Lehren und Lernen an der Uni 4.0

Zukunft der Hochschulbildung in NRW

Das Thema Digitalisierung ist allgegenwärtig – Computer, Smartphones und Online-Lösungen sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Diese „schöne neue“ Welt spiegelt sich auch in den Hörsälen NRWs wider: Nahezu alle Studierenden besitzen ein Smartphone, Notebooks sind ebenfalls in großer Zahl auf den Tischen zu sehen und wissenschaftliche Texte gibt es im Netz. Doch wie sieht es an den Hochschulen unseres Landes eigentlich in Sachen Digitalisierung aus? Drei Beispiele zeigen: Es tut sich was!

Eines haben alle Hochschulen in Nordrhein-Westfalen gemeinsam: Sie sind herausgefordert von neuen Entwicklungen und sich ändernden Lehr- und Lernsituationen, auf die sich Studierende und Lehrende gleichermaßen einstellen müssen. Viel „Digitales“ wurde bereits im universitären Leben fest verankert: Mobiles Internet, Onlineverwaltung und Cloudlösungen sind Normalität geworden. Die virtuelle Lernumgebung Moodle hat sich zum Beispiel nahezu an jeder Hochschule etabliert und es gibt bereits viele gute Ansätze, die zeigen, dass sich etwas bewegt.

Bergische Universität Wuppertal: Tutor*innen lernen digitales Lehren

Wie viele andere Universitäten in NRW treibt auch die Bergische Universität Wuppertal das Thema Digitalisierung zunehmend voran. Das beginnt bereits bei der Qualifizierung von studentischen Tutor*innen. Im Rahmen des zentral angebotenen Zertifikatsprogramms „Lehre lernen“ bekommen diese zum Beispiel in einem von mindestens  vier Tagesworkshops die Grundlagen von E-Learning und Didaktik vermittelt. „Ziel ist es, dass Tutor*innen E-Learning-Werkzeuge und deren didaktischen Einsatz erproben, um zum Beispiel Lehrende in einer Lehrveranstaltung zu unterstützen“, erklärt Dr. Heike Seehagen-Marx. Als Expertin für sogenanntes Blended-Learning, das Elemente von Präsenzveranstaltungen und E-Learning verknüpft, sieht sie Vorteile in der Kombination von unterschiedlichen Lehr-Lernmethoden, die der studentischen Heterogenität gerecht werden. Das spielt eine besondere Rolle in der Studieneingangsphase. „Da es wichtig ist, auch Tutor*innen für diesen Bereich vorzubereiten, wollte ich dieses Angebot auf jeden Fall in unser Qualifizierungsprogramm aufnehmen,“ ergänzt Sonka Stein, die das zentrale Zertifikatsprogramm verantwortet. Beide freuen sich, dass die gemeinsame Idee durch die gute hochschulinterne Kooperation so schnell umgesetzt werden konnte: „Mit diesem Programm vervollständigen wir das bereits bestehende hochschuldidaktische Angebot für Lehrende und reagieren auf den an uns herangetragenen Wunsch und die Notwendigkeit, die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Lehre zu nutzen.“ Dr. Heike Seehagen-Marx fügt hinzu: „Die Teilnehmenden sind oft überrascht, wieviele Optionen sich für ihre eigene Lehre durch den digitalen Einsatz von E-Learning-Methoden eröffnen.“

Universität Paderborn: Ideen von Student*innen unterstützen

Um innovative Ideen und deren nachhaltige Verankerung geht es in „InnoVersity“– einem zweijährigen Projekt der Universität Paderborn, mit dem die Hochschule einen deutschlandweiten Strategiewettbewerb zur Digitalisierung des Studiums und der Lehre gewonnen hat. „Es geht darum, die Chancen innovativer Ideen der sogenannten Digital Natives konsequent zu nutzen“, so Prof. Dr. Gudrun Oevel, die das Vorhaben maßgeblich initiiert und vorangetrieben hat. „Die Studierenden sowie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Hochschule sollen noch aktiver an der Entwicklung von digitalen Lehr- und Lernmethoden beteiligt werden.“ Dabei geht es vor allem darum, diese Ideen langfristig zu verankern. „Viele Entwicklungen in und für die Lehre verbleiben häufig in den Arbeitsgebieten selbst und finden selten weitere Verbreitung“, erläutert Innovationsmanagerin   Jannica Budde. Will die Hochschule von ihren vielen innovativen Ideen, Konzepten und Entwicklungen für ihre eigene digitale Forschung und Lehre stärker profitieren, so die Prämisse von InnoVersity, muss sie diese systematischer als bisher begleiten. „Ein gutes Beispiel für den Innovationsgeist der Studierenden ist zum Beispiel die erfolgreiche App ‚iUPB‘“, erklärt Gudrun Oevel. Die Anwendung liefert Antworten auf alle Fragen, die sich Student*innen im Alltag stellen: Wann fährt der nächste Bus zur Uni? Welches Essen gibt es in der Mensa und wo findet die nächste Vorlesung statt?
InnoVersity will an solchen Ideen ansetzen und die innovativ tätigen Akteur*innen an der Universität Paderborn identifizieren und vernetzen. Dazu setzt die Innovationsmanagerin auf eine gute Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gruppen: „Wir möchten ein möglichst vollständiges Bild über den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Lehre an der Universität Paderborn bekommen“, erklärt Jannica Budde.

RWTH Aachen: Konzepte für selbstgesteuertes Lernen

Neben der Universität Paderborn konnte sich die RWTH Aachen als zweite Universität in Deutschland beim Strategiewettbewerb zur Digitalisierung der Hochschuldbildung durchsetzen. Um die Lehre weiterhin kontinuierlich zu verbessern, steht der Einsatz von didaktisch fundierten Methoden des Blended Learning weit oben auf der Agenda. Um dies zu unterstützen und zu fördern, hat das Rektorat das Projekt „Blended Learning und Exploratory Teaching Space 2014“ bis 2017 aufgesetzt. Die veränderten Ansprüche an die Lehre haben das Rektorat der RWTH Aachen dazu bewogen, eine hochschulweite Einführung von Blended-Learning-Konzepten anzustreben. Neben bestehenden Ansätzen der face-to-face-Lehre werden zusätzliche Angebote entwickelt, die durch gezielten Medieneinsatz selbstgesteuertes, zeit- und raumunabhängiges Lernen ermöglichen. Die RWTH Aachen engagiert sich zudem während der Projektlaufzeit parallel in dem nationalen Projekt „Hochschulforum Digitalisierung“, um die eigenen Erfahrungen auch auf der nationalen Ebene einzubringen. Dieses Forum hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Dialog zwischen Expert*innen aus allen Bereichen der Hochschulen und ihrer Anspruchsgruppen zu gestalten. Als Ergebnis dieses Dialogs sollen praktische Lösungen und Empfehlungen in allen relevanten Themenkomplexen zur Unterstützung der Hochschulen formuliert werden.

Wandel, Vernetzung, Fortschritt

Der Blick auf die aktuellen Entwicklungen zeigt, dass Digitalisierung kein Thema ist, das in den nächsten drei Jahren abgeschlossen sein wird. Um die vielfältigen Ideen der Universitäten auch anderswo zu nutzen und die Zusammenarbeit zwischen Land und Hochschulen auf eine neue, gemeinsame Ebene zu heben, gibt es seit Herbst 2016 eine eigene Kooperationsplattform „Digitale Hochschule NRW“. Die Digitale Hochschule gibt der Planung und Durchführung von Digitalisierungsprojekten zusätzlichen Schwung. „Digitalisierung ist uns ein besonders wichtiges Thema. In den nächsten Jahren wollen wir mehr als 200 Millionen Euro für nötige und innovative Maßnahmen investieren, mit denen wir die Chancen der Digitalisierung in Forschung, Hochschullehre und Infrastruktur gewinnbringend nutzen wollen“, sagte NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze bei einer Vorstellung der Landesaktivitäten zur Digitalisierung mit Blick auf die Zukunft. „Über die Digitale Hochschule ist eine noch engere Kooperation der Hochschulen bei der Förderung und Bewertung digitaler Projekte möglich. Mithilfe der neu gegründeten Plattform lassen sich zudem Empfehlungen zu verbesserten politischen und administrativen Rahmenbindungen erarbeiten“, sagte Prof. Dr. Lambert T. Koch, Rektor der Bergischen Universität Wuppertal, der zugleich Mitglied der Sprechergruppe der Landesrektorenkonferenz der Universitäten in NRW ist. Die Hochschulen in Wuppertal, Paderborn und Aachen gehen mit gutem Beispiel voran. Doch auch andere Hochschulen unter anderem in Bochum, Bielefeld und Köln sind Teil Kooperationsnetzwerks und setzen sich intensiv mit der Digitalisierung und ihren Möglichkeiten auseinander.

Denise Heidenreich
freie Journalistin

Foto: simonthon.com/photocase; Illustration: DrAfter123/gettyimages

 

 

Urheberrechtsstreit um digitale Inhalte

Rückschritt ins analoge Zeitalter abgewendet

Während die einen über Blended Learning sprechen, von E-Learning und E-Didaktik, steuern die anderen geradewegs in die Vergangenheit: Ein Urheberrechtsstreit zwischen den Hochschulen und der Verwertungsgemeinschaft (VG) WORT drohte Ende 2016, der Digitalisierung an deutschen Hochschulen einen Dämpfer zu verpassen.
Die VG WORT vertritt die Rechte von Urheber*innen. Unter anderem sichert sie eine angemessene Vergütung von Autor*innen und Verlagen, wenn Dritte deren geistiges Eigentum nutzen. So müssen auch Hochschulen, die ihren Studierenden Texte in digitaler Form auf Lernplattformen zur Verfügung stellen, für diese Nutzung zahlen – bislang mit einem vertraglich geregelten, pauschalen Betrag. Nachdem jedoch das Bundesverfassungsgericht diese pauschale Abrechnung kritisiert hatte, handelten Kultusministerkonferenz und VG WORT im Oktober 2016 einen neuen Rahmenvertrag aus. Der Haken: Der neue Vertrag sah ab Januar 2017 eine Einzelabrechnung vor – 0,008 Euro pro Seite, Student*in und Semester. Ein immenser Verwaltungsaufwand, der mit hohen Kosten verbunden wäre. Bundesweit kündigten deshalb Hochschulen an, den neuen Rahmenvertrag zu boykottieren und die entsprechenden Onlineangebote abzuschalten. Vielerorts wurde der Protest von Studierenden unterstützt, obwohl ein Platzen des Vertrags für sie deutliche Verschlechterungen in der Lehre gebracht hätte, lange Schlangen in den Copyshops inklusive.Unter diesem Druck einigten sich Hochschulen, Wissenschaftsministerien und die VG WORT auf eine Übergangslösung: Bis zum 30. September 2017 wird die pauschale Vergütung nach dem alten Rahmenvertrag fortgeführt. Wie es danach weitergeht, steht noch in den Sternen. Ministerien, Hochschulen und VG Wort haben jedoch zugesichert, bis dahin in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe eine langfristige und vor allem zukunftsfähige Lösung zu finden.

Anja Heifel
nds-Redaktion

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