KiBiz-Reform: Zahlenspiele sind nicht genug!

Die Qualität ist entscheidend

Endlich! Die Politiker*innen haben sich geeinigt und die kontraproduktiven Querelen um Zuständigkeiten haben ein Ende. Im Januar 2019 hat NRW-Familienminister Joachim Stamp die „Eckpunkte für eine Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz)“ vorgestellt. Werden Bund, Land, Kommunen und Behörden gemeinsam für mehr Qualität in der Kita sorgen?

Bei der Vorstellung der Eckpunkte erklärte Joachim Stamp die auskömmliche Finanzierung zum Kernstück der Einigung zwischen Land und Kommunen. Dieser Ansatz ist falsch. Zunächst muss festgelegt werden, wie Kindertageseinrichtungen auszustatten sind.

Genug Personal und Fachkräfte

Die GEW fordert im Einklang mit Wissenschaft und Forschung einen Personalschlüssel, der den gestiegenen Ansprüchen einer frühkindlichen Bildung gerecht wird. Er ist das tatsächliche Kernstück guter frühkindlicher Bildung. Für unter zweijährige Kinder muss ein Personalschlüssel von 1 : 3, für Zwei- bis Vierjährige von 1 : 5 und für über Vierjährige von 1 : 8 sichergestellt sein.
Wenn die personelle Ausstattung angemessen ausfallen soll, muss geplant werden, wo das benötigte Personal herkommt. Dafür müssen schnell Ausbildungskapazitäten und Praxisplätze in den Einrichtungen geschaffen werden, die nicht auf den Personalschlüssel angerechnet werden. Gleichzeitig muss bedacht werden, welche Professionen in welcher Form und in welchem Umfang neben den Erzieher*innen eingesetzt werden sollen. Dem Arbeitsmarkt stehen beispielsweise zunehmend Kindheitspädagog*innen zur Verfügung. Sie können als Fachkräfte für die zusätzlichen Aufgaben eines Familienzentrums eingestellt werden.
Die jährliche Anpassung der Kindpauschalen an die tatsächlichen Kosten ist eine Selbstverständlichkeit. Dass aber Personalkosten weiter pauschaliert werden, ist eine Fehlentscheidung. Dies erhöht den Druck auf die Vergütung der Beschäftigten, die weiterhin nicht dem Wert der Erziehungs- und Bildungsarbeit Rechnung trägt und dringend verbessert werden muss. So wird man niemals gut ausgebildetes Personal in erforderlichem Umfang gewinnen! Die KiBiz-Reform muss die Weichen stellen, die Arbeitsplätze in der frühkindlichen Bildung attraktiver zu gestalten und angemessen zu vergüten. Wer soll sonst zukünftig diese Aufgaben übernehmen?

Frühkindliche Bildung ist mehr als eine Kostenfrage

Anstatt über inhaltliche Notwendigkeiten zu diskutieren, verständigt man sich über Zahlen. Die Einigung zwischen Land und Kommunen enthält viele Millionenbeträge, aber an keiner Stelle geht es um die Bedürfnisse der Kinder oder des Personals.
Dass die Kommunen sich über den ausgehandelten Kompromiss freuen, ist verständlich, denn sie werden von Kosten eigener Einrichtungen entlastet. Jahrelang wurden andere Träger gesucht, die bereit waren, Kitas zu betreiben. Jetzt wird es für die Kommunen selbst wieder attraktiv. Bleibt nur zu hoffen, dass dies nicht zu Lasten der Trägervielfalt geht.
Das zweite beitragsfreie Jahr ist im Prinzip zu begrüßen, denn frühkindliche Bildung ist genau wie Schulbildung eine öffentliche Aufgabe. Die Beitragsfreiheit ändert jedoch nichts an der Qualität und ist bei aller Notwendigkeit lediglich ein zusätzlicher Kostenfaktor, der niemals gegen inhaltliche Verbesserungen aufzurechnen ist. Die Mittel des „Gute-Kita-Gesetzes“ dafür herzugeben anstatt zunächst die Qualität zu bedenken, ist eine falsche Entscheidung.

KiBiz braucht eine Qualitätsreform

Die Kosten der Inklusion für notwendige räumliche Erweiterungen und eine angemessene hauswirtschaftliche Versorgung tauchen in den Eckpunkten gar nicht erst auf. Wenn zunächst alle notwendigen Faktoren für eine gute frühkindliche Bildung berücksichtigt werden, kann man planen und die Finanzierung sicherstellen. Erweiterte Öffnungszeiten und der Bau neuer Einrichtungen dürfen erst die nächsten Schritte sein. Wenn jetzt nicht die Qualität im Vordergrund der Reform steht, werden sich die Bedingungen auf absehbare Zeit nicht verbessern und wir schreiben Defizite in der frühkindlichen Bildung dauerhaft fort.
Eine gute Reform kostet deutlich mehr als Land und Kommunen kalkulieren. Das Geld ist da, man müsste eben steuerlich an die goldenen Koteletts der Multimillionär*innen gehen, aber das ist natürlich nicht zumutbar.


Lothar Freerksema
Mitglied im Leitungsteam des Referats Jugendhilfe und Sozialarbeit der GEW NRW

Foto: iStock.com / Nadezhda1906

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