle aufgeworfenen Fragestellungen untrennbar mit dem Thema Ressourcen verknüpft sind.

Klassenbildung in Schulen des Gemeinsamen Lernens

Die GEW NRW fordert dringend eine andere SchülerInnen-LehrerInnen-Relation für die Klassen des Gemeinsamen Lernens, damit die Klassenverkleinerung nicht auf Kosten der anderen Klassen geht und genügend Lehrerwochenstunden zur Verfügung stehen. Allgemeine Meinung war, dass es keine gesetzlichen Vorschriften für die Klassenbildung geben solle.

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Personelle Unterstützung im Gemeinsamen Lernen

Die GEW NRW kritisiert – ebenso wie andere  TeilnehmerInnen der Sitzung – das zu geringe Stellenbudget. Zum einen reicht der Umfang für die Förderschule nicht aus. Mit der „Mischrelation“ haben insbesondere die Schulen für den Förderbedarf Emotionale und soziale Entwicklung deutlich schlechtere Bedingungen als vorher. Aber auch für die Grundschulen und die weiterführenden Schulen ist das Budget nicht ausreichend. Es fehlen SonderpädagogInnen, die das Gemeinsame Lernen begleiten.
Die GEW NRW weist außerdem auf den dringenden Qualifizierungsbedarf der FachlehrerInnen sowie auf die notwendigen Veränderungen der Bedingungen für die Nachqualifizierung von Grundschullehrkräften hin. Das Ministerium sieht die Lösung jedoch wohl eher in multiprofessionellen Teams wie an Berufskollegs, also in der Einstellung anderer Kräfte auf Grundlage eines Konzepts, das die Schule selbst entwickeln muss.

Stellenzuweisung an Schulen des Gemeinsamen Lernens

Diskutiert wurde eine veränderte Verteilung der Stellen aus dem Stellenbudget für das Gemeinsame Lernen an allgemeinbildenden Schulen. Aktuell werden zunächst die Förderschulen Lernen – Sprache – Emotionale und soziale Entwicklung mit Stellen aus dem Stellenbudget versorgt. Grundlage ist eine SchülerInnen-LehrerInnen-Relation von 9,92. Die übrigen Stellen werden bisher zu mindestens 50 Prozent den Grundschulen sowie zu maximal 50 Prozent  den Schulen der Sekundarstufe I zugewiesen. Eine andere Aufteilung aufgrund der unterschiedlichen Zahl der Jahrgangsstufen – beispielsweise 40 Prozent an die Grundschulen, 60 Prozent an die weiterführenden Schulen – wurde von allen TeilnehmerInnen der Fachbeiratssitzung abgelehnt. Als Begründung wurde verwiesen auf die präventive Aufgabe der Grundschulen, die Aussetzung der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs in den ersten Schuljahren sowie die große Heterogenität in den Lerngruppen. Eine andere Verteilung löst aus Sicht der GEW NRW darüber hinaus das Problem der unzureichenden Stellenausstattung nicht, sondern würde die Situation an den Grundschulen deutlich verschlechtern.

Wichtige Gemeinsamkeiten und starke Bündnisse

Die wichtigsten Probleme im Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Lernen konnten nicht geklärt werden. Die Sitzung des Fachbeirats zeigte jedoch, dass es – im Gegensatz zu früheren Treffen – eine sehr große Übereinstimmung in der Problembeschreibung zwischen den Elternverbänden und der GEW NRW als Interessenvertretung der Beschäftigten gibt. Auch die Eltern pochen darauf, dass Inklusion nicht auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen und zulasten der Lehrkräfte umgesetzt werden darf. SchülerInnen, die zum Förderort Förderschule zurückkehren oder ihn nach dem Gemeinsamen Lernen in der Grundschule oder einer weiterführenden Schule wählen, sind ein deutlicher Hinweis auf dringend erforderliche Veränderungen.
Die GEW NRW steht in engem Kontakt mit dem nordrhein-westfälischen Städte- und Gemeindebund, der als Schulträger ebenfalls vor großen Herausforderungen steht. Vorgaben für den Schulbau – etwa Mindestanforderungen an eine Schule, in der Gemeinsames Lernen gelingen kann – wären nötig, um die berechtigten Forderungen aus den Kollegien nach Differenzierungsräumen, Pausenräumen, Barrierefreiheit und anderer Ausstattung zur Umsetzung zu verhelfen. Es gab bereits ein erstes Treffen, bei dem Verabredungen für die weitere Zusammenarbeit getroffen wurden. Regelmäßig tauscht sich die GEW NRW auf Bundesebene über die Situation in den einzelnen Bundesländern aus: Die Probleme sind vergleichbar. Das ist natürlich kein Trost, aber schafft die Möglichkeit, Ideen aus anderen Landesverbänden für Aktionen aufzugreifen, um die Bedingungen für die Arbeit der Beschäftigten im Gemeinsamen Lernen und an den Förderschulen zu verbessern.

Dorothea Schäfer

Fotos (v. o. n. u.): morningside, MartinChris / photocase.de

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