Der Umgang mit dem Umfeld

Schulen sind in sozialräumliche Kontexte eingebettet und werden durch die Sozialstruktur des Einzugsgebiets und die damit verbundene soziokulturelle Zusammensetzung der Lernenden geprägt. Dies kann förderlich sein, zum Beispiel durch vermehrte Einflüsse positiver Rollenmodelle ebenso wie durch informelle Lerngelegenheiten. Der Kontext kann aber auch ungünstig wirken, etwa durch fehlende Unterstützungsmöglichkeiten der Familie, Arbeitslosigkeit und erlebte Perspektivlosigkeit sowie durch Armutsverhältnisse, in denen Kinder und Jugendliche aufwachsen. Sie sind aufgrund ihrer Herkunft schlechter mit Kompetenzen und Verhaltensweisen ausgestattet, die an schulische Anforderungen anschließen. Darüber hinaus kann eine kaum durchmischte Zusammensetzung der Lerngruppe den Einfluss individueller Herkunftsvoraussetzung auf den Schulerfolg zusätzlich verstärken. Bildungsrisiken häufen sich insbesondere an Standorten mit hohem Urbanisierungsgrad in sozial segregierten Stadtteilen mit kumulativen Benachteiligungslagen der BewohnerInnen. Die Defizite zeigen sich oft in unterdurchschnittlichen Ergebnissen bei Vergleichsarbeiten.

Schulen müssen gegensteuern und Bildungsgerechtigkeit herstellen

Schulen an solchen Standorten sind besonders gefordert, fehlende individuelle Ressourcen und wechselseitige Anregung in den Lerngruppen materiell, sozial und emotional auszugleichen sowie kulturelle Passungsprobleme zu reflektieren. Ebenso müssen sie durch Weiterentwicklung der Schulorganisation und -kultur sowie durch die adaptive Gestaltung des Unterrichts darauf reagieren. Studien zeigen, dass es Schulen in benachteiligter Lage gibt, die dennoch erfolgreich arbeiten. Sie sind zum Beispiel dadurch gekennzeichnet, dass sie den expliziten, durch die Schulleitung getragenen Anspruch haben, in einer geordneten, konsistent gestalteten Lernumgebung eine positive SchülerInnen-LehrerInnen-Beziehung herzustellen. Diese ist potenzial- sowie chancenorientiert und zugleich von hohen Leistungserwartungen und einem damit verbundenen Zutrauen in die Leistungsfähigkeit der SchülerInnen geprägt. Parallel gelingt es, eigene Denkaktivitäten und Konstruktionen und den diskursiven Umgang mit Fehlern ebenso zu fördern wie die Fähigkeit, den eigenen Lernprozess zu regulieren.

Externe Unterstützung für betroffene Schulen

Externe Unterstützungssysteme können Schulen darin unterstützen, ihre Schulentwicklungskapazität im Hinblick auf die spezifischen herausfordernden Kontextbedingungen zu erweitern. Dazu zählen bedarfsgerechte, nicht nur punktuelle Fortbildungen und eine eng begleitende Schulentwicklungsberatung, die gegebenenfalls auch auf nachhaltige strukturelle Veränderungen der schulischen Organisation und Kommunikation zielt. Nicht selten sind Schulen angesichts ihrer Lage „überaktiv“ – beispielsweise hinsichtlich der Teilnahme an zahlreichen zusätzlichen Projekten –, verlieren dabei aber möglicherweise den Blick auf ihre zentralen Ziele und den Weg der systematischen Zielerreichung. Auch hier kann die externe Perspektive hilfreich und ordnend sein.
Kooperationen und Netzwerke mit anderen Schulen können dabei helfen, Problemlagen zu diskutieren sowie Transferstrategien für gute Praxisbeispiele zu entwickeln. Wissenschaft kann dabei unterstützen, Entwicklungsprozesse systematisch zu begleiten und zu dokumentieren sowie entsprechend empirisch fundiertes Wissen für Bildungsadministration und -praxis bereitzustellen.
Schulentwicklungsstrategien im sozialräumlichen Kontext sollten zudem bereits in der LehrerInnenausbildung relevant sein – zum Beispiel durch die Ausbildung eines förderorientierten, für Bildungsungleichheit sensiblen Habitus. Nicht zuletzt können auch Maßnahmen der Schulentwicklungsplanung diskutiert werden wie die Steuerung der SchülerInnenzusammensetzung im Einzugsgebiet der Schulen sowie Schulformumwandlungen und -fusionen. Dabei hängen die konkreten Entwicklungsschritte immer von den spezifischen Konstellationen am Standort ab.

Prof. Dr. Isabell van Ackeren
Bildungswissenschaftlerin an der Universität Duisburg-Essen

Foto: Sohadiszno / istockphoto.com

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