Reform der Schulaufsicht: Wer hat den Hut auf?

Kommentar: Reform der Schulaufsicht

Was soll sie tun, die Schulaufsicht? Das steht im Schulgesetz: Gewährleistung der Entwicklung und Sicherung der Qualität schulischer Arbeit sowie der Vergleichbarkeit der Abschlüsse und Berechtigungen. Unterstützung der Schulentwicklung durch Verfahren der Systemberatung und der Förderung von Evaluationsmaßnahmen sowie – nicht zuletzt – der Personalentwicklung. Schule steht drauf, Schule soll drin sein.

Das Finanzministerium NRW jedoch hat im Juli 2015 – immerhin in Abstimmung mit dem Schulministerium – drei Gutachter mit einer Untersuchung beauftragt, wie die NRW-Schulaufsicht mit dem Ziel einer Effizienzsteigerung weiterentwickelt werden kann. Nebenbedingung: Durch das Gutachten dürfen keine Stellenmehrbedarfe in der Verwaltung begründet werden, die nicht durch Umschichtungen gedeckt werden können, und insgesamt keine Mehrkosten entstehen.
Das kann nicht verwundern, wenn man die Genese betrachtet. Das sogenannte Effizienzteam der Landesregierung hatte Einsparpotenziale untersucht und zunächst über 100 Sparvorschläge vorgelegt. Neben konkreten und bereits realisierten Vorschlägen enthielt der Abschlussbericht auch weitergehende Empfehlungen zur Prüfung von Einsparpotenzialen, die vom Projektbüro Haushaltskonsolidierung im Finanzministerium zusammen mit den zuständigen Ministerien weiterverfolgt wurden. Dazu zählte auch das Gutachten zur Organisation der Schulaufsicht.

Was will das Schulministerium?

Sind nun Anfang 2017 Rückschlüsse möglich, welche Vorstellungen das Ministerium für Schule und Weiterbildung (MSW) NRW von einer Reform der Schulaufsicht hat? Erste Hinweise lieferte eine Fachtagung, die das Ministerium in Soest durchgeführt hat. Hans-Jürgen Kuhn präsentierte hier sachkundig das von ihm mitverfasste Gutachten, Prof. Dr. Jürgen Oelkers von der Universität Zürich warf den Blick zurück, Prof. Dr. Jörg Ennuschat von der Ruhr-Universität Bochum beleuchtete die Thematik aus schul- und verfassungsrechtlicher Perspektive und Ulrich Heinemann, ehemals im Dienst des Schulministeriums, referierte zu bildungspolitischen Bezügen.
Zeitgleich veröffentlichte die Zeitschrift „Schulverwaltung NRW“ ein Interview mit Ulrich
Heinemann, das nicht weniger leisten soll als eine Gesamtbilanz der Schulreformen nach PISA und der Reaktionen darauf. Dabei teilt er heftig aus und fordert eine robuste Steuerung mit einer wieder breit ausgebauten Schulaufsicht, um die Schulreform endlich voranzubringen.  Eltern sind darin Giganten, Bildungsstiftungen Scheinriesen ohne Einfluss. Lehrer*innen sind halb Opfer halb Täter*innen und Lehrer*innenverbände – das Wort Gewerkschaft wird gemieden – ohne Ausnahme hartleibige, strukturkonservative Verfechter einer antiquierten Lernschule.

Gehts noch?

Wer hat laut Ulrich Heinemann den Durchblick? Die Schulpolitik und die Schulaufsicht. „Die Schulpolitik ist besser als ihr Ruf. Die Bundesländer in Gestalt der Kultusministerkonferenz sind sich weit einiger als die Bildungswissenschaften, die über Sinn und Form der Schulreform tief zerstritten sind. Die Schulpolitik in Deutschland ist ferner programmatisch und konzeptionell kohärenter und in Bezug auf die Rolle der Schule in der Wissensgesellschaft weitsichtiger als das Lehrerverbände, Elternvereine und oft auch die Medien in der Öffentlichkeit suggerieren.“ Zur Schulaufsicht schreibt Ulrich Heinemann weiter: „Eine ‚robuste‘ Steuerung mit einer wieder breiter ausgebauten Schulaufsicht wäre notwendig, um die Schulreform endlich voranzubringen.“ Statt robuste Steuerung Wirklichkeit werden zu lassen, habe die Bildungspolitik durch Governance-Ansätze auch in NRW schlicht aufs falsche Pferd gesetzt und den „Vetospielern“ der Schulreform die Gestaltungsmacht über Entwicklungsgeschwindigkeit und Eindringtiefe der Reform in die Hände gespielt.
Eigentlich reicht zur Bewertung die Kenntnisnahme der kurzen letzten Interviewantwort, in der sich Ulrich Heinemann scheinbar mit Bildungsaufgaben auf Bundesebene befasst. Er macht dort Vorschläge, die vermutlich Elemente der robusten Steuerung sein sollen: Angestelltenstatus für alle neuen Lehrer*innen, Ganztag für Lehrer*innen, Fortbildungspflicht in urlaubsfreien Ferienzeiten und ein Zertifizierungsgebot. Das sind offenbar Bundesaufgaben, weil es dann wegen der Weltpolitik niemand merkt. Was muss der Mann in seinem Berufsleben gelitten haben.
Wenn ein ehemaliger Abteilungsleiter des MSW als Referent des bildungspolitischen Inputs einer Veranstaltung desselben Ministeriums zum Schulaufsichtsgutachten auftritt und wenn zeitgleich in einer Zeitschrift, bei der Herausgeberschaft und Fachbeirat vom MSW dominiert sind, der robusten Schulaufsicht das Wort redet, muss das kein Fingerzeig auf die Position des Schulministeriums sein. Es gibt schließlich Gefälligkeiten unter (ehemaligen) Kolleg*innen und Zufälle. Sollte eine solche Position aber schulpolitische Blaupause für eine Reform sein, für die das Finanzministerium Kostenneutralität vorgibt und Modelle vorlegt, die durch eine neue Schulaufsichtsstruktur auch auf einen Abbau von Mitbestimmung für fast 200.000 Beschäftigte hinauslaufen, wird die inhaltlich und strukturell notwendige Reform der Schulaufsicht zum Fiasko.

Michael Schulte, Geschäftsführer der GEW NRW

Foto: go2 / photocase.de

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