Auf Sparflamme?

Bildungsfinanzierung

Die Schuldenbremse zwingt zu Sparmaßnahmen im Bildungsbereich. Die demografische Rendite ist –
so Prof. em Dr. Klaus Klemm – längst keine Größe mehr, mit der die Landesregierung planen und auf Einsparungen hoffen kann. Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es demnach für Land und Kommunen,
um Gute Bildung sicherzustellen? Die nds hat dazu zwei Experten gefragt.

Auf Sparflamme?

Für die GEW stand schon vor den demografischen Veränderungen infolge der vielen Geflüchteten fest, dass die aus den rückläufigen Schülerzahlen vermeintlich frei werdenden Mittel nicht für Einsparungen, sondern für Qualitätsverbesserungen genutzt werden müssen. Denn nach wie vor ist das Bildungswesen in Deutschland unterfinanziert. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt dies unablässig in ihrem jährlichen Bildungsbericht „Bildung auf einen Blick“. Im jüngst referierten Jahr 2012 beträgt der Anteil der öffentlichen und privaten Bildungsausgaben in Deutschland gerade einmal 5,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, während der OECD-Durchschnitt in diesem Bereich bei 6,1 Prozent liegt. Auf dem Dresdner Bildungsgipfel im Herbst 2008 haben die Bundeskanzlerin und die MinisterpräsidentInnen der Länder vereinbart, bis zum Jahr 2015 die Aufwendungen für Bildung insgesamt auf sieben Prozent und diejenigen für Forschung auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Die GEW hat jüngst in einem Gutachten ermitteln lassen, wie viel genau einzelne gebotene Qualitätsverbesserungen im gesamten Bildungswesen kosten (s. Tabelle 1): Allein in NRW ergibt sich daraus eine Summe von zusätzlich rund elf Milliarden Euro für notwendige Verbesserungen im Bildungssektor. Hinzu kommt ein baulicher Investitionsbedarf für Bildungseinrichtungen in Höhe von mindestens acht Milliarden Euro. Diese sind jedoch auf mehrere Jahre zu verteilen. Die GEW hat mit ihrem Steuerkonzept und dessen aktueller Neuberechnung nachgewiesen, dass solche Verbesserungen im Bildungswesen und eine insgesamt bessere öffentliche Infrastruktur ohne revolutionäre Veränderungen finanzierbar sind. Im Wesentlichen geht es darum, die Wohlhabenden in unserer Gesellschaft stärker ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu unterziehen. Nicht nur der Bund und die Länder, auch die Kommunen als Träger der Schulen und Kindertageseinrichtungen profitieren vom Steuerkonzept der GEW. Das Land NRW und die Kommunen erhielten allein im Jahr 2016 nach Finanzausgleich ein Steuermehraufkommen in Höhe von 15,2 Milliarden Euro. Die „Panama Papers“ dürften noch eine beachtliche Summe zusätzlich liefern.

Ansgar Klinger
... leitet den Organisationsbereich Berufliche Bildung und Weiterbildung beim Hauptvorstand der GEW. Seit 2006 gehört er außerdem der AG Bildungsfinanzierung der GEW an. Zwar gibt es im Bildungssystem keinen direkten Zusammenhang zwischen Bildungsausgaben und Bildungsqualität, dennoch können die Bildungsausgaben eine erste Näherung für die Qualität der Rahmenbedingungen im Bildungssystem beschreiben.

Bildungsteilhabe weiter verbessern

Zunächst ist festzustellen: Die Chancen der heutigen Generation auf Teilhabe im Bildungssystem haben sich gegenüber früheren Generationen verbessert. So sind beispielsweise die Bildungsausgaben pro EinwohnerIn im Alter von unter 30 Jahren in den letzten 40 Jahren deutlich gestiegen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ein höherer Anteil der unter 30-Jährigen heute an Bildung teilnimmt. So profitieren heute nahezu alle Kinder von der frühkindlichen Förderung ab einem Alter vondrei Jahren im Kindergarten. Auch bei der Betreuung der unter Dreijährigen gab es deutliche Fortschritte. Eine steigende Teilnahme ist auch an den Hochschulen festzustellen, sodass die heutige StudienabsolventInnenquote etwa dreimal so hoch ist wie die in den 1970er Jahren. Neben steigenden Teilnahmequoten zeigen sich auch bessere Rahmenbedingungen an den Schulen, etwa eine günstigere SchülerInnen-LehrerInnen-Relation oder der Ausbau von Ganztagsschulen. Lediglich an den Hochschulen sind die öffentlichen Ausgaben je Studierenden leicht rückläufig. In Zukunft muss vor dem Hintergrund des demografischen Wandels die Durchlässigkeit des Bildungssystems weiter erhöht werden. Es sind alle Fachkräftepotenziale zu erschließen. Änderungen der Familiensituation machen einen weiteren Ausbau von Ganztagseinrichtungen und frühkindlicher Förderung notwendig. Diese Maßnahmen verbessern die Bildungsgerechtigkeit und sind auch aus fiskalischer Sicht für die öffentliche Hand rentierlich.

Bildungszugänge ermöglichen

Seit 2014 sind über eine Millionen Geflüchtete nach Deutschland zugewandert. Rund 30 Prozent von ihnen sind minderjährig und münden damit in Schule oder Berufsausbildung ein. Für erwachsene Geflüchtete ist die Qualifikations-basis zu sichern und auszubauen. Bisher ist weniger als die Hälfte der erwachsenen und anerkannten Geflüchteten beschäftigt und rund die Hälfte der beschäftigten Geflüchteten ist wiederum nur in Hilfstätigkeiten aktiv. Aus Sicht der vom Institut der deutschen Wirtschaft befragten Unternehmen sind vor allem fehlende Deutschkenntnisse sowie Qualifikationsdefizite und mangelnde Kenntnisse zum Qualifikationsstand wesentliche Beschäftigungshemmnisse. Auf Basis der vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und dem Sozio-ökonomischen Panel durchgeführten Migrationsstichprobe zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit erwerbstätig zu sein für erwachsene Zugewanderte bei schlechten Deutschkenntnissen um 18,3 Prozentpunkte sinkt. Bezogen auf eine qualifizierte Beschäftigung ist der Effekt der Sprachkenntnisse noch einmal deutlich größer. Notwendig sind für eine erfolgreiche Integration folglich vor allem zusätzliche Sprachkurse. Dazu sind Angebote zur arbeitsplatzbezogenen Grundbildung, Nachqualifizierungsangebote sowie zusätzliche Maßnahmen wie WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer ArbeitnehmerInnen in Unternehmen) für die Beschäftigten in Hilfstätigkeiten auszubauen. Für Personen im Bildungssystem sind ausbildungsbegleitende Hilfen und andere Unterstützungsmaßnahmen notwendig. Für die über 300.000 zusätzlichen SchülerInnen werden zusätzliche Lehrerstellen und sozialpädagogisches Personal benötigt. Allein die mehr als 30.000 notwendigen zusätzlichen Lehrerstellen werden nur schwer zu besetzen sein, sodass auch ein Teil der PensionärInnen reaktiviert werden sollte.

Lohnende Investitionen

Für alle Maßnahmen zusammen dürfte der Bedarf an zusätzlichen Bildungsausgaben pro Jahr allein für die Geflüchteten bei über fünf Milliarden Euro liegen, sich aber langfristig für die öffentliche Hand auszahlen. In Fragen der Fachkräftesicherung und der Migration von Geflüchteten ist dabei eine Finanzierungsverantwortung für den Bund abzuleiten. Dieser kann die zusätzlichen Ausgaben zumindest aus heutiger Sicht für die nächsten Jahre bei entsprechender Prioritätensetzung finanzieren, ohne Steuererhöhungen zu benötigen oder die Schuldenbremse zu verletzten.

Prof. Dr. Axel Plünnecke
... leitet das Kompetenzfeld Bildung, Zuwanderung und Innovation des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.

Foto: Jan M.; andrey-fo / photocase.de

 

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